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Оглавление[50]Kommunen und Signorien in Norditalien
1085 | Erste Nennung von Konsuln. |
um 1120 | Einführung des Podestats. |
ab etwa 1250 | Übergang zur Signorie. |
Vom letzten Viertel des 11. Jahrhunderts an entwickelte sich vor allem in Norditalien die typische Form der selbstverwalteten Stadtgemeinde (Kommune, civitas). Dies geschah als völlig neue Entwicklung, ohne Kontinuität zur Antike. Vielmehr hatten die Städte spätestens in der Langobardenzeit ihre rechtliche Sonderstellung verloren; sogar der römische Senat verschwand, und in der byzantinischen Themenverfassung war für kommunale Selbständigkeit ohnehin kein Raum. Die Städte blieben aber als architektonische Einheiten und als Siedlungszentren bestehen, sie waren in der Regel Bischofssitz (wenn auch nicht selten mit Unterbrechung der Kontinuität in den Anfängen der Langobardenzeit) und oft Sitz des langobardischen Gastalden oder Herzogs, später des karolingischen Grafen.
Der Bischof als Stadtherr
Die Entwicklung zur kommunalen Selbständigkeit verlief nun so, dass der Bischof, unter Zurückdrängung der weltlichen Grafen, in die Rolle eines Stadtherrn hineinwuchs und dann von den Bürgern aus dieser Stellung verdrängt wurde.
In der Zeit nach Karl dem Großen wurde der Bischof häufig zum ständigen missus dominicus (Königsboten) für seine Stadt ernannt und übte als solcher die königliche [51]Gerichtsbarkeit aus. Er war zudem der wichtigste Lehnsherr in Stadt und Diözese. Sein Einfluss stieg nicht nur durch fromme Stiftungen, sondern auch dadurch, dass sich viele Personen freiwillig in seinen Schutz begaben. So wuchs er in den chaotischen Zuständen des 10. Jahrhunderts von selbst in die Rolle des defensor civitatis hinein. In dieser Zeit nahm auch die Bevölkerung der Städte zu, weil die Landbewohner in den Städten Zuflucht vor der Ungarn- und Sarazenengefahr suchten (sogenanntes incastellamento). Im späten 10. und im 11. Jahrhundert sanktionierten die Könige die Position der Bischöfe, indem sie ihnen die Grafenrechte für die Stadt übertrugen.
Die Bischöfe erlangten dadurch aber keine fürstliche Stellung. Im Gegenteil, die Einwohner der Stadt übernahmen selbst die stadtherrlichen Rechte und beschränkten den Bischof allmählich wieder auf seine geistlichen Funktionen. Für diese Entwicklung, die anders als in Deutschland verlief, waren im Wesentlichen drei Gründe maßgebend: 1. die geringe räumliche Ausdehnung der italienischen Diözesen, die es dem Bischof unmöglich machte, eine eigene Machtbasis außerhalb der Bischofsstadt aufzubauen; 2. der enorme Wirtschaftsaufschwung der Städte im 11. Jahrhundert, besonders im Bereich des Handels, der, da sich am Handel auch der niedere Adel beteiligte und deshalb seinen Wohnsitz in der Stadt nahm, zur Verschmelzung von niederem Adel und reichem Bürgertum zum Stadtpatriziat führte; 3. durch den Investiturstreit verlor der Bischof seinen Rückhalt beim König, da ein vom König eingesetzter Bischof sich dem Vorwurf der Simonie ausgesetzt sah. Das Wormser Konkordat übertrug die Bischofswahl vollends in die lokale Verantwortlichkeit, so dass der [52]Bischof jetzt der Gruppe entstammte, mit der er sich auseinanderzusetzen hatte.
