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a) Entbindungsantrag

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Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist das Gericht verpflichtet, den Betroffenen auf seinen Antrag hin gem. § 73 Abs. 2 OWiG von der Erscheinungspflicht zu entbinden, wenn er erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern werde und die Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn schon vorher eine Äußerung zur Sache abgegeben worden ist. Insbesondere wenn der Betroffene seine Fahrereigenschaft zum Tatzeitpunkt ausdrücklich eingeräumt hat und zudem erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung weder zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, noch zur Sache weiter äußern wird.[35] Das Gericht kann den Antrag nicht nach eigenem Gutdünken ablehnen, mit der Begründung der Sachverhalt müsse noch weiter aufgeklärt werden, die Entscheidung steht nicht in seinem Ermessen.[36] Für eine negative Verfügung ist nur dann Platz, wenn wesentliche Gesichtspunkte der Aufklärung bedürfen, nicht wenn es um untergeordnete Dinge geht.[37] Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG ist das Gericht also verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen.[38] Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt oder verlegt, wirkt die Entbindung jedoch nicht für eine spätere Hauptverhandlung fort.[39]

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In jedem Fall muss das Gericht bei der Entscheidung über den Entbindungsantrag eine Abwägung der Interessen vornehmen, die berechtigten Belange der Bürger sind wahrzunehmen. Insoweit gilt die frühere Rechtsprechung zur Anordnung des persönlichen Erscheinens.[40] Allerdings reicht eine große Entfernung zwischen Wohn- und Gerichtsort alleine nicht aus, das Ausbleiben des Betroffenen zu entschuldigen[41].

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Nicht entbinden wird das Gericht, wenn Identifizierungsfragen zu entscheiden sind, etwa aufgrund eines vorhandenen Frontfotos. Ausnahmsweise kann dies auch gelten, wenn das Gericht zuverlässigere Angaben eines Zeugen dann erwartet, falls diese in Gegenwart des Betroffenen gemacht werden[42] oder wenn im Einzelfall Anhaltspunkte vorhanden sind, dass ein zunächst schweigender Betroffener in der Hauptverhandlung sich doch noch zu einer Aussage entschließt.[43] Die nur theoretische Möglichkeit allerdings, dass der Betroffene seinen Entschluss zum Schweigen überdenkt reicht nicht aus, um die Befreiung zu verweigern.[44] Allerdings kann die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung auch dann noch zur weiteren Sachaufklärung dienen, wenn hierfür die bloße physische Präsenz des berechtigterweise schweigenden Betroffenen genügt[45]. Ein Erscheinen des Betroffenen ist für die Entscheidung der Frage, ob ein Fahrverbot erforderlich ist, nicht unbedingt nötig.[46] Wenn eine deutliche Erhöhung der Regelbuße in Betracht kommt, können auch die wirtschaftlichen Verhältnisse zu den wesentlichen Gesichtspunkten des Sachverhalts zählen.[47] und ein persönliches Erscheinen des Betroffenen erforderlich machen.[48] Soweit es dem Gericht darauf ankommt, kann eine Entbindung von der Erscheinungspflicht erreicht werden, wenn rechtzeitig vor dem Hauptverhandlungstermin entsprechend informiert oder erklärt wird, dass keine Äußerung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erfolgt.[49]

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Der Antrag auf Entbindung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung kann von dem Betroffenen oder seinem Verteidiger formlos gestellt werden. An eine Frist ist er nicht gebunden.[50] Er muss nicht begründet werden, wenn sich die Gründe schon aus den Akten ergeben, eine Begründung im Sinne des Wortlauts von § 73 Abs. 2 OWiG ist jedoch dringend zu empfehlen. Vor allem sollte der Antrag, der an sich bis zum Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden kann,[51] rechtzeitig eingereicht sein. Streitig ist, ob der Entbindungsantrag auch noch in der Hauptverhandlung gestellt werden kann.[52] Der BGH hat diese Frage bisher nicht entschieden.[53] Wenn der Verteidiger alleine erscheint, muss er eine Vertretungsvollmacht vorlegen, um den Entbindungsantrag stellen zu können.[54] Eine Entbindung, die ohne entsprechenden Antrag ergeht, verletzt das rechtliche Gehör.[55]

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Wird dem Antrag nicht stattgegeben, ist dies nicht anfechtbar, es handelt sich um eine prozessleitende Verfügung.[56] Selbst wenn sie fehlerhaft ist, gilt nichts anderes. Rechtsunwirksam ist eine Prozesshandlung nur dann, wenn sie an einem ganz offenkundigen, besonders schwerwiegenden Mangel leidet.[57] Die Überprüfung einer prozessleitenden Verfügung ist nur im Rechtsbeschwerdeverfahren möglich. Wird ein Entbindungsantrag durch Beschluss zurückgewiesen, muss sich das Gericht im Urteil damit auseinandersetzen, warum es dem Antrag nicht entsprochen hat.[58]

OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht

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