Читать книгу OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht - Wolf-Dieter Beck - Страница 29

2. Anhörung und Akteneinsicht

Оглавление

44

Wird die Verwarnung nicht akzeptiert oder wird wegen der Schwere der Ordnungswidrigkeit Anzeige erstattet, dann ist es grundsätzlich nicht zu empfehlen, allein aufgrund der vom Mandanten gegebenen Information Angaben zur Sache oder zur Rechtslage zu machen. Die Personalien muss der Betroffene im Anhörungsbogen nur angeben, soweit diese noch nicht bekannt sind. Sind sie bekannt, muss der zugesandte Anhörungsbogen nicht beachtet oder zurückgesandt werden.[19]

Hinweis

Die Entscheidung darüber, ob und welche Stellungnahme verfasst wird, sollte erst nach erfolgter Akteneinsicht erfolgen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen einer Einlassung für den Betroffenen und der eigenen anwaltlichen Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage. Auch sollten keine Skizzen, Fotos oder Zeugenerklärungen etc. frühzeitig vorgelegt werden.

45

Übersicht: Recht auf Akteneinsicht

Das Recht zur Akteneinsicht des Verteidigers ergibt sich aus § 147 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Das Recht zur Akteneinsicht des Verteidigers wird im Vor- und Zwischenverfahren durch § 69 Abs. 3 S. 2 OWiG ergänzt.
Das Recht zur Akteneinsicht des Betroffenen im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde ergibt sich aus § 49 Abs. 1 OWiG.
Das Recht zur Akteneinsicht des Verletzten ergibt sich aus § 406e StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Das Recht zur Akteneinsicht des Dritten ergibt sich aus §§ 474 ff. StPO i.V.m. § 49b OWiG.

46

Gemäß § 69 Abs. 3 S. 2 OWiG hat der Anwalt Anspruch auf Akteneinsicht im Vor- und Zwischenverfahren gegenüber der Bußgeldbehörde, spätestens nach Einspruchseinlegung gegen den Bußgeldbescheid. Das Recht auf Akteneinsicht ist grundsätzlich schon geregelt in § 147 StPO, der über § 46 Abs. 1 OWiG auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt. Nach § 69 Abs. 3 S. 2 OWiG muss die Verwaltungsbehörde spätestens vor Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft einem Verteidigerantrag auf Akteneinsicht entsprechen. Zur Begründung einer Rechtsbeschwerde in Form der Verfahrensrüge mit der die Verletzung des Akteneinsichtsrechts geltend gemacht wird, reicht es nicht aus, wenn nur der Akteneinsichtsantrag und die daraufhin ergangene richterliche Entscheidung mitgeteilt wird. Es muss gegebenenfalls auch vorgetragen werden, dass die Akte zum Zeitpunkt der Einsicht nicht vollständig war und welche Bestandteile gefehlt haben, sowie vor allem, welche Gründe einer nochmaligen, erneuten und dazu vollständigen Akteneinsicht entgegenstanden.[20] Ausnahmsweise kann die Akteneinsicht versagt werden, wenn sie den Untersuchungszweck gefährden würde.[21] Der Gewährung von Akteneinsicht an den Verteidiger steht nicht entgegen, wenn zum Zeitpunkt des Antrags auf Akteneinsicht noch keine schriftliche Vollmacht des Verteidigers vorliegt.[22] Wird nicht vollständig Akteneinsicht gewährt, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.[23] Die Gewährung von Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.[24]