Konsuln und Podestà
Die Verwaltung der Stadt lag zunächst in den Händen des Bischofs und seiner Kurie. Fallweise bediente er sich des sachverständigen Rates einflussreicher Bewohner, die dabei als boni homines bezeichnet wurden. Es waren wohl diese boni homines, die dann plötzlich, ohne dass die Entwicklung im Einzelnen nachvollziehbar wäre, als selbständige Vertreter der Stadt mit der Bezeichnung consules belegt sind. Solche Konsuln werden erstmals 1085 in Pisa urkundlich genannt, dann 1093 in Biandrate, 1095 in Asti, 1097 in Mailand, 1098 in Arezzo, 1099 in Genua, 1105 in Pistoia, 1112 in Cremona, 1115 in Lucca, 1117 in Bergamo, 1123 in Bologna, 1125 in Siena usw. Ihre Zahl schwankte zwischen zwei und vierzig (zum Teil auch in derselben Stadt); häufig wurden zwölf Konsuln gewählt. Die Amtszeit betrug üblicherweise ein Jahr, aber in der frühen Zeit gab es immer wieder auch Jahre, in denen keine Konsuln amtierten. (Der Konsul-Titel wird von einigen Autoren als Beleg für eine Kontinuität zur Antike gewertet, jedoch zu Unrecht, denn eine solche Kontinuität müsste sich an die Verhältnisse am Ende der Spätantike anschließen; damals war das Konsulat aber bereits zum bloßen Ehrentitel ohne wirkliche Funktion herabgesunken.)
Die Konsuln gingen nicht aus dem bischöflichen Gericht hervor (wie häufig die Stadträte nördlich der Alpen), vielmehr wurde im Laufe der Zeit der Bischof, als Inhaber der [53]Grafenrechte Träger des Blutbannes, von ihnen aus dieser Funktion verdrängt, zumal die Konsuln schon zuvor häufig als Schiedsrichter angerufen worden waren. Nach einer (von Ort zu Ort stark variierenden) Übergangsphase der gemeinsamen Rechtsprechung erschienen die Konsuln schließlich als alleinige Träger der Gerichtsbarkeit. Zwischen die Konsuln und die Versammlung aller Bürger, den Arengo, schoben sich Zwischeninstanzen, meist zwei Räte, ein kleiner von häufig vierzig Mitgliedern und ein großer, dem mehrere hundert Personen angehörten. Daneben gab es Konsuln mit Spezialaufgaben, z. B. consules mercatorum. Komplizierte Verfassungsregeln und ständige Veränderung der Bestimmungen charakterisierten die Kommunen. Die Sitzungen wurden protokolliert (reformationes, riformanze), die Beschlüsse in Statuten niedergelegt.
Indem der Adel ins Stadtpatriziat hineinwuchs, brachte er auch die adlige Lebensweise mit in die Stadt, und zwar durchaus im negativen Sinne: Die Folge waren ständige interne Fehden verfeindeter Familien (als Begleiterscheinung erfolgte der festungsartige Ausbau der »Geschlechtertürme«) und allgemein eine steigende Gewaltbereitschaft – auch das im Gegensatz zu den Verhältnissen nördlich der Alpen, wo die Stadt gerade einen besonders befriedeten Bezirk bildete. Häufig war es deshalb nicht mehr möglich, eine anerkannte Wahl der Konsuln zustande zu bringen. Den Ausweg aus diesem Dilemma, den seit dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts fast alle Städte beschritten, bildete die Bestellung eines Podestà. Der Podestà, der zusammen mit einem Team von Richtern, Notaren, Wachmannschaften usw. von außerhalb in die Stadt kam, war während seiner meist einjährigen Amtszeit zuständig für die [54]Stadtregierung, besonders die Rechtsprechung und die militärische Leitung. Es wurde dafür gesorgt, dass er in der Stadt ein Fremder blieb: Er durfte dort keinen Grundbesitz erwerben und auch nicht heiraten. Nach Ablauf der Amtszeit wurde seine Tätigkeit überprüft, Fehlverhalten bestraft. Sofortige Wiederwahl war nicht möglich, aber der Podestà konnte in einer anderen Stadt dasselbe Amt übernehmen oder zu einem späteren Zeitpunkt wiedergewählt werden; auf diese Weise entstand eine Gruppe von berufsmäßigen Podestà, die, nach Art heutiger Fußballtrainer, zwischen den Kommunen hin- und herwechselten.
