Читать книгу Beiß ins Gras, Marshal! Wichita Western Sammelband 7 Romane - W. W. Shols - Страница 39
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ОглавлениеDie Herbstsonne stand im Zenit eines wolkenlosen Himmels, als sie am Mittag des nächsten Tages rasteten. Sie hatten inzwischen das auf der Karte eingezeichnete Gebiet erreicht. Schroffe Felsen erhoben sich links und rechts des Bear Rivers. Der Claim von Suzannes war nirgends zu entdecken.
"Er muss irgendwo hier in dieser Gegend sein", sagte sie, "Henry schrieb, dass er seine Hütte vom Fluss aus zu sehen ist."
"Dann werden wir sie auch finden." Tom streckte sich auf seiner Decke aus. "Erstmal ein Nickerchen."
Virgil beobachtete die beiden mit wachsendem Misstrauen. Er war nicht nachtragend. Aber seit sie ihn gestern nach seinem Absturz eine Stunde lang im Fluss hatten warten lassen, spürte er die Nähe, die zwischen Tom und Suzanne gewachsen war. Von jetzt auf nun, wie es schien. Sie sprachen sich mit Vornamen an, sie lächelten einander verliebt an, sie berührten sich zärtlich, wenn sie glaubten, er würde sie nicht beobachten.
Aber er beobachtete sie genau. Und ein ungeheurer Verdacht wuchs in ihm - Suzanne und Tom hatten ihn gestern bewusst so lange in der Patsche sitzen lassen. Um ungestört vögeln zu können. Während einer schlaflosen Nacht kreisten Virgils Gedanken um nichts anderes, als um diesen ungeheuerlichen Verdacht. Und nun wuchs seine Verbitterung von Stunde zu Stunde. Seine Verbitterung und seine Wut.
Suzanne blickte zum Fluss hinunter. "Ich vertrete mir ein wenig die Füße", sagte sie und kletterte über die felsige Böschung zum Bear River hinunter. Virgil sah, wie sie am Ufer entlang flussaufwärts ging und hinter dem dichten Ufergestrüpp verschwand.
Tom hatte die Augen geschlossen. Wie es schien, schlief er. Virgil erhob sich und folgte der Frau.
"Hey, Suzanne!", rief er, als er ihre schlanke Gestalt zwischen Büschen und Steinen entdeckte. Sie drehte sich um und wartete. "Was war das gestern - du hast dich von ihm vögeln lassen, hab ich Recht?"
Sie blitzte ihn aus schmalen Augen an. Wie eine angriffslustige Raubkatze wirkte sie plötzlich. "Wir mussten die Pferde wieder einfangen", sagte sie kühl. "Ist das so schwer zu verstehen?"
"Warum sollen die Gäule plötzlich das Weite gesucht haben?", knurrte Virgil. "Du hast dich von ihm vögeln lassen, gibs endlich zu?"
Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. "Und wenn? Was geht es dich an?", fauchte sie.
"Also stimmt es." Er wusste es ja, aber es aus ihrem Mund zu hören, war wie ein Faustschlag in die Nieren. Die Enttäuschung tat ihm körperlich weh. Virgil schwankte zwischen Wut und Bitterkeit.
Grob packte er ihre Handgelenke und riss sie zu sich. "Verdammt, Suzanne, vielleicht hab mich zufällig in dich verliebt!" Schrecken stand in ihren grünen Augen. "Ich bin viel jünger als er, du weißt nicht, was in mir steckt..." Sie schwieg. Virgil schloss die Arme um sie und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Ein warmer Schauer strömte durch seinen Körper, als er ihre Wärme und die Wölbungen ihrer Brüste fühlte.
Sie bog sich zurück, als wollte sie ihm ausweichen, aber er hielt sie fest. Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen seinen Brustkorb. Virgil wusste genau, dass er einen hirnrissigen Fehler machte, aber das Verlangen überwältigte ihn.
Plötzlich eine schwere Hand auf seiner Schulter. Jemand griff in seinen blonden Lockenkopf und riss ihn in den Nacken. Virgil schrie auf, ließ die Frau los und griff nach dem Arm über seinen Kopf. Ein nackter, haariger Arm. Der Arm riss ihn zurück, Virgil strauchelte, stolperte über Steine und schlug hart im Ufergeröll auf.
Die Verblüffung lähmte ihn für Sekunden, als er über sich nicht wie erwartet den Rivalen Tom Smith erkannte, sondern einen Fremden sah. Ein Mann, groß wie ein Baum und mit einem Brustkorb wie ein Fass. Ein grobschlächtiges Gesicht voller Bartstoppeln, und gänzlich kahlgeschorener Schädel. Wie ein Pirat sah der Mann aus. Er griff nach einem Aststrunk und holte aus.
