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Duisburg-Mitte

Gallowayy hatte sich durch die nachmittägliche Rushhour von Duisburg gequält. Da er sich hier nicht auskannte, hatte er blind dem Navigator vertraut, der ihn schließlich wieder zu Hartung geführt hatte. Als Gordon erkannte, wo er sich befand, parkte er den Leihwagen in einem naheliegenden Parkhaus. Er wusste ja, wie er Hartung von hier aus finden würde. Leider hatte er Pech. Hartung kam ihm im Hausflur entgegen. Er hatte einen Termin, den er unmöglich verschieben konnte. Zwischen Tür und Angel vereinbarten sie, dass Gallowayy in einer guten Stunde wiederkommen sollte. Der Amerikaner ließ sich ein Cafe empfehlen, wo er warten konnte. Er entschloss sich, eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Die Wegbeschreibung Hartungs führte ihn über den König-Heinrich-Platz in einen Nebenarm der Einkaufsstraße. Die Sonne hatte den Charakter des Platzes im Vergleich zum Vortage verändert. Viel mehr Menschen befanden sich auf seiner riesigen Fläche. Die Wärme der Sonne schien ihre Bewegungen zu entschleunigen. Die Personen harrten länger vor den Auslagen der Geschäfte, oder fanden Zeit zu einem Gespräch. Einige Abgehärtet saßen schon auf den Gartenstühlen, die vor den Cafes aufgestellt worden waren und von der Sicherungskette befreit waren. Das gute Wetter hatte aber auch Bettler auf die Straße herbeigelockt. Sie saßen mitten auf dem Pflaster, wortlos eine Schachtel oder eine Kopfbedeckung vor sich ausgebreitet. Einem >armen Schwein<, der unter dem Verlust seines linken Armes litt, warf der Amerikaner einige Münzen in die Mütze, ohne sie abgezählt zu haben. Der Mann erweckte sein Mitleid, als er sich vorstellte, wie aufgeschmissen er selbst sein würde, fehlte ihm ein Arm.

Gallowayy wählte einen Tisch am Fenster, der einen Ausblick auf die Einkaufsstraße ermöglichte. Für einen Sitzplatz außerhalb des Cafes war es ihm noch zu kalt. Hartung hatte Recht. Die Einrichtung erinnerte ihn an Vorstellungen, wie er glaubte, es in merry old Germany eigentlich aussehen sollte. Er datierte das Alter der Einrichtung auf das letzte Jahrhundert, als der Besuch von Cafes noch den Besserverdienenden vorbehalten war. Er bestellte einen Toast Hawaii und eine Tasse Kaffee. Seinen Blick schweifte über die Menschen, die an ihm vorbei hasteten oder bummelten. Die Sonne schien wie ein Magnet wirklich alle Menschen aus ihren Wohnungen herauszulocken. Einige leckten schon an einem Eis. Komisch, dachte der Amerikaner, kaum scheint die Sonne, dann verspüren alle die Lust auf Süßes. Nachdem er gegessen und eine weitere Tasse getrunken hatte, war es für ihn Zeit, sich auf den Weg zu Hartung zu machen.

Hartung saß bereits wieder hinter seinem Schreibtisch. Er lehnte sich zurück. Diesmal winkte er Gallowayy, sich hinzusetzen. Der Stuhl war frei von Ablagen geräumt worden. Hartung schien seinen Kunden ein gewisses Maß an Komfort bieten zu wollen. Bei der Wahrnehmung dieser Einladung bemerkte Gordon Gallowayy den kleinen Monitor, der für den Besucher als Rückteil eines Fotorahmens aussah. Dies war also der Grund, warum ihm Hartung im Hausflur entgegenkam. Es war Diskretionsschutz seiner Klienten, auch wusste er so, wer ihm auf die Bude rückte.

„Ich habe keine gute Nachricht für sie“, eröffnete Hartung das Gespräch. Er berichtete kurzgefasst, war ihm Tilly Schüllkamp erzählt hatte, ohne allerdings ihren Namen zu nennen.

Gordon heuchelte Enttäuschung. Eigentlich hatte er auch nichts anderes erwartet. Es ging immer darum, noch etwas mehr Geld herauszuholen. Das war ihm bekannt. Dafür war er schon zu lange im Geschäft. Und prompt eröffnet ihm Hartung, die Möglichkeit die Register in den umliegenden Städten und Gemeinden checken zu können. Allerdings würde jenes weitere Kosten verursachen. Money, money, money.

Der Amerikaner teilte seinem Auftraggeber mit, dass vielleicht auch ein anderer Name in Betracht kommen könnte. Er nannte ihm den Namen Walter Burger. Er ließ aber offen, wie er an diesen Namen gelangt war und warum es einen Namenswechsel gegeben haben konnte. Hartung fragte danach, hakte aber nicht nach, als er merkte, dass sein Kunde nicht mit der Sprache herausrücken wollte. Solche Fragen würden nur die Vertrauensbasis zerstören, die zwischen Detektiv und Klient bestehen musste. Schließlich ging es hier ja um Geldeinnahmen, die der Kunde zahlen würde. Als Gallowayy erfuhr, was im deutschen Meldewesen an Recherchen so möglich war – in den Staaten gab es solche Register nicht war er sofort damit einverstanden, den Rahmen der Untersuchung zu erweitern. Man einigte sich auf weitere drei Hundert Euro unter Einbeziehung aller Register im Umkreis von 100 Kilometern, falls man in Duisburg nicht fündig würde. Duisburg sollte aber der Scherpunkt der Untersuchung bleiben. Das Geld wechselte seinen Besitzer, ohne dass eine Quittung oder Beleg erstellt wurde.

Gallowayy beabsichtigte, den Abend in einer Diskothek zu beschließen und bat Hartung, ihm eine zu empfehlen. Der Duisburger musste passen. Sein Freizeitangebot enthielt keine Diskotheken. Er bevorzugte mehr Esslokale. Man verabschiedete sich. Man verabschiedete sich.

Hartung beobachtete, den Monitor, bis er sich sicher war, dass sein Klient das Haus verlassen hatte. Dann schaltete er über eine Fernbedienung seinen Videorekorder ein um sich das Gespräch noch einmal anzuschauen. Der schlechte Beigeschmack, den der Namenswechsel bei ihm verursacht hatte, verstärkte sich noch. Er griff zum Hörer, wartet, bis Patrizia Schüllkamp ihre Mutter an das Telefon geholt hatte. Tilly und er einigten sich darauf, dass Tilly für die neue Recherche ein Hundert und Fünfzig Euro bekommen sollte. Über eine Ausweitung der Recherche, auch in den anderen Städten nach dem neuen Namen zu suchen, verwendete Hartung kein Wort. Über seinen faden Beigeschmack in dieser Angelegenheit verlor er keine einzige Zeile.

Der Mann ohne Konturen

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