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2. Wirtschaftliche Verhältnisse, Bußgeldkatalog

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Gemäß § 17 Abs. 3 OWiG sind für die Bemessung der Buße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, maßgebend. Bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten können auch wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen in Betracht kommen.

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Im bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog sind fast alle möglichen Verkehrsverstöße aufgezählt, die ein Verkehrsteilnehmer begehen kann und die eine Geldbuße von 5,00 € oder mehr nach sich ziehen. Er gilt in der gesamten Bundesrepublik. Bußen, die weniger als 40,00 € betragen, werden nicht im Fahreignungsregister eingetragen, es gibt dann keine Flensburg-Punkte. Im Bußgeldkatalog sind feste Sätze (Verwarnungs- bzw. Bußgelder) vorgesehen. Die Beträge stellen Regelsätze dar, sie sind Richtwerte für die Bemessung. Hierbei wird von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen und davon ausgegangen, dass keine Voreintragungen im Fahreignungsregister vorhanden sind. Nachdem der Bußgeldkatalog in Form einer Rechtsverordnung erlassen wurde, folgt hieraus, dass die zuständigen Bußgeldbehörden und die Gerichte insoweit an die Sätze gebunden sind, als Regelfälle vorliegen.[1] Kein solcher Regelfall und damit auch keine Bindung der Bußgeldbehörden und der Gerichte an die im Bußgeldkatalog ausgewiesenen Geldbußen liegt vor, wenn besondere Milderungsgründe oder erschwerende Umstände vorhanden sind. Die Geldbuße kann also erhöht werden, wenn z.B. einschlägige Voreintragungen vorhanden sind oder wenn sich der Täter besonders rücksichtslos verhalten hat. Die Voreintragungen dürfen allerdings noch nicht getilgt bzw. noch nicht tilgungsreif sein.[2] Die Berücksichtigung von Voreintragungen setzt im Übrigen voraus, dass die eingetragenen Verstöße vor der neu zu ahndenden Tat begangen wurden und dem Betroffenen bekannt sind.[3] Wenn ausnahmsweise vorsätzliches Handeln nachgewiesen wird, kommt eine Erhöhung, unter Umständen eine Verdoppelung der Regelbuße in Betracht, allerdings nicht generell.[4] Es ist rechtsfehlerhaft bei vorsätzlichem Handeln den Regelsatz stets pauschal zu verdoppeln, dies wäre eine Verletzung der Grundregel des § 17 Abs. 3 OWiG.[5] Eine Herabsetzung der Buße kann u.a. in Betracht kommen, wenn ein Mitverschulden eines anderen Kraftfahrers, langjährige unbeanstandete Fahrpraxis oder auch unterdurchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen.[6] Bei der Festsetzung der Geldbuße bleibt dem Gericht also ein Ermessensspielraum erhalten. Ein Abweichen von der Regelbuße oder vom Regelfahrverbot muss allerdings stets begründet werden.[7]

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Die Bußgeldbehörden und Gerichte sind auch an die Verwarnungsgeldsätze insoweit gebunden, als Regelfälle vorliegen.[8] Zeigt sich der Betroffene geständig und nachvollziehbar einsichtig, beispielsweise durch Verzicht auf seine Fahrerlaubnis und die Anmeldung zur Teilnahme an einer Verkehrstherapie, so kann das Vorliegen eines Regelfalls verneint und die Buße reduziert werden.[9]

Hinweis

Der Verteidiger hat also im Einspruchsverfahren gegen einen Bußgeldbescheid, der sich am Regelsatz des Katalogs ausrichtet, durchaus Möglichkeiten, für den Mandanten eine Verbesserung zu erreichen, etwa einen Eintrag im Fahreignungsregister zu vermeiden. Dies ist immer dann möglich, wenn dargelegt werden kann, dass kein Regelfall vorliegt, sondern ein minder schwerer Fall.

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Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nur ausnahmsweise zu berücksichtigen. In der Regel sind sie unbeachtlich im Verwarnungsgeldbereich (Geldbuße weniger als 40,00 €), dies gilt auch bei überdurchschnittlichem Einkommen.[10] Meist ist deshalb eine Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bemessung der Geldbuße nicht erforderlich.[11] Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass gem. § 17 Abs. 3 OWiG auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht zu ziehen sind, wenn es nicht um den Verwarnungsgeldbereich geht.

