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Duisburg Röttgersbach

Das Ölgemälde hatte eigentlich schon Gestalt angenommen, aber Christel Knoop war mit ihrem Werk immer noch nicht zufrieden. Überall sah sie noch Ungenauigkeiten oder Fehler in der Darstellung. Der feine Haarpinsel wurde in den ein oder anderen Farbklecks getaucht, die sich auf einer Palette befanden und den Versuch vielfältiger Mischungsversuche waren. Aber diese Farbkomponenten waren längst nicht ausreichend. Auf einer freien Stelle auf dem Brett wurden wieder Farbkompositionen vorgenommen, ehe der Pinsel seine Farbmasse auf dem Gemälde ablud.

Christel Knoop hatte ihre brünetten Haare mit einem elastischen Band hinter ihren Ohren fixiert. Sie hasste es, wenn Haare bei der Arbeit vor den Augen herumtanzten und sie von ihrer Konzentration abhielten. Immer wieder stand sie auf, ging einige Schritte zurück, um mit kritischem Blick den Gesamteindruck des Bildes aufzunehmen. Dabei sah man, wie klein ihr Körperstatur war. Das Grummeln, wenn sie sich wieder vor die Staffelei setzte, waren keine Worte sondern gaben ihre Unzufriedenheit wieder. Diese Unzufriedenheit war der Motor für die nun folgenden Aktivitäten ihres Pinsels. Das was sie störte, wurde aus der Welt geschafft.

„Hallo Schätzchen“

Unwirsch wendete sie wegen der Störung den Kopf zur Seite. Als sie ihren Mann erblickte, glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. „Hey Mikael.“ Ihr Blick fiel auf die Armbanduhr, als sie den Pinsel beiseite legte. „Du bist heute aber früh.“

Mikael Knoop machte eine abwertende Handbewegung. „Heute war nichts los. Das höchste der Gefühle war ein alter Mann, alleinlebend, der beim Gardinenwechseln von der Leiter gefallen war und sich das Genick brach. Heute Morgen haben die Nachbarn die Polizei gerufen, weil der Briefkasten überquellte.“ Während er dies berichtete zeigte Mikaels Gesicht, wie unwillig ihm diese Angelegenheit war.

Christel wischte ihre Hände an dem übergroßen Herrenhemd ab. Es war gezeichnet von vielen Farbkontakten und ebenso vielen Reinigungsversuchen. Diese unwillkürliche Farbkonstellation hatte ihren eigenen Charme. Christel Knoop sah darin aus, wie ein Lausbub. „Du wirst schon interessantere Fälle bekommen, Schatz.“ Christel stellte sich auf die Fußspitzen um ihrem Mann einen Kuss zu geben. Mit ihren 1,67m konnte sie sonst nicht seinen Kopf erreichen. Sie hasste ihre Körpergröße. Draußen kompensierte sie ihre Erscheinung durch das Tragen von hochhackigen Pomps. Zu Hause aber trug sie gerne bequeme Latschen. Sie zog das Malerhemd aus und hängte dies an einen Haken. Die Haare wurden vom Band befreit. Sie schüttelte den Kopf und die halblang geschnittenen Haare fielen in ihre ursprüngliche Form.

„Ach, dies sieht aber gut aus.“ Mikaels Mimik zeigte echte Bewunderung. „Mein Schätzchen ist ein wahrer Meister. Bist du fertig?“

Auch Christel betrachtete das Bild. „ Meinst du? – Nein, noch nicht ganz. Aber ich werde morgen wohl fertig werden.“

„Dann wird sich deine Kundin aber freuen. Wie viel Geld nimmst du dafür?“

„Zu wenig. Du brauchst gar nicht zu schielen. Für dich ist diesmal nichts drin. AnnaLena braucht neue Schuhe und für die Einladung am Wochenende brauche ich dringend eine blauschwarze Bluse.“

Mikael seufzte provozierend. „AnnaLena, wo ist sie denn?“

„Sie wollte um 6 Uhr zurück sein. Sie ist bei einer Freundin.“ Christel hatte sich ihren Malutensilien zugewandt. Sie verschloss einige Tuben und wusch alle Pinsel in einem Glas Wasser aus.

„Ich merke, hier bin ich überflüssig“, gab Mikael bekannt. Ich kümmere mich um das Abendessen.“ Er war sich nicht sicher, ob Christel ihn überhaupt verstanden hatte.

Mikael hatte in der Küche den Tisch gedeckt. Die Geräusche, die er dabei machte, mussten Christel inspiriert haben. Ihr Kopf erschien in der Türöffnung. „Wolltest du nicht die Spülmaschine ausräumen Schatz?“ Eine gegenteilige Antwort erwartete sie nicht, denn sie war wieder verschwunden. Knoop hasste diese Art von Unterstellung. Weder hatte er so etwas zugesagt, noch war darüber gesprochen worden. Das war Christels Art, ihn in die Pflicht zu nehmen. Wenn er einer solchen Frage nicht sofort energisch wiedersprach, dann hieß es später >Du hast doch gesagt, dass...< Aber das Ausräumen der Spülmaschine gehörte noch zu den angenehmen Tätigkeiten, die man ihm unterstellte. Und sie war schnell erledigt.

Weil er aber immer noch alleine war, beschloss er, den Teil der Tageszeitung zu lesen, den er heute Morgen nicht geschafft hatte. Die Wanduhr schlug 18 Uhr, Mikael legte seine Füße auf die Couch. Zwei Minuten später hörte er den Schlüssel , wie er in der Haustüre gedreht wurde. Sofort stellte er seine Füße auf den Boden.

AnnaLena hängte ihren Anorak an den Garderobenhaken, machte aber keinerlei Anstalten diesen aufzuheben, als er dabei herunterfiel. Als sie ihren Vater erblickte, stürmte sie auf ihn so schnell zu, dass er kaum Zeit fand, sich aufzurichten. Mikael versteifte seine Nackenmuskulatur, weil er wusste, wie kräftig inzwischen die Umarmung seine Tochter sein konnte.

„Papa, die Veronika hat eine neue Play Station Mit dem kann man noch besser spielen ...“

Mikael unterbrach den Redefluss bewusst, wusste er doch, dies war die Einleitung zu einem Kaufwunsch. „Du bist zu spät.“

Annalene schaute irritiert auf die Wanduhr.

„Zwei Minuten“, beschied er.

„Papa!“ AnnaLenas Stimme zeigte ihre ganze Entrüstung über die ungerechtfertigte Schelte.

Mikael lachte und erhob sich. „Komm, wir gehen in die Küche. Mutti kommt gleich. Dann kannst du mir von der Play Station erzählen. Aber vorher hängst du noch den Anorak richtig auf.“

Der Mann ohne Konturen

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