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6. Konkurrenzen[44]

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Werden durch eine Handlung mehrere Tatbestände des Bußgeldkatalogs verwirklicht, so ist immer nur ein Regelsatz, bei verschiedenen Regelsätzen der höchste, anzuwenden. Die Regelsätze werden also nicht addiert, der höchste Regelsatz kann angemessen erhöht werden.[45] Sind durch dieselbe Handlung mehrere geringfügige Verstöße begangen, für die ein Verwarnungsgeld in Betracht kommt, so wird nur ein Verwarnungsgeld, und zwar das höchste, erhoben.

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Tateinheit i.S.v. § 19 OWiG liegt vor, wenn bzgl. mehrerer Verhaltensweisen eine natürliche Handlungseinheit vorliegt, also bei einem einheitlichen zusammengefassten Tun, z.B.: örtlich identische Parkverstöße,[46] Tempoüberschreitung mit gleichzeitiger Vorfahrtverletzung[47] oder gleichzeitigem Benutzen eines Mobiltelefons,[48] Überfahren mehrerer Rotlichter unmittelbar hintereinander, fortlaufendes Zuschnellfahren auf der Autobahn,[49] Beschädigung mehrerer Fahrzeuge durch ein und denselben Verkehrsvorgang.[50] Es muss eine zeitliche und räumliche enge Verbindung zwischen den verschiedenen Verstößen bestehen.[51] Tateinheit ist also gegeben, wenn die gleiche gesetzliche Vorschrift mehrfach verletzt wird oder eine Handlung gegen verschiedene Gesetze verstößt.[52] Dies ist nach der Rechtsprechung z.B. der Fall bei einem Lkw-Fahrer, dessen Geschwindigkeitsüberschreitung durch eine Diagrammscheibe festgestellt wird, bis zum nicht nur verkehrsbedingtem Anhalten des Lkw.[53] Natürliche Handlungseinheit liegt vor, wenn mehrere Verhaltensweisen in einem so engen Zusammenhang stehen, dass sich das gesamte Geschehen für einen objektiven Beobachter als ein einheitlich zusammengefasstes Tun erweist.[54] Dies kann der Fall sein bei einer kontinuierlichen Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer einzigen Fahrt.[55] Das Gleiche gilt für im Minutenmessabstand begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen.[56] Kurzfristige Unterbrechungen der Fahrt müssen der Annahme von Tateinheit nicht in jedem Fall entgegenstehen.[57] Ein Fahrverbot wird verhängt, wenn einer der Tatbestände ein Regelfahrverbot vorsieht. Werden durch dieselbe Handlung mehrere geringfügige Verstöße begangen, für die jeweils eine Verwarnung in Betracht kommt, so wird nur ein Verwarnungsgeld, nämlich das höchste, erhoben.

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Früher wurde bei mehreren in nur losem zeitlichen Zusammenhang begangenen Ordnungswidrigkeiten (z.B. mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb einer Stadt) eine fortgesetzte Handlung angenommen. Diese Konstruktion wurde vom BGH sowohl im Strafrecht als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht aufgegeben.[58] In dem oben angeführten Beispiel wird jetzt also tatmehrheitliche Begehung zu sehen sein.

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Tatmehrheit liegt vor, wenn keine natürliche und auch keine rechtliche Handlungseinheit mehr gegeben ist (z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung, anschließende Unterbrechung der Fahrt, weitere Geschwindigkeitsübertretungen; Verstoß gegen die StVO und gleichzeitig gegen § 29 StVZO).[59] Das Gleiche gilt bei zwei verschiedenen Geschwindigkeitsbeschränkungen hintereinander[60] oder bei verschiedenen Rotlichtverstößen auf einer Fahrt mit einem gewissen zeitlichen Abstand.[61] Verschiedene auf einer Fahrt begangene Verstöße werden nämlich nicht schon deshalb zu einer Tat, wenn sie auf derselben Fahrt sich ereignen. Vielmehr ist mit dem Ende eines bestimmten Verkehrsvorgangs, der durch einen anderen abgelöst wird, das die Tat bildende geschichtliche Ereignis abgeschlossen.[62] Zwischen dem unerlaubten Drogenbesitz und der zeitgleichen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs unter Drogenwirkung besteht keine Tateinheit, wenn das Mitführen der Betäubungsmittel im Kraftfahrzeug in keinem inneren Beziehungszusammenhang mit dem Fahren steht.[63] Ist dies der Fall, kann Tateinheit vorliegen.[64] Zeitlich zusammenfallende Begehungs- und Unterlassungsdelikte (z.B. Rotlichtverstoß und Nichtanlegen des Gurts) stehen in der Regel zueinander in Tatmehrheit.[65]

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Gemäß § 20 OWiG wird bei Tatmehrheit für jede Ordnungswidrigkeit eine gesonderte Geldbuße festgesetzt. Es gilt also das Kumulationsprinzip, § 53 StGB gilt nicht.[66] Mehrfach mögliche Fahrverbote werden allerdings nicht besonders ausgewiesen, es wird nur ein Fahrverbot verhängt, das 3 Monate nicht unterschreiten darf.[67] Die Punkte nach den Mehrfachtäterrichtlinien werden einzeln vergeben, im Gegensatz zur Tateinheit. Deshalb ist es für den Verteidiger von besonderer Wichtigkeit, zu prüfen und festzustellen, ob im Einzelfall bei mehreren im Bußgeldbescheid aufgezählten Einzeltaten in Wirklichkeit ein tateinheitliches Handeln vorgelegen hat. Das Punktekonto des Mandanten kann so u.U. erheblich entlastet werden. Sind zwei in Tatmehrheit begangene Ordnungswidrigkeiten jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge zu ahnden und wir hierüber gleichzeitig entschieden, so ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen.[68]

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Umgekehrt kann es eventuell von Vorteil sein, mehrere Bußgeldbescheide oder Verwarnungen wegen ein und derselben Tat zu akzeptieren, wenn diese jeweils 40,00 € (Eintragungsbeginn) nicht erreichen. Würde nämlich aufgeklärt werden, dass in Wirklichkeit ein einziges Delikt vorgelegen hat, dann könnte zwar nur ein Bußgeldbescheid bzw. eine Verurteilung ergehen, allerdings dann evtl. mit „Flensburg-Punkten“.

OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht

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