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VII. Der Rechtsweg kraft Sachzusammenhangs (§ 17 Abs. 2 GVG)

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§ 17 Abs. 2 GVG gilt für sog. „gemischte“ Rechtsverhältnisse, bei denen der Klageanspruch auf verschiedene materiellrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, für die jeweils verschiedene Rechtswege gegeben sind.

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Ein Beispiel hierfür ist die Klage eines Beamten, der durch ein seinem Dienstherrn zurechenbares rechtswidriges Verhalten geschädigt wurde. Für einen Schadensersatzanspruch des Beamten ist, soweit er auf eine Fürsorgepflichtverletzung gestützt wird, gem. § 54 Abs. 1 BeamtStG bzw § 126 Abs. 1 BBG der Verwaltungsrechtsweg, soweit er dagegen mit Amtshaftung gem. § 839 BGB, Art. 34 GG begründet wird, gem. Art. 34 S. 3 GG der ordentliche Rechtsweg gegeben. Ohne § 17 Abs. 2 GVG führte dies zu einer prozessualen Aufspaltung eines eigentlich einheitlichen Anspruchs mit der Folge, dass jede Gerichtsbarkeit über den Anspruch nur im Hinblick auf die ihr unterliegende rechtliche Begründung entschiede.

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§ 17 Abs. 2 S. 1 GVG verhindert dies, indem er bestimmt, dass in diesen Fällen das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Deshalb hat ein ordentliches Gericht, vor dem ein Beamter wegen einer Amtspflichtverletzung des Dienstherrn auf Schadensersatz klagt, zugleich darüber zu befinden, ob der Anspruch auch oder ausschließlich unter dem Aspekt einer Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht begründet ist. Eine Einschränkung des § 17 Abs. 2 S. 1 GVG ergibt sich jedoch aus § 17 Abs. 2 S. 2 GVG, der klarstellt, dass in keinem Fall die verfassungsrechtlich verankerte Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Amtshaftungsansprüche (Art. 34 S. 3 GG) und Enteignungsentschädigungsansprüche (Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG) auf andere Gerichtsbarkeiten übergehen darf. Aus diesem Grund ist das wegen eines Schadensersatzanspruchs aus Fürsorgepflichtverletzung gem. § 54 Abs. 1 BeamtStG bzw § 126 Abs. 1 BBG angerufene Verwaltungsgericht nicht befugt, darüber zu befinden, ob der geltend gemachte Schadensersatzanspruch des Beamten unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung gem. § 839 BGB iVm Art. 34 GG besteht. Als praktische Konsequenz dieser Einschränkung ergibt sich, dass auf Geldersatz gerichtete Schadensersatzklagen wegen eines deliktischen Verhaltens der öffentlichen Hand regelmäßig vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden, da diese in der Prüfung materiellrechtlicher Anspruchsgrundlagen (anders als die Verwaltungsgerichte wegen § 17 Abs. 2 S. 2 GVG) nicht beschränkt sind. Dies hat freilich die rechtspolitisch wenig befriedigende Folge, dass die systemfremde (nur historisch verständliche) Regelung des Art. 34 S. 3 GG sogar noch eine Ausweitung erfährt.

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Beachte:

§ 17 Abs. 2 GVG findet nur Anwendung, wenn ein einheitlicher prozessualer Anspruch auf mehrere Klagegründe gestützt werden kann (BVerwG, JZ 1995, 401, 402). Werden dagegen mehrere Klagebegehren durch den Kläger mit einer Klage geltend gemacht (sog. objektive Klagehäufung, vgl Rn 87) und ist für eines von ihnen der Rechtsweg unzulässig, so ist dieser Teil abzutrennen und zu verweisen[92].

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Beispiele:

Klagt der Bürger vor den ordentlichen Gerichten auf Aufhebung einer rechtswidrigen Beschlagnahme und auf Ersatz des ihm dadurch entstandenen Schadens, so ist das gem. Art. 34 S. 3 GG für die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch zuständige ordentliche Gericht nicht befugt, über die Aufhebung der Beschlagnahme zu befinden. Denn hier handelt es sich um ein anderes Klagebegehren, für das nach § 40 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Bezüglich dieses Begehrens wird nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen. Entsprechendes ist auch dann anzunehmen, wenn eine polizeiliche Beschlagnahme sowohl auf die StPO wie auch auf Polizeirecht gestützt wird (Rn 154), denn in diesem Fall liegen in Wahrheit zwei unterschiedliche Maßnahmen vor[93]. Deutlich wird dies auch daran, dass durch die gerichtliche Aufhebung einer allein auf die §§ 94 ff StPO gestützten Beschlagnahme die Polizei nicht an einer erneuten Beschlagnahmeanordnung – diesmal gestützt auf polizeirechtliche Vorschriften – gehindert wäre.

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Zur Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis hinsichtlich rechtswegfremder Vorfragen bedarf es keines Rückgriffs auf § 17 Abs. 2 S. 1 GVG. Hängt das Bestehen eines Kostenersatzanspruchs von der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts ab, für dessen Anfechtung ein anderer Rechtsweg gegeben ist, so sind die Verwaltungsgerichte unabhängig von § 17 Abs. 2 S. 1 GVG zu dessen Überprüfung verpflichtet (s. Rn 177; nicht überzeugend deshalb die Heranziehung des § 17 Abs. 2 S. 1 GVG durch BVerfG, NVwZ 2010, 1482 und Würtenberger/Heckmann, Rn 248; näher hierzu Kopp/Schenke-Ruthig, § 41 Rn 4).

§ 3 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 VwGO) › VIII. Die Verweisung

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