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b) Beweisantrag, Ablehnung

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Wenn auch das formelle Beweisantragsrecht des § 244 Abs. 3 und 4 StPO im Bußgeldverfahren nicht gilt, muss die Ablehnung eines Beweisantrags in einem richterlichen Beschluss begründet werden.[102] Die Ablehnungsgründe für einen Hilfsbeweisantrag können in den Urteilsgründen dargelegt werden.[103] Die Ablehnung eines Beweisantrags muss allerdings nur kurz begründet werden, dies gilt insbesondere für die Kurzbegründung der Ablehnung des Beweisantrages, weil eine Beweisaufnahme nach dem bisherigen Ergebnis der Verhandlung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.[104] Wichtig ist, dass das Gericht in Bußgeldverfahren nicht verpflichtet ist, die Beweisaufnahme auf sämtliche vorgeladenen und erschienen Zeugen zu erstrecken, wie dies in § 245 StPO für den Strafprozess vorgeschrieben ist.[105] Dies ergibt sich aus § 77 Abs. 1 OWiG. Ein Beweisantrag, dem zunächst stattgegeben wurde, kann später abgelehnt werden, wenn der Richter neue Erkenntnisse hat.[106] Hierbei muss das Gericht allerdings die Gründe für seine geänderte Auffassung näher darlegen.[107]

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Gemäß § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG kann das Gericht einen Beweisantrag insbesondere dann ablehnen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Für die Anwendung dieser Vorschrift sind verschiedene Voraussetzungen notwendig. Es muss bereits eine Beweisaufnahme stattgefunden haben. Des Weiteren muss das Gericht im Übrigen den Sachverhalt für hinreichend geklärt ansehen. Der Richter muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist, dass also die beantragte weitere Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.[108] Wenn nur ein einziger Belastungszeuge gehört wurde, kann die vom Verteidiger beantragte Vernehmung eines Entlastungszeugen nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache sei bereits erwiesen.[109] Die Zurückweisung des Beweisantrags ist nämlich nur möglich, wenn der Sachverhalt aufgrund eindeutiger Beweismittel schon so weit geklärt ist, dass die beantragte Beweiserhebung an der richterlichen Überzeugung nichts mehr ändern kann.[110] Dass diese Voraussetzungen vorliegen, muss das Gericht in dem die Ablehnung des Beweisantrags aussprechenden Beschluss darlegen. Wird ein Beweisantrag im Bußgeldverfahren mit einer Kurzbegründung nach § 77 Abs. 3 OWiG abgelehnt, dann ist im Urteil darzulegen, worauf die sichere Überzeugung gestützt ist und aus welchen Gründen die dagegen vorgebrachten Beweismittel keinen weiteren Aufklärungswert haben.[111] Wenn zwei Polizeibeamte den Verstoß des Betroffenen bestätigen, diese Aussagen aber durch einen Gegenzeugen entkräftet werden sollen, ist der Sachverhalt noch nicht ausreichend geklärt.[112] Nur wenn der Sachverhalt aufgrund ganz eindeutiger Beweismittel schon so weit geklärt ist, dass die beantragte Beweiserhebung an der richterlichen Überzeugung nichts mehr ändern würde, kann eine Ablehnung erfolgen.[113] Ein Beweisantrag kann nicht mit der Begründung, die Beweisaufnahme sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, zurückgewiesen werden, wenn ein Zeuge angegeben wird, der das bisherige belastende Beweisergebnis, das auf der Aussage eines einzigen Zeugen beruht, widerlegen soll.[114] Das Gleiche gilt, wenn konkret ein Zeuge dafür benannt wird, dass der Betroffene als Fahrer ausscheidet und das Lichtbild nicht eindeutig ist.[115]

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Hat sich dagegen der Richter schon nach der Vernehmung nur eines Polizisten als Zeugen seine Überzeugung von dem zu beurteilenden Sachverhalt gebildet, so ist die darauf gestützte Ablehnung der Vernehmung eines zweiten Polizisten gerechtfertigt, wenn nach den dem Gericht zugänglichen Erkenntnissen von dem Zeugen keine abweichende Aussage zu erwarten ist und die Verteidigung auch nichts Gegenteiliges behauptet.[116] Anders ist dies, wenn eine abweichende Aussage nicht ausgeschlossen erscheint.[117] Auch ist die Ablehnung eines Beweisantrages gerechtfertigt, wenn es unwahrscheinlich ist, dass das Beweismittel die behauptete Tatsache überhaupt erweisen kann. Dies gilt etwa dann, wenn bei einer Geschwindigkeitsmessung ein Lichtbild von sehr guter Qualität vorliegt, aber der Betroffene trotzdem einen Zeugen benennt, dass er als Fahrer ausscheidet. Einem solchen Beweisantrag muss nur nachgegangen werden, wenn behauptet wird, dass zwischen den Personen eine sehr starke bzw. täuschende Ähnlichkeit besteht.[118] Auch kommt die Ablehnung eines Beweisantrages dann in Betracht, wenn ein standardisiertes Messverfahren durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens angegriffen werden soll, ohne dass konkrete Hinweise für eine Fehlmessung vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht werden.[119] Bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine Fehlmessung besteht für das erkennende Gericht jedoch unabhängig vom Vortrag des Betroffenen nach § 77 Abs. 1 S. 1 OWiG eine Aufklärungspflicht.[120]