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Bei zunehmender Höhe sind sie nach einer zum Teil sehr widersprüchlichen Rechtsprechung zu berücksichtigen, wenn sie außergewöhnlich gut oder schlecht sind.[12] Hierzu bedarf es im Urteil konkreter Feststellungen. Alleine der Hinweis, der Betroffene habe ein geregeltes Einkommen, ist dabei nicht ausreichend.[13] Gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 Hs 1 OWiG kommen die wirtschaftlichen Verhältnisse nur als ein Bemessungsfaktor in Betracht. Zu ihnen rechnen neben Einkommen, Vermögen, Schulden, Unterhaltsverpflichtungen auch unter Umständen die persönlichen Lebensumstände, soweit sie wirtschaftliche Bedeutung haben können (z.B. Erwerbsmöglichkeit, die der Betroffene nutzen könnte). Auch das Einkommen des Ehepartners kann eventuell berücksichtigt werden, soweit es sich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen auswirkt[14]. Im Bereich von Ordnungswidrigkeiten zwischen 40-100 €, also in dem Bereich von geringen bis mittleren Geldbußen, werden im Allgemeinen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters nicht zu berücksichtigen sein. Dies ergibt sich indirekt aus § 17 Abs. 3 OWiG. Bis zu einer Geldbuße von 100 € sollen auch nach der Rechtsprechung die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt werden,[15] weil geringe Verstöße vorliegen. Zum Teil wird die Geringfügigkeitsgrenze allerdings erst bei einer Geldbuße von 250 € gezogen.[16] Zwingend sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bei Regelsätzen ab 500 € zu treffen.[17]

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Diese Meinung, die sich unter anderem auf die frühere Rechtsbeschwerdegrenze (100 DM) stützte, ist jedoch nur schwer mit dem Gesetz zu vereinbaren. Geringfügige Ordnungswidrigkeiten können nicht vorliegen, wenn eine Eintragung im Flensburger Fahreignungsregister in Rede steht und so der Betroffene unter Umständen ganz erhebliche Nachteile durch den Punkteeintrag zu erwarten hat. Daran hat auch die Änderung des Bußgeldkataloges zum 1.2.2009 nichts geändert, mit der die Bußgeldsätze der Delikte erheblich angehoben wurden, die Regelfahrverbote und Punkte hingegen unverändert geblieben sind. Andererseits soll jedoch in diesem Bereich auch nicht jede geringfügige Unter- oder Überschreitung des durchschnittlichen Einkommens berücksichtigt werden.

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Man wird die wirtschaftlichen Verhältnisse in etwa berücksichtigen müssen bei Geldbußen von mehr als 100 €. Hier ist die Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu prüfen, vom Regelsatz des Bußgeldkataloges wird bei außerordentlich günstigen oder ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen abgewichen werden können.[18] Nach der aktuellen Rechtsprechung kann jedoch auch in diesem Bereich (Festsetzung von Bußen von mehr als 100 €) von der Ermittlung der Einkommensverhältnisse dann abgesehen werden, wenn sie offensichtlich nicht erheblich vom Durchschnitt abweichen und eine Buße im Rahmen des Bußgeldkataloges verhängt wird.[19] Alleine durch die Möglichkeit von Zahlungserleichterungen gemäß § 18 OWiG kann sich das Gericht diesem Erfordernis jedoch nicht entziehen.[20] Zu berücksichtigen ist jedoch stets, dass der Richter eine Abweichung von den Regelsätzen des Bußgeldkataloges ausreichend begründen muss.[21] Will das Gericht eine höhere als die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße verhängen, so ist ein Hinweis nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 265 Abs. 2 StPO nicht geboten.[22] Bei der Frage, ob eine geringfügige Ordnungswidrigkeit vorliegt, ist im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht nur auf die Höhe einer Geldbuße, sondern auch darauf abzustellen, ob ergänzend ein Fahrverbot vorgesehen ist.[23]

Hinweis

Der Verteidiger sollte bei seiner Stellungnahme für den Mandanten schon gegenüber der Polizei auf vorhandene, außerordentlich schlechte finanzielle Verhältnisse hinweisen, um eventuell eine Herabsetzung der Regelbuße zu erreichen. Allerdings bleibt es gem. § 28a StVG bei einem Eintrag im Flensburger Fahreignungsregister, wenn die Geldbuße nur aufgrund der schlechten finanziellen Verhältnisse des Betroffenen auf einen Betrag unter 40,00 € angesetzt wird.

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§ 28a StVG stellt sicher, dass die Eintragung in das Fahreignungsregister unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen erfolgt.[24] Auf diese Bestimmung muss in der Entscheidung ausdrücklich hingewiesen werden.[25]

Teil 1 OrdnungswidrigkeitengesetzVIII. Bemessung der Geldbuße (§ 17 OWiG) › 3. Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und Tatvorwurf

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