Читать книгу Gott der Philosophen - Wilhelm Weischedel - Страница 55

2. Paulus

Оглавление

Die wechselvolle Geschichte der Auseinandersetzung des christlichen Glaubens mit dem griechischen Denken beginnt mit einer schroffen Verwerfung der Philosophie. Der Apostel Paulus versichert im 1. Brief an die Korinther, Gott habe „die Weisheit der Welt“, nach der „die Griechen suchen“, „zur Torheit gemacht“ (1, 20 und 22); denn „die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott“ (3, 19). Daher auch warnt er im Brief an die Kolosser seine Leser, „daß keiner sein möge, der euch durch die Philosophie und leeren Betrug nach der Lehre der Menschen, nach den Elementen der Welt, entführe“ (2, 8).

Die Erwähnung der Philosophie besagt freilich noch nicht, daß Paulus mit der großen philosophischen Tradition der Griechen eingehender vertraut gewesen wäre. Die im Kolosserbrief genannten „Elemente der Welt“, die „στοιχεῖα τοῦ ϰόσμου“, weisen allem Anschein nach eher auf gnostisches Denken zurück.2 Immerhin betont ein so vorzüglicher Kenner der spätantiken Philosophie wie Max Pohlenz, Paulus habe zwar „nicht unmittelbar“ auf die Stoa zurückgegriffen, er habe aber doch „gewisse Anregungen aus der stoischen Philosophie empfangen“.3 Eine ausdrückliche Kenntnis dieser philosophischen Richtung wird Paulus übrigens vom Verfasser der „Acta Apostolorum“ zugeschrieben. Dieser berichtet, der Apostel habe mit Epikureern und Stoikern disputiert (17, 18) und in seiner Rede auf dem Areopag davon gesprochen, daß der Mensch göttlichen Geschlechts sei (17, 28); dieser Gedanke ist offensichtlich stoischen Ursprungs. Auch in ihrem Hinweis auf die natürliche Gotteserkenntnis enthält die Areopagrede stoische Gedankengänge. So kann Pohlenz schreiben, daß sich in dem entsprechenden Abschnitt dieser Rede „für jeden Satz … Parallelen auf stoischem Boden finden“ 4.

Die Areopagrede ist nun freilich nach Ansicht der maßgebenden neutestamentlichen Forschung nicht genuin paulinisch. Aber sie ist charakteristisch für die Tatsache, daß die christliche Predigt in dem Augenblick, in dem sie mit der hellenistischen Welt in Berührung kommt, an deren auch und gerade von der Philosophie her bestimmte Vorstellungen anknüpfen mußte. Denn damit trat, wie Rudolf Bultmann zeigt, „der christliche Glaube … in eine neue geistige Welt ein; die Verkündigung mußte in einer den hellenistischen Hörern verständlichen Sprache und ihrer Begriffswelt reden“5. In dieser kommt jedoch lediglich eine popularisierte Philosophie zum Ausdruck. Mit der griechischen Philosophie in ihrer originalen Gestalt sieht sich das frühe Christentum noch nicht konfrontiert. Wäre dies geschehen, dann hätte sich jedoch aus der Sache heraus das Verwerfungsurteil des Paulus auch auf diese erstrecken müssen. Unter diesem Aspekt spricht sich in den zitierten Sätzen aus den Briefen des Apostels Paulus die anfänglichste Lösung des philosophisch-theologischen Problems auf dem Boden des Christentums aus: die Leugnung dieser Problematik überhaupt, die eindeutige Abweisung der Philosophie durch den Glauben.

Gott der Philosophen

Подняться наверх