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Inwieweit die eigene Sachkunde des Gerichts z.B. bei polizeilichen Messverfahren oder bei der Aufklärung von Unfallursachen ausreichend ist, um ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen eine Entscheidung zu treffen, ist zuweilen streitig.[121] Der Richter, der genügend eigene Sachkunde angibt, muss dieses Fachwissen in den Rechtsstreit einführen.[122] Auch die Urteilsgründe müssen Ausführungen enthalten, aus denen sich die besondere Sachkunde ergibt.[123] Wenn sich das Gericht einem Sachverständigen anschließt, müssen dessen Ausführungen in einer zusammenfassenden Darstellung, die Anknüpfungstatsachen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergegeben werden.[124] Eigene Sachkunde des Richters kann bei einfachen technischen Fragen angenommen werden,[125] nicht dagegen aber, wenn es um schwierige technische oder medizinische Fachfragen geht.[126]

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Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob eine Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit wirklich erforderlich ist. Damit steht also dem Gericht ein Beurteilungsspielraum zu, in den nicht in jeden Fall eingegriffen werden kann. Die Entscheidung des Richters kann nur daraufhin überprüft werden, ob er den Gesetzen der Logik gefolgt ist oder ob er Erkenntnisse der Wissenschaft beachtet und der Lebenserfahrung entsprochen hat.[127] In Bußgeldverfahren sind an die Urteilsgründe zwar keine zu hohen Anforderungen zu stellen.[128] Sie müssen aber eine Richtigkeitskontrolle auf Rechtsfehler ermöglichen.[129]

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Gemäß § 77 Abs. 2 Ziff. 2 OWiG kann das Gericht einen Beweisantrag auch dann ablehnen, wenn nach seiner freien Würdigung das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wird, dass die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

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Aus dem Wortlaut ergibt sich, dass dann, wenn nur eine Unterbrechung in Betracht kommt, also nicht eine Aussetzung, das Gericht gem. § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG eine Verspätung nicht rügen kann.[130]

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Im Übrigen ist auch für die Anwendung von § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG Voraussetzung, dass eine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist und das Gericht den Sachverhalt dann auch für hinreichend geklärt hält. Ist dies nicht der Fall, so ergibt sich schon aus der Aufklärungspflicht, dass die beantragte Beweisaufnahme durchgeführt werden muss.

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Ohne verständigen Grund muss das Beweismittel so spät vorgebracht worden sein, dass die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Betroffenen ein früheres Vorbringen ohne weiteres möglich und vor allem auch zumutbar gewesen wäre. Ein verständiger Grund liegt vor, wenn sich für den Betroffenen erst in der Hauptverhandlung Hinweise für ein für ihn günstiges Beweismittel ergeben haben oder aber wenn er die Anschrift von Entlastungszeugen erst kurz vor dem Hauptverhandlungstermin erfahren konnte.[131] Wenn der Betroffene damit rechnen konnte, dass seine beabsichtigten Einwände in der Hauptverhandlung ohnehin zur Sprache kommen werden, muss er nicht von vornherein sämtliche möglichen Entlastungszeugen benennen.[132] Ein verständiger Grund kann auch vorliegen, wenn entgegen dem Akteninhalt ein Zeuge in der Hauptverhandlung von seiner polizeilichen Aussage abweicht, die es zu widerlegen gilt.[133] Ein erst in der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag kann dann nicht als verspätet i.S.v. § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG abgelehnt werden, wenn dem Betroffenen in der Ladung zum Hauptverhandlungstermin mitgeteilt wurde, dass die im Bußgeldbescheid aufgeführten Beweismittel herangezogen werden und der Beweisantrag eines dieser Beweismittel zum Gegenstand hat.[134]

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Kein verständiger Grund liegt vor, wenn zu dem gleichen Beweisthema hintereinander immer wieder verschiedene Zeugen von dem Betroffenen genannt werden, nachdem die früheren Aussagen jeweils für ihn kein günstiges Ergebnis brachten. Der Betroffene handelt immer dann ohne verständigen Grund, wenn ihm ein früheres Vorbringen ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre, wenn also seine Angaben keinerlei Nachteile für seine Verteidigungsstrategie oder auch für nahe Angehörige gebracht hätten.

Hinweis

Oftmals wird es jedoch die Verteidigungsstrategie erfordern, Zeugen nicht sofort zu benennen, sondern erst einmal abzuwarten, ob in dem Hauptverhandlungstermin eine Identifizierung des Betroffenen möglich ist. In diesem Zusammenhang muss auch beachtet werden, dass dem Betroffenen grundsätzlich ein Schweigerecht zusteht, er also nicht verpflichtet ist, vorsorglich schon Entlastungszeugen zu benennen. Der Betroffene muss auch nicht vorsorglich schon alle möglichen Beweismittel benennen. Dies gilt insbesondere für einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.

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Die unterlassene Bescheidung eines nicht offensichtlich unzulässigen Beweisantrages verletzt das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör. [135]

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