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b) Verfahren bei Abwesenheit

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Hat das Gericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden, so kann er sich durch einen bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen, § 73 Abs. 3 OWiG. Ein Rechtsanwalt, der in Untervollmacht ohne schriftliche Vollmacht erscheint, darf nicht zurückgewiesen werden.[59] Kann der Rechtsanwalt keine Vertretungsvollmacht vorlegen, darf er gleich wohl vor Gericht auftreten und Anträge stellen. Er ist allerdings nicht befugt für den Betroffenen Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen.[60] Wenn ein Verteidiger sich bestellt hat, muss das Gericht eine geringfügige Verspätung berücksichtigen[61] und zwar bis zu 15 Minuten[62].

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Wenn der Betroffene nicht erschienen ist und von der Erscheinenspflicht entbunden wurde, wird die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt, § 74 Abs. 1 OWiG. Das gilt auch, wenn der beauftragte Verteidiger nicht erscheint.[63] Das in Abwesenheit ergehende Urteil darf sich nur auf die dem Betroffenen genannten Beweismittel stützen.[64] Im Abwesenheitsverfahren hat das Gericht auf die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, wenn das Urteil von der rechtlichen Beurteilung der Tat im Bußgeldbescheid abweichen soll.[65]

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Ist er nicht entbunden, verwirft gem. § 74 Abs. 2 OWiG das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung durch Urteil. Voraussetzung hierfür ist, dass eine ordnungsgemäße Ladung vorliegt und über die Folgen des Ausbleibens belehrt wurde (§ 74 Abs. 3 OWiG). Fehlt es daran, ist die Verwerfung unzulässig.[66] Kann die Terminsladung dem Betroffenen selbst nicht zugestellt werden, so bleibt die Zustellung an den Verteidiger dann wirkungslos, wenn sich aus der Verteidigervollmacht eine Ermächtigung zur Empfangnahme von Ladungen nicht ergibt.[67]

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Auch eine genügende Entschuldigung des Betroffenen verbietet eine Einspruchsverwerfung. Eine ausreichende Entschuldigung liegt vor, wenn das Erscheinen nicht möglich oder zumutbar ist, der Begriff ist dabei nicht zu eng auszulegen.[68] Allerdings geht grundsätzlich die Erscheinungspflicht vor Gericht privaten und beruflichen Angelegenheiten vor.[69] Unaufschiebbare Verpflichtungen entschuldigen.[70] Steht der Hinweis des Verteidigers, der Betroffene müsse nicht erscheinen, in erkennbarem Widerspruch zum Inhalt der diesem zugegangenen gerichtlichen Ladung, so muss der Betroffene seinen Widerspruch durch Nachfrage beim Gericht aufklären, andernfalls soll sein Fernbleiben vom Termin nicht entschuldigt sein.[71] Das Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG muss sich mit Entschuldigungsgründen auseinandersetzen.[72] Dies gilt insbesondere auch, wenn der Entschuldigungsgrund rechtzeitig vor dem Termin bei der Geschäftsstelle eingegangen ist.[73] Die Aufklärungs- und Fürsorgepflicht gebietet es, dass sich das Gericht vor der Verkündung eines Verwerfungsurteils bei der Geschäftsstelle informiert, ob dort ein Entschuldigungsschreiben oder ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen des Betroffenen vorliegt.[74] Die Sachaufklärungspflicht gebietet es dagegen nicht, bei der Einlaufstelle nachzuforschen, ob dort ein Entschuldigungsschreiben des Betroffenen eigegangen ist.[75] Entscheidend ist, ob der Betroffene genügend entschuldigt ist, nicht ob er sich genügend entschuldigt hat.[76] Ergeht ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, dann kann der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils beantragen (§ 74 Abs. 4 OWiG). Im Rahmen einer zulässigen Rechtsbeschwerde kann ein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.

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Unzulässig ist die Verwerfung des Einspruchs, wenn das Gericht umgeladen hat und auf die Möglichkeit der Einspruchsverwerfung nicht nochmals hingewiesen wird.[77] Die in einer früheren Ladung erfolgte Belehrung genügt nicht.[78] Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet es, in nicht ganz einfachen Bußgeldsachen eine Hauptverhandlung in Gegenwart des gewählten Verteidigers zu ermöglichen. Ein begründeter Verlegungsantrag des Verteidigers ist deshalb zu beachten.[79]

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Wenn der Betroffene von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung nicht entbunden wurde, dann hilft es auch nicht, wenn sein Verteidiger zum Termin erscheint. Dies ergibt sich indirekt aus § 73 Abs. 3 OWiG. Das Gericht muss in diesem Fall den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG durch Urteil verwerfen.[80] Das gilt auch, wenn der Betroffene lediglich in der Fortsetzungsverhandlung fehlt.[81] Eine Abwesenheitsentscheidung nach § 74 Abs. 2 OWiG ist aber ausgeschlossen, wenn der Verteidiger nicht ordnungsgemäß geladen wurde.[82]

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Hat das Gericht über einen rechtzeitig gestellten Antrag des Betroffenen, ihn von der Erscheinungspflicht zu entbinden, nicht entschieden und bleibt dieser darauf in der Hauptverhandlung aus, so ist sein Ausbleiben auf die falsche Sachbehandlung des Gerichts zurückzuführen und soll deshalb nach der Rechtsprechung als genügend entschuldigt anzusehen sein.[83]

OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht

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