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Vorwort

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Demokratie ohne Parteien ist nicht möglich. Wem die Demokratie am Herzen liegt, der muss sich mit Parteien beschäftigen und wissen, was Parteien sind, welche Funktionen sie für die Demokratie erfüllen, wie sie diese wahrnehmen und wie sie ihren Beitrag für die Demokratie noch verbessern können. Davon handelt dieses Buch. Es will zum Verständnis über politische Parteien beitragen. Dafür werden die Situation und die Entwicklung von Parteien und Parteiensystemen aus einer globalen Perspektive präsentiert, weshalb nicht nur das deutsche oder die europäischen Parteiensysteme, sondern auch die Parteienentwicklung in anderen Kontinenten in den Blick genommen werden. Zugleich werden viele Anregungen für die praktische Parteiarbeit gegeben. Alle Parteien brauchen engagierte Mitglieder, die sich für politische Ziele einsetzen – aber auch wissen sollten, wie Parteien funktionieren und was sie tun können, um erfolgreich am politischen Wettbewerb teilzunehmen.

Das Thema ist deshalb aktuell, weil weltweit die Demokratien vieler Länder bedroht sind. Die Parteien betrifft das in mehrfacher Hinsicht: Sie sind Opfer der Bedrohungen und des Verfalls von Demokratie – in vielen Fällen aber auch direkte oder indirekte Verursacher der Probleme. Vor allem aber sind sie ein Teil der Lösung. Damit die Demokratien wieder stärker werden, müssen auch die Parteien ihre Funktionen besser erfüllen. Dazu müssen sie selbst, ihre Mitglieder und vor allem auch ihre Parteiführer, zunächst zwei Voraussetzungen erfüllen: Erstens müssen sie ein wirkliches Interesse an der Erhaltung und Stärkung der Demokratie in ihrem Land haben und die grundlegenden Prinzipien und Verfahren einer demokratischen Ordnung respektieren und verteidigen. Sie sollten diese Prinzipien und Verfahren kennen und sich immer wieder vergegenwärtigen. Im ersten Kapitel ( Kap. 1) dieses Buches wird deshalb noch einmal zusammengefasst, was Demokratie im 21. Jahrhundert bedeutet und welchen Herausforderungen sie gegenübersteht. Zweitens müssen die Parteien in der Lage sein, die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Länder unter Bewahrung der demokratischen Ordnung zu gestalten. Dafür braucht es nicht nur den Willen zur Macht, Empathie für die Anliegen und Sorgen der Menschen und Ideen für die politische Gestaltung eines Gemeinwesens – sei es das einer Stadt oder eines Staates. Notwendig sind auch Kenntnisse über die verschiedenen Seiten, die das Wesen einer Partei ausmachen: ihre Rolle und Funktionen im politischen Prozess, die Bedeutung von Partei- und Wahlprogrammen, der Aufbau einer effizienten Organisationsstruktur, die Beteiligung der Mitglieder an innerparteilichen Debatten und Entscheidungen, eine solide und transparente Finanzierung, ein gutes Auskommen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren, die effiziente Handhabung der modernen, aber auch der traditionellen Formen und Formate politischer Kommunikation und nicht zuletzt die erfolgreiche Teilnahme an Wahlen. Darüber hinaus brauchen Parteien Führer, die nicht nur ihre Mitmenschen mobilisieren können und über politische Sachkenntnis verfügen, sondern auch hohen ethischen Anforderungen gerecht werden, denn ihre Entscheidungen berühren das Schicksal ihrer Mitmenschen.

Bei der Vorstellung dieser Themen und der Formulierung von Empfehlungen für die praktische Parteiarbeit greife ich neben den Erkenntnissen der Parteienforschung auch auf eigene Erfahrungen des politischen Engagements in einer Partei und der Zusammenarbeit mit politischen Parteien in diversen Ländern durch meine Tätigkeit für die Konrad-Adenauer-Stiftung zurück. Darauf stützt sich mein Plädoyer zugunsten eines Parteientyps, der sich durch eine breite und dauerhafte Organisation, ein kohärentes Programm, eine feste Mitgliederbasis mit einer lebendigen Beteiligung der Mitglieder auszeichnet und nicht nur zu Wahlkampfzeiten aktiv ist. Viele Parteien entsprechen diesem Idealtypus nicht und erfüllen ihre Funktionen nur auf eine unzulängliche Weise. Das ist insbesondere in den Ländern zu beobachten, in denen die Demokratie schweren Belastungen ausgesetzt ist oder sogar verloren zu gehen droht. In kurzen Abschnitten über die Parteienentwicklung in den »jungen Demokratien« und in Westeuropa werden einige dieser Probleme angesprochen.