Der Verteidiger hat einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Akteneinsicht und über deren Durchführung willkürfrei entschieden wird.[25] Die Ablehnung der Akteneinsicht ohne plausiblen Grund kann sogar die Besorgnis der Befangenheit des Richters nach sich ziehen.[26] Zu den Akten gehören alle verfahrensbezogenen Unterlagen einschließlich Auszüge aus dem Fahreignungsregister.[27] Die Polizei arbeitet immer häufiger mit Videoaufzeichnungen bei Anzeigen im fließenden Verkehr. Auch hier hat der Anwalt das Recht auf Einsicht, und zwar dahingehend, dass ihm eine Kopie desjenigen Teils des Videobandes zugänglich gemacht wird, das den Verkehrsvorgang enthält, an dem der Mandant beteiligt ist. Es empfiehlt sich einen Datenträger beizufügen, damit eine Datei von der Polizei verschickt werden kann. Dem Verteidiger kann nach einer grundlegenden Entscheidung des BayObLG nicht zugemutet werden, vorhandene Videoaufzeichnungen bei einer weiter entfernten Polizeidienststelle, die das Videoband in Verwahrung hat, einzusehen.[28] Videoaufzeichnungen, die sich nicht in der Ermittlungsakte befinden, sondern bei anderen Behörden aufbewahrt werden, unterliegen ebenfalls der Akteneinsicht, wenn sie für die fragliche Tat von Bedeutung sind.[29] Wird die Gewährung nur unvollständiger Akteneinsicht als Beschränkung der Verteidigung gerügt, so ist zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge im Rechtsbeschwerdeverfahren die kausale Beziehung zwischen diesem Fehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt darzulegen.[30] Zuvor muss der Verteidiger Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung wegen unvollständiger Akteneinsicht gestellt haben.[31]

47

Ob im Vorverfahren bereits Beweisangebote unterbreitet werden sollen, kann nicht allgemein entschieden werden. Wenn keinerlei Angaben gemacht werden mit dem Ziel, schon dadurch die Anzeige gegen den Fahrzeughalter zu Fall zu bringen, sollten natürlich auch Hilfsbeweisangebote unterbleiben. Zu beachten ist jedoch § 69 Abs. 2 S. 3 OWiG. Danach kann die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer bestimmten Frist dahingehend zu äußern, ob und ggf. welche Tatsachen bzw. Beweismittel im weiteren Verfahren zur Entlastung vorgebracht werden. Wenn der Betroffene diesen Hinweis nicht beachtet, kann dies unter Umständen später zu Konsequenzen führen. Gemäß § 109a Abs. 2 OWiG kann nämlich bei einem Freispruch oder einer Einstellung davon abgesehen werden, notwendige Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, soweit diese durch rechtzeitiges Vorbringen entlastender Umstände hätte vermieden werden können. Äußert sich der Betroffene dagegen weder im Verfahren vor der Bußgeldstelle noch im gerichtlichen Verfahren zur Sache, so gilt diese Vorschrift nicht, weil dann davon auszugehen ist, dass der Betroffene von seinem verfassungsmäßigen Recht zum Schweigen Gebrauch gemacht hat.[32]

Hinweis

Der Verteidiger sollte bei einer drohenden Anwendung der Vorschrift des § 109a Abs. 2 OWiG vorsorglich darauf hinweisen, dass es nach wie vor keinen Zwang zur Begründung eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid gibt.

48

Ein Absehen der Kostenauferlegung zu Lasten der Staatskasse gem. § 109a Abs. 2 OWiG scheidet aus, wenn der Betroffene entlastende Umstände zwar nicht rechtzeitig vorbringt, die Verwaltungsbehörde jedoch diese ohne weiteres hätte selbst feststellen können.[33] Das Gleiche gilt, wenn dem Betroffenen nicht nachgewiesen werden kann, dass er wesentlich entlastende Umstände kannte[34] oder wenn die Verfolgung naher Angehöriger droht[35] bzw. enge Freunde belastet werden müssten.[36]

49

Es ist festzustellen, dass von der Auslagenentscheidung gem. § 109a Abs. 2 OWiG in der Praxis nur sehr selten Gebrauch gemacht wird. Sie wird nur angewandt in Fällen, in denen ein nicht rechtzeitiges Vorbringen als unlauter anzusehen ist.[37]

Teil 1 OrdnungswidrigkeitengesetzIV. Vorverfahren, Akteneinsicht, Bußgeldbescheid › 3. Erlass des Bescheids (§ 65 OWiG)

OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht

Подняться наверх