Читать книгу OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht - Wolf-Dieter Beck - Страница 30

3. Erlass des Bescheids (§ 65 OWiG)

Оглавление

50

Die Verwaltungsbehörde darf einen Bußgeldbescheid nur erlassen, wenn der Sachverhalt genügend aufgeklärt, die Ahndung geboten ist, der Betroffene gehört wurde und kein Verfahrenshindernis vorliegt. Leider ist in der Praxis immer wieder zu beobachten, dass Bescheide „auf Verdacht“ ergehen. Viele Bußgeldverfahren müssten bei ordentlicher Arbeit der Verwaltungsbehörde schon vor Erlass eines Bescheides eingestellt werden. Zuweilen werden offensichtlich nicht einmal die Einlassungen der Betroffenen gelesen. Teilweise ist festzustellen, dass bei völlig widersprechenden Angaben der Betroffenen trotz Fehlens von Zeugen unter Umständen sogar beide Beteiligte eines Unfalls Bußgeldbescheide erhalten, obwohl bei richtiger Betrachtung keinem ein schuldhaftes Verhalten nachzuweisen ist. Die Folge davon ist, dass gerichtliche Einstellungen nach Einspruchseinlegung nicht selten sind.

51

An dieser Stelle noch etwas zur Anhörung des Betroffenen: Gemäß § 55 Abs. 1 OWiG muss ihm Gelegenheit gegeben werden, sich zur Beschuldigung zu äußern. Dies hat vor der Entscheidung der Bußgeldstelle zu geschehen. Der Betroffene muss keine Angaben zur Sache, wohl aber zu den Personalien machen. Ein Anhörungsbogen muss nicht zurückgesandt werden.[38] Der Betroffene braucht gem. § 55 Abs. 2 OWiG nicht darauf hingewiesen zu werden, dass er schon vor seiner Vernehmung einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann. Es wurde schon ausgeführt, dass es sich bei Anzeigen der Polizei empfiehlt, nicht sofort eine Stellungnahme abzugeben. Es sollte vielmehr durch den Verteidiger zunächst einmal die Akte eingesehen werden. Dies gilt insbesondere bei Kennzeichenanzeigen. Die Qualität der Fotos ist nämlich nicht immer gut. Die Ausschussquote bei Lichtbildern beträgt immer noch ca. 5 %. Dies bedeutet, dass dieser Prozentsatz der Anzeigen meist nicht zu einem Bußgeldbescheid führen kann, wenn der Betroffene keinerlei Angaben macht.

52

In diesem Zusammenhang eine wichtige Entscheidung des BGH, die auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren Bedeutung hat: Ist der Einvernahme des Beschuldigten durch die Polizei nicht der Hinweis vorausgegangen, dass es ihm freistehe, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht auszusagen, so dürfen seine Äußerungen in dieser Vernehmung nicht verwertet werden.[39] Der BGH hat zwar die Frage offen gelassen, ob das von ihm ausgesprochene Verwertungsgebot auch in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt. Die Frage ist jedoch zu bejahen, da beim OWi-Verfahren gem. § 46 OWiG sinngemäß die Vorschriften der Strafprozessordnung gelten. Dies gilt insbesondere für § 136 Abs. 1 S. 2 StPO (Hinweispflicht des Polizeibeamten). Diese Vorschrift gilt auch im OWi-Verfahren – im Gegensatz zu der Vorschrift des § 136 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. hierzu § 55 Abs. 2 OWiG). Angaben des Betroffenen, die dieser außerhalb einer formellen Vernehmung macht, also spontane Äußerungen nach einem Unfall etc., können dagegen auch nach der vorgenannten BGH-Entscheidung in das Verfahren eingeführt und verwertet werden. Aussagen eines Betroffenen z.B. über Trinkmenge und Trinkzeit des genossenen Alkohols sind ohne Belehrung verwertbar, wenn er bei einer verdachtsunabhängigen Kontrolle gegenüber dem befragenden Polizeibeamten nähere Angaben macht.[40] Insoweit handelt es sich um eine informatorische Befragung. Eine solche ist immer dann anzunehmen, wenn noch kein konkreter individualisierter Anfangstatverdacht vorliegt und der Befragte noch nicht die Stellung eines Beschuldigten erlangt hat.[41] Eine die Belehrungspflicht auslösende Vernehmung liegt erst vor, wenn der Polizeibeamte dem Betroffenen in offizieller, amtlicher Eigenschaft gegenüber tritt. Der Tatverdacht muss allerdings gewisses Gewicht haben.[42]

53

Erlassen ist der Bußgeldbescheid, sobald er unterzeichnet und in den Geschäftsgang gelangt ist.[43] Entscheidend ist das ausgewiesene Datum der Unterzeichnung. Hierbei ist zu beachten, dass der Bußgeldbescheid auch im EDV-Verfahren ausgestellt werden kann.[44] Erforderlich ist allerdings ein nachprüfbarer Willensakt des zuständigen Sachbearbeiters, der aktenkundig sein muss. Nur dann kann im EDV-Verfahren die technische Herstellung des Bescheides erfolgen.[45] Eine aktenkundige Dokumentation liegt vor, wenn sich aus den Akten ergibt, dass der Sachbearbeiter die Absendung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen verfügt hat.[46] Ist dies nicht der Fall, kann auch nachträglich im Wege des Freibeweises festgestellt werden, dass der Bußgeldbescheid von dem zuständigen Sachbearbeiter durch Benutzung der EDV-Anlage erlassen worden ist. Dies ist ausreichend.[47] Es gehört nicht zu den Verfahrensvoraussetzungen eines gerichtlichen Bußgeldverfahrens, dass der Erlass des Bescheides in einer für Außenstehende erkennbaren Weise aktenmäßig (Aktenverfügung des Sachbearbeiters) dokumentiert ist.[48]

Teil 1 OrdnungswidrigkeitengesetzIV. Vorverfahren, Akteneinsicht, Bußgeldbescheid › 4. Inhalt des Bescheids (§ 66 OWiG)

OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht

Подняться наверх