Читать книгу Beiß ins Gras, Marshal! Wichita Western Sammelband 7 Romane - W. W. Shols - Страница 27
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ОглавлениеDolores stand auf. Es war irgendwann nach Mitternacht. Sie zog sich an. Ihr Blick ruhte einen Moment lang auf Cliff Bolder, dem Major, wie ihn seine Leute respektvoll nannten.
Ja, ihr Respekt vor ihm ist so groß, dass sich mit einem kleinen Anteil aus der Beute zufriedengegeben haben und den Rest brav bei ihrem Boss abgeliefert haben!, ging es Dolores durch den Kopf.
Das zeigte, wie sehr Bolder seine Leute im Griff hatte.
Schließlich hätten die Männer, die die Satteltasche an sich gebracht hatten, damit verschwinden können.
Warum haben sie es nicht getan?, fragte sich Dolores. Aus Angst? Sie hätten ein paar Stunden Vorsprung gehabt... Oder lag es an der Persönlichkeit des Majors?
Sie waren auf ihn eingeschworen.
Auf niemanden sonst.
Sie würden für ihn durch die Hölle gehen, dachte Dolores.
Und viele von ihnen hatten genau das getan. Mehr als die Hälfte von ihnen war in den langen, gefährlichen Jahren in Mexiko ums Leben gekommen. Aber das hinderte die anderen nicht daran, weiter an Bolders Seite zu reiten.
Aber ich bin nicht so!, durchzuckte es das dunkelhaarige Girl.
Sie warf sich ein einfaches Kleid über.
Darunter trug sie nichts.
Dann ergriff sie die Satteltaschen. Sie lagen immer in Bolders Nähe, wenn er schlief. Dolores warf sie sich über die Schulter. Dann nahm sie seinen Revolvergurt und schnallte ihn sich um. Ein langes Bowie-Messer hing auch an dem Gürtel. Genau so etwas brauchte sie jetzt auch.
Sie atmete tief durch.
Ihre Brüste drückten sich dabei gegen den dünnen Stoff ihres Kleides.
Jetzt musste sie alles auf eine Karte setzen.
Ein letztes Mal drehte sie sich an der Tür zu Cliff Bolder um.
"Adios, du Bastard!", flüsterte sie.
Dann ging sie hinaus ins Freie.
Die ersten Sonnenstrahlen stahlen sich bereits über die umliegenden Berge. Nebelschwaden hingen schwer in den Tälern. Es war kühl. Dolores fröstelte leicht.
Noch war es dunkel genug für eine Flucht.
Aber sie musste sich beeilen.
Denn sobald der Major erwachte und den Verlust der Beute bemerkte, würde eine gnadenlose Jagd beginnen. Sie wagte gar nicht daran zu denken, was geschah, wenn die Bolder-Leute sie wieder in ihre Hände bekamen... Bolder konnte unglaublich grausam sein. Sie hatte erlebt, wie er Gefangene gefoltert hatte, damit sie ihm verrieten, wo sie ihr Geld versteckt hatten. Er kannte kein Erbarmen, wenn es hart auf hart ging. Aber andererseits war Dolores nicht länger dazu bereit, an der Seite eines Desperados herumzuziehen, dem weder das eigene Überleben noch das seiner Leute am Herzen lag. Wir hätten ein schönes Leben haben können, dachte sie. Aber vielleicht war ein Mann wie Major Bolder auch einfach nicht der Richtige dafür.
Dolores hielt sich im Schatten. An der äußeren Schutzmauer der Mission waren einige Wachen postiert. Einen der männer sah sie schnarchend gegen den Stein gelehnt dasitzen, das Gewehr im Arm.
Zwei andere Posten standen gähnend beim Rundbogentor.
An denen würde sie auf jeden Fall vorbei müssen.
Aber kam es wohl nur darauf an, schnell genug zuzuschlagen...
