Читать книгу Gott der Philosophen - Wilhelm Weischedel - Страница 62

5. Die Gnosis als Philosophische Theologie

Оглавление

Indem hier alles auf die rechte Erkenntnis der göttlichen Dinge ankommt und die Herabkunft des Gesandten nur dazu dient, von dieser Kunde zu bringen, ist die Gnosis in der Tat, wie Harnack behauptet, „eine geoffenbarte Metaphysik“8. Das philosophische Element in ihr ist der Sache nach das entscheidende; die Offenbarung ist nur der Weg, um zu den philosophisch-theologischen Einsichten zu gelangen. Das haben vor allem die kirchlichen Gegner der Gnosis empfunden; Tertullian nennt den Valentinos ausdrücklich einen „Platoniker“ und betont: „Dieselbe Sache wird bei den Häretikern (sc. den Gnostikern) und den Philosophen bedacht“ (T 7, 5). Das entspricht auch dem Selbstverständnis der Gnostiker. Die Naassener sollen nach dem Bericht des Hippolytos behauptet haben, „daß sie das lehren, was früher die Philosophen der Griechen gelehrt haben“ (H V, 2). So ist es auch nicht verwunderlich, wenn von den Karpokratianern berichtet wird, sie hätten bei ihren Mysterien die Bilder Jesu „zusammen mit den Bildern weltlicher Philosophen, nämlich mit dem Bilde des Pythagoras, Platon, Aristoteles und der anderen“ bekränzt (J I 25, 6).

So ist also die Gnosis zu Recht in die Geschichte der Philosophischen Theologie einzubeziehen. In deren Rahmen aber ist sie von unabsehbarem, wenn auch oftmals schwer zu durchschauendem Einfluß auf die weitere Entwicklung. Nicht nur, daß manche ihrer Gedanken in einer spezifisch christlichen Modifikation in den Systemen des Clemens von Alexandrien und des Origenes wiederkehren und daß sie sodann, allerdings verbunden mit vorherrschend neuplatonischen Ideen, sich etwa bei Dionysios Areopagita wiederfinden, der für die gesamte – scholastisch ebenso wie mystisch bestimmte – Philosophische Theologie des Mittelalters von entscheidender Bedeutung ist. Selbst in der Neuzeit bleibt das gnostische Denken nicht wirkungslos. Und dies nicht nur bei ausgesprochen gnostischen Philosophen wie Jakob Böhme, sondern, durch diesen vermittelt, etwa auch beim mittleren und späten Schelling.

1 Rudolf Buhmann, Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, Zürich 1949, S. 181.

2 Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Band I, Tübingen 51931, S. 250f.

3 Die Zitate dieses Paragraphen sind zum größeren Teil entnommen aus: Quellen zur Geschichte der christlichen Gnosis, hrsg. von W. Völker, Tübingen 1932. Bei der Zitierung werden folgende Siglen verwendet: C = Clemens Alexandrinus, Stromateis; E = Epiphanius, Panarion; H = Hippolyt, Refutatio; I = Irenaeus, Adversus haereses; T = Tertullian, De praescriptione haereticorum. – Die Übersetzungen stammen vom Verfasser.

4 Clementina, Recognitiones Rufino interprete li 58, 4; zit. nach: Die Pseudoklementinen, Band li, hrsg. von B. Rehm, Berlin 1965.

5 Rudolf Buhmann, Das Urchristentum, a. a. 0., S. 181: „Gnosis und Christentum haben sich … mannigfach beeinflußt, – von den Ursprüngen des Christentums an“; ferner S. 210: „Die Situation des natürlichen Menschen in der Welt stellt sich für das urchristliche Denken ganz ähnlich dar wie für die Gnosis, und gnostische Gedanken und Begriffe müssen in der Tat dazu dienen, diese Situation zu beschreiben.“

6 Pistis Sophia 100; zit. nach: Koptisch-gnostische Schriften, Band I, hrsg. von C. Schmidt und W. Till, Berlin 21954.

7 Clemens Alexandrinus, Excerpta ex Theodoto 78, 2.

8 Adolf von Harnack, a. a. 0., S. 251.

Gott der Philosophen

Подняться наверх