Читать книгу Geschichte Italiens - Wolfgang Altgeld - Страница 40
Neuordnung Siziliens
ОглавлениеIn der Zeit von 1220 bis 1239 schuf Friedrich II. den vielbewunderten »Modellstaat« Sizilien. Auch wenn sich dieser Staat aus der Sicht der Untertanen weitaus weniger erfreulich ausnahm als aus der Sicht moderner Beobachter, auch wenn das meiste bereits in normannischer Zeit angelegt war und aus der Gesetzgebung Rogers II. übernommen wurde, auch wenn man sich fragen muss, ob der spätere Niedergang des Mezzogiorno nicht bereits hier seine Wurzeln hatte, bleibt die Leistung des Kaisers dennoch staunenswert.
Zunächst musste Friedrich sein Königreich, das er vor mehr als acht Jahren in nahezu aussichtsloser Situation verlassen hatte, überhaupt erst zurückgewinnen. Er tat dies in einer Art »Salamitaktik«, indem er einzelnen Rebellen Verzeihung gewährte gegen die Verpflichtung, die aufständischen Nachbarn zu bekämpfen. Der Glanz des Kaisertums und seine offenkundige Begünstigung durch die überirdischen Mächte, die sich in seinem geradezu wunderbaren Aufstieg gezeigt hatte, und wohl auch ein persönliches Charisma taten ein Übriges. Auf einem programmatischen Hoftag (Assisen von Capua) wurden 1220 die Verhältnisse [86]zu Ende der Regierung Wilhelms II. (des Guten) als Richtschnur festgelegt; dieses Normaljahr 1189 erklärte also sowohl die verhasste Regierung Heinrichs VI. als auch die Usurpation Tankreds und die erzwungenen Handlungen der eigenen Minderjährigkeitsperiode für illegal. Die Gesetzgebung gipfelte 1231 in den Konstitutionen von Melfi (später Liber Augustalis genannt).
An der Spitze der Staatsverwaltung stand weiterhin die magna curia des Königs bzw. Kaisers, meist irreführend mit »Großhof« übersetzt. Zu ihr gehörten u. a. ein »Großhofrichter« und ein »Großhofjustitiar« als Oberinstanz der entsprechenden Funktionen in den Provinzen, vor allem aber die sehr leistungsfähige Kanzlei. An der Spitze der Provinzen stand jeweils ein Justitiar, weiteres Personal waren Richter, Kastellane, Baiuli in den Städten und die Mitglieder der Finanzverwaltung. Diese Personen wurden nicht in derjenigen Provinz eingesetzt, der sie selbst entstammten, und sie durften auch sonst keine engeren persönlichen Beziehungen zu den Untertanen eingehen – eine Vorbeugemaßnahme gegen Bestechlichkeit, die, wie etliche Skandale zeigten, mehr als geboten war. Die Inhaber der großen Lehen wurden systematisch aus der Staatsverwaltung in ihrer Heimat verdrängt; sie konnten aber eine Funktion in einer anderen Provinz übernehmen, wodurch eine Art baronaler Beamtenadel entstand.
Das Königreich bildete ein einheitliches Zollgebiet ohne Binnengrenzen. Die Zölle wurden an der Grenze (d. h. vor allem in den Häfen) erhoben. Für die eingeführten Waren bestand Stapelpflicht; die Fondachi der auswärtigen Kaufleute waren staatlicher Aufsicht unterworfen. Privilegien einzelner Handelspartner wurden rigoros abgeschafft; auch [87]die Genuesen, die eigentlich auf die Dankbarkeit des Kaisers wegen ihrer Hilfe im Jahre 1212 rechneten, genossen keine Sonderstellung mehr. Daneben trat auch der Staat selbst als Großhändler auf, wobei er, durch Zollfreiheit ohnehin begünstigt, auch Spekulationsgewinne nicht verschmähte und rücksichtslos über die Interessen der Privatleute hinwegging. Bestimmte Erzeugnisse (Salz, Stahl, Eisen, Hanf, Pech, Färberei, Seide) unterlagen einem Staatsmonopol. Überhaupt wäre es falsch, von einer bewussten Wirtschaftspolitik zu sprechen: Oberstes Ziel war die Sicherung und Erhöhung der staatlichen Einnahmen.
Problematisch war die Stellung der Kirche. Konstanze hatte auf die Sonderrechte, die ihre normannischen Vorfahren einst besaßen, weitgehend verzichten müssen; Friedrichs Versuche, de facto wieder den alten Zustand zu erlangen, führten zu Konflikten mit dem Papsttum. Dauernder Streitpunkt war die Besetzung der überaus zahlreichen Bistümer (21 Kirchenprovinzen mit insgesamt 145 Diözesen). Das Konkordat sah Wahl durch die Domkapitel und päpstliche Bestätigung vor, die allerdings ein kaiserfreundlicher Kandidat in der Regel nicht erlangte. Blieb ein Bischofsstuhl deshalb länger als sechs Monate unbesetzt, nahm die Kurie das vom vierten Laterankonzil kodifizierte Devolutionsrecht in Anspruch und ernannte einen Bischof, der dann allerdings keine Chance hatte, gegen den Willen des Kaisers sein Amt anzutreten und den weltlichen Besitz der Kirche zu gebrauchen. Diese Streitigkeiten bildeten einen regelmäßigen Beschwerdepunkt der Kurie gegen den Kaiser.