Weil es nicht genügt, nur die eingeschränkte Funktionsfähigkeit vieler Parteien und ihr geringes Ansehen zu konstatieren oder zu beklagen, gilt mein zweites Plädoyer einer aktiven Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer Partei. Parteimitglied zu sein, kann zwar manchmal anstrengend und frustrierend sein, doch ist es ein persönlicher Beitrag für die Demokratie eines Landes, den überall viel mehr Bürger erbringen sollten. Alle Parteien würden von noch mehr engagierten und informierten Mitgliedern in ihren Reihen profitieren. Allerdings existieren in vielen Ländern gerade für junge Menschen kaum oder nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich in Parteien zu engagieren. In Europa und Nordamerika bieten sich auf der lokalen Ebene über die Wahl in kommunale Parlamente und lokale Vertretungsorgane mehr Möglichkeiten, früh politische Praxis zu üben, als in Afrika, Asien oder Lateinamerika, wo selbst die Stadt- oder Gemeindeparlamente jüngeren Menschen meist verschlossen bleiben und die Parteien ihren Jugendorganisationen nur wenig eigenen Handlungsspielraum zugestehen. Zudem existieren nur in wenigen Ländern dieser Kontinente Angebote und Möglichkeiten politischer Bildung im schulischen oder außerschulischen Bereich, die junge Menschen mit den Prinzipien und Verfahren der Demokratie vertraut machen. Doch auch manche europäischen Parteien haben verkrustete Strukturen, die es vor allem jüngeren Mitgliedern erschweren, sich mit ihren Ideen und ihrem Engagement einzubringen. Dies schreckt junge Menschen davon ab, sich in Parteien zu engagieren, denen dadurch viele Talente verloren gehen. Deshalb ist es notwendig, dass sie neue und vor allem auch junge Mitglieder gewinnen. Neben der üblichen Mitarbeit in den Gremien bietet es sich an, junge Mitglieder eigene politische Projekte durchführen zu lassen, um ihren Enthusiasmus und ihr politisches Engagement zu bestärken. Was darunter zu verstehen ist und wie das organisiert werden kann, wird in diesem Buch erläutert.

Politisches Engagement braucht Idealismus und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und politischen Ämtern, wozu auch das mühevolle Einarbeiten in Sachthemen gehört. Ohne die Idealisten unter ihren Mitgliedern und führenden Repräsentanten, die eine politische Idee und ein politisches Ziel verfolgen, wird keine Partei glaubwürdig und wirksam die Prinzipien der Demokratie verteidigen. Wer dagegen in der Politik vor allem seinen eigenen wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteil sucht, droht im Sumpf der Korruption zu landen. Politisches Engagement ist in erster Linie ein Dienst an der Gemeinschaft, der persönlichen Einsatz verlangt, welcher nicht unbedingt auf monetäre Weise entgolten werden kann. Dennoch muss politische Arbeit angemessen entlohnt werden, vor allem, wenn sie als Vollzeittätigkeit ausgeübt wird. Demokratie hat ihren Preis und Parteien und Politiker müssen ihrer Verantwortung entsprechend bezahlt und finanziert sein. Deshalb wird auch das Thema Parteienfinanzierung in diesem Buch behandelt.

Die Empfehlungen für die praktische Parteiarbeit sind keine Blaupausen für Parteireformen, sondern vor allem Anregungen, sich mit den angesprochenen Themen bei Debatten über Parteien und den Ausbau oder die Reform einer Parteiorganisation auseinanderzusetzen. Was für sie relevant ist, muss jede Partei selbst entscheiden. Die Fragen am Ende jedes Kapitels sollen diese Debatte anregen und laden den Leser ein, darüber nachzudenken, wie sich die Partei, die er kennt und eventuell sogar wählt, zu einzelnen Themen darstellt und wo eventuell ein Bedarf nach Veränderung und Reform besteht.

Um die Lektüre nicht durch einen wissenschaftlichen Apparat zu stören, verzichte ich weitgehend auf Fußnoten und halte auch die Literaturhinweise im Text knapp. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.

Mein herzlicher Dank für die kritische Lektüre früherer Fassungen des Manuskripts und wichtige Anmerkungen und Anregungen gilt Professor Thomas Poguntke von der Universität Düsseldorf sowie den Professoren aus Madrid Adriaan Kühn (Universidad Francisco de Vitoria), Mario Kölling (Universidad Nacional de Educación a Distancia) und Susanne Gratius (Universidad Autónoma) sowie Dr. Luis Blanco von der Europäischen Volkspartei in Brüssel. Martin Friedek, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Madrid, danke ich für die wiederholte Lektüre des Manuskripts, seine Kommentare und die Hilfe bei der Ermittlung von Daten und der Erstellung einiger Schaubilder. Der Konrad-Adenauer-Stiftung gilt mein aufrichtiger Dank für die Förderung der Publikation dieses Buches.

Wilhelm HofmeisterMadrid, im Mai 2021
Parteien gestalten Demokratie

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