Dolores' erstes Ziel war der Gefangene Reilly. Bolder misstraute ihm. Er ließ ihn nur noch deshalb am Leben, weil er nicht wusste, ob er sich eine Auseinandersetzung mit dessen Auftraggeber leisten konnte. Aber sein Leben war keinen Cent mehr wert. Und das musste ihm selbst auch klarsein. Reilly war daher ihr natürlicher Verbündeter.
Dolores nahm an, dass er schießen konnte. Ein Gunslinger.
Andernfalls hätte man ihn niemals auf einen derart gefährlichen Weg geschickt. Und das Beste war, dass er keinen Anteil der Beute verlangen würde, denn von der wusste der Fremde ja nichts. Dolores lächelte kalt.
Sie wusste, dass der Gefangene in der Kapelle untergebracht worden war.
Dorthin machte sie sich jetzt auf den Weg.
Sie schlich im Schatten der Sandsteingebäude dahin, blickte sich aufmerksam um.
Vor der Kapelle sah sie einen Wächter.
Der Kerl döste halb vor sich hin. Er saß gegen die Wand gelehnt da, hatte die fleckige Südstaatenmütze ins Gesicht gezogen.
Dolores näherte sich ihm von der Seite, schlich die Steinmauer der Kapelle entlang. Sie musste den Wächter möglichst lautlos ausschalten.
Sie nahm das Bowiemesser mit der Rechten.
Im letzten Moment bemerkte der Mann mit der Südstaatenmütze etwas.
Eine ruckartige Bewegung ging durch seinen Körper. Er griff nach der Waffe. Aber es war zu spät. Dolores hatte ihm das Messer bereits mit aller Kraft in den Oberkörper gestoßen. Direkt ins Herz. Bis zum Heft steckte die Klinge darin. Mit einem kaum hörbaren Ächzen hauchte der ehemalige Südstaatler sein Leben aus, sackte in sich zusammen.
Dolores zog das Messer aus dem Körper des Mannes heraus.
Das Blut wischte sie an dessen Ärmel ab.
Dann öffnete sie die Tür zur Kapelle und trat ein.
Es war ziemlich dunkel darin.
"Reilly?", flüsterte sie.
Sie erhielt keine Antwort.
Dann fand sie ihn hinter dem Altar. Sie fasste den Gefesselten bei den Schultern, rüttelte ihn wach.
Der Gunslinger sah sie erstaunt an.
"Stellen Sie jetzt keine Fragen!", forderte sie. "Bolder wird Sie früher oder später umbringen, weil er niemanden am Leben lassen kann, der sein Versteck kennt..."
"Ist mir schon klar!", erwiderte Reilly.
Er blickte auf das Messer in Dolores' Hand. Sie begann, seine Fesseln loszuschneiden. Reilly rieb sich wenig später die Handgelenke.
"Warum tun Sie das?"
"Ich sagte, keine Fragen, Reilly! Sie gehen jetzt vor die Tür der Kapelle. Da liegt ein Wächter, den ich erstochen habe. Nehmen Sie dessen Revolver und Gewehr."
"Und dann?"
"Gehen Sie zum Stall und satteln Sie zwei Pferde. Sind Sie ein guter Schütze?"
"Ja."
"Sie müssen es schaffen die beiden Kerle am Torbogen, die dort wacheschieben, mit zwei Schüssen auszuschalten."
"Wenn sie nicht gerade im Schatten stehen --- kein Problem!"
"Großartig! Dann müssen wir nur noch schnell genug reiten.
Solange wir uns auf dem schmalen Zuweg zur Mission befinden, sind wir ein bisschen wie auf dem Präsentierteller. Aber der Schatten müsste uns schützen..."
"Und danach Gnade uns Gott, was?"
"Haben Sie eine bessere Chance, Reilly? Auf Major Bolders Gnade zu hoffen ist sinnlos. Das kann ich Ihnen sagen..."
"Ich frage mich nur, warum >Sie> dieses verdammte Risiko eingehen."
"Ich sagte doch: Keine Fragen!"