"Nicht, Henry!", schrie Suzanne. "Tu ihm nichts!"
Virgil rollte sich blitzschnell zur Seite, der Asthieb donnerte neben ihm ins Geröll. Er konnte sich nicht erklären, was Suzannes Bruder so überaus wütend machte - er rollte erneut zur Seite, zog seinen Smith&Wesson und sprang auf die Beine.
"Nicht schießen, Virgil!" Suzanne kreischte hysterisch. "Um Gottes Willen schieß nicht...!"
Wie eine Dampfwalze überrollte der andere ihn, packte seinen Revolver und rammte ihm gleichzeitig das Knie zwischen die Beine. Stöhnend sackte Virgil zusammen.
Als er endlich wieder Luft bekam und den Kopf heben konnte, stand der Koloss drei Schritte vor ihm. In seiner Hand Virgils .32er. "Ich habs nicht gern, wenn man mein Mädchen anfasst." Der Hahn war gespannt, Virgil sah den fetten Finger um den Abzugsbügel sich krümmen.
"Nein!", schrie Suzanne. Sie warf sich auf den Schussarm des zwei Köpfe größeren, der Schuss explodierte und schlug zwei Schritte neben Virgil im Geröll ein. Steinsplitter sausten ihm um die Ohren.
"Hör endlich auf, Henry!" Suzanne hing an seinem Arm und versuchte ihn von Virgil wegzudrücken. Virgil aber sah den Hass in den Augen des Hünen, sah die Zornesadern an Stirn und Schläfen des grimmig verzerrten Gesichtes. Und er wusste, dass der Mann töten wollte. Töten, und weiter nichts.
Schritte knirschten im Geröll, ein Schatten flog an Virgil vorbei und prallte von der Seite gegen den Hünen namens Henry. Tom Smith. Die Männer stürzten zwischen die Steine. Virgil sah Fäuste fliegen, hörte das dumpfe Klatschen von Schlägen auf Kochen und Weichteile, hörte das hässliche Knirschen, als Zähne abbrachen.
Sekunden später stand Tom auf. Er atmete schwer. Der Hüne blieb liegen. Er stöhnte und wälzte sich im Geröll. Tom warf Virgil seine Waffe zu. Er fing sie auf und erhob sich ächzend. Merkwürdig gebeugt hinkte er zu Tom und blickte auf den Mann herab. Suzanne kniete neben ihm und schob ihren Schenkel unter seinen Kopf. Der Mund des Kerls war ein blutendes Loch. Virgil entdeckte zwei Zähne auf den blutigen Steinen neben seinem Kopf.
"Das ist ein Missverständnis, Henry", sagte Suzanne mit weinerlicher Stimme. "Die Männer haben mich durch die Berge zu dir gebracht. Warum bist du nicht nach Bear River gekommen?"
"Ich denke es war in Ihrem Sinne, dass wir ihre Schwester nicht allein in die Wildnis gehen ließen, Sir." Toms Stimme vibrierte vor Wut.
Der Hüne namens Henry stieß Suzanne zur Seite und fuhr hoch. "Schwester?!", nuschelte. Flammende Blicke schossen zwischen Suzanne und Tom und Suzanne und Virgil hin und her. "Hast du ihnen erzählt, du wärst meine Schwester?!" Er packte sie am Handgelenk und zog sie zu sich. "Du Miststück!"
Virgil glaubte plötzlich zu träumen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Toms Gesicht die Farbe eines Grauschimmels annahm.
"Ich dachte, sie wären dann eher bereit mich zu begleiten." Suzanne sprach plötzlich heiser und leise.
Der Bursche schnaubte wütend, das Blut quoll ihm aus Mund und Nase und tropfte auf sein schmutziges Unterhemd. "Sie ist meine Verlobte!", brüllte er. "Kapiert, ihr Scheißkerle!?" Der Kleiderschrank stand auf. "Meine zukünftige Frau, ist das klar?!" Er griff in die Tasche seiner weiten Nietenhose. "Und nun macht, dass ihr fortkommt!" Er warf ihnen drei Nuggets vor die Füße.
"Wo sind deine Sachen?", blaffte er Suzanne an. Sie deutete in Richtung Lagerplatz. Am Ufer entlang zerrte er die Frau mit sich fort.
Virgil sah ihnen nach. "Bullshit, verfluchter", zischte er. "Hast du den Witz gehört? >Meine zukünftige Frau<... Wie kommt so eine schöne Frau an so einen Kretin, frag ich dich..."
Tom drehte sich nicht um. Er stand wie erstarrt und blickte hinunter auf den blutigen Stein und die abgebrochenen Zähne.