Der Contado
Der Machtbereich der Kommune sollte die gesamte Diözese des Bischofs umfassen. In diesem Contado (comitatus, Grafschaft) begüterte Kleinadlige zwang man, ihr Gebiet von der Stadt zu Lehen zu nehmen, auch in der Stadt zu wohnen, wo sie unter Umständen ins Patriziat eintraten. In gleicher Weise unterwarf man Landgemeinden und kleinere Nachbarstädte der Herrschaft der Kommune. Die Forderung nach Selbstverwaltung in der eigenen Stadt vertrug sich also ohne weiteres mit der Herrschaft über die Nachbarn; sie diente dem eigenen Vorteil und war nicht etwa Ausdruck einer übergeordneten Freiheitsidee. In den Kommunen dominierte eine stark auf die eigenen Belange ausgerichtete Geisteshaltung, der campanilismo (Kirchturmdenken). Gerade mit den unmittelbaren Nachbarn war man in der Regel bitter verfeindet, Bündnisse schloss man mit dem Nachbarn des Nachbarn, so dass eine [55]schachbrettartige Struktur entstand. Diese Tendenzen überdauerten das Ende der Selbstverwaltung. Ihren Gipfel erreichte die politische Fragmentierung Norditaliens in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; von der Mitte dieses Jahrhunderts an wurden dann immer mehr kleinere Kommunen von ihren Nachbarn geschluckt, und es entstanden allmählich größere Strukturen.
Popolo und Signorien
Die Herrschaft der patrizischen Oberschicht über die Städte, die in der Wahl der Konsuln bzw. des Podestà und dem Erwerb eines Contado im 12. und 13. Jahrhundert ihren Ausdruck fand, aber auch durch die ständigen internen Fehden das öffentliche Leben belastete, war von zwei Seiten her bedroht: einmal durch die nichtpatrizische Bevölkerung, den popolo, und zum anderen durch die Signorien.
Der popolo, d. h. die zu Besitz gekommene Mittelschicht der Handwerker und Händler (häufig in Zünften oder Gilden organisiert), drängte zur Teilhabe an der Macht. Er organisierte sich selbst als eine Art Staat im Staate mit eigenen Institutionen und Interessenvertretern (capitano del popolo, Anzianen, Volksversammlung), die mit steigendem Einfluss neben die Organe der Stadt traten und mit diesen auf die Dauer als gleichberechtigt galten. Teilweise wurde die adlige Oberschicht regelrecht entmachtet und aus dem politischen Leben verdrängt.
Folgenreicher war aber die Entstehung der Signorien, die übrigens durchaus aus einem Popularregime hervorgehen konnten. Der Signore war entweder eine Einzelperson, die [56]in kritischen Situationen Sondervollmachten erhielt und der Stadt nicht selten auch von außen aufgezwungen wurde: Signori konnten benachbarte Fürsten sein, die so ihren Einflussbereich erweiterten, oder auch Kardinäle im Auftrag des Papsttums. In anderen Fällen gewann eine Familie in der Stadt durch ihre überragende wirtschaftliche Stellung übermächtigen politischen Einfluss und konnte den gewählten Gremien ihren Willen aufzwingen. Dies ließ sich etwa durch ein ständiges Podestat (so oft bei auswärtigen Signori) oder in ganz unförmlicher Weise durch Beeinflussung, auch Manipulation der Wahlen und geschickten Einsatz der eigenen Klientel bewerkstelligen (klassisches Beispiel sind die Medici in Florenz); es gab aber auch Fälle, in denen die Kommune durch förmlichen Beschluss die Signorie übertrug. Der Signore versuchte, die Macht in seiner Familie erblich werden zu lassen. Dazu konnte auch eine von außen kommende Legitimation nützlich sein, etwa die Verleihung des Reichsvikariats durch den deutschen König/Kaiser. Im »Idealfall« mündete diese Entwicklung in die Erhebung in den erblichen Fürstenstand seitens des Reiches, aber dies gelang nur wenigen Familien.
Die Bevölkerung leistete gegen die Ausbildung der Signorien nur wenig Widerstand. Die »demokratische« Verfassung blieb äußerlich bestehen und wurde nur innerlich ausgehöhlt; insbesondere blieben die lukrativen Ämter in der Stadt und vor allem in den unterworfenen Nachbarstädten erhalten, von denen die Bürger (insbesondere die Klientel des Signore) weiterhin profitieren konnten – auch dies ein Beweis dafür, dass es sich bei der Selbstverwaltung der Kommunen um praktische, vorteilsbezogene Politik handelte und nicht um abstrakte Freiheitsideen.