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Über die Gleichberechtigung

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Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist eine essentielle und wichtige Errungenschaft der Geschichte. Es steht außer Frage, dass diese Berechtigung ein Recht zu sein scheint und das wiederum bedeutet, dass man es einfordern kann. Als intrinsisch gutes Recht erhebt es sogar den Anspruch, auf die ganze Welt exportiert und überall implementiert zu werden. Das Problem daran ist, dass es als erkämpftes Recht kein natürlich gutes Recht ist, welches seinen intrinsisch guten Anspruch gegen jedwede Kritik verteidigen könnte. Ultrakonservative lehnen die Gleichberechtigung ab. Progressive Konservative mögen zwar der Idee der Gleichberechtigung zustimmen, aber Einschränkungen zulassen. Ihnen entgegenzutreten ist nicht leicht, denn Rechte sind stets wandelbar. Dem ultrakonservativen Argument, es handele sich um eine Phase, die normativ jederzeit beendet werden könne, kann kein Argument sinnvoll mehr entgegengehalten werden, es sei denn man findet einen Weg, eine Gleichheit zwischen Männern und Frauen, jenseits eines gesetzlichen Rahmens als natürlich gut und damit intrinsisch gut zu formulieren. Ich schlage an Stelle der Gleichberechtigung die Gleichgewichtung vor. Dass Problem bei dem Gedanken der absoluten Gleichheit ist, dass die Etablierung dessen dazu führt, dass Menschen immer gleicher werden, nicht im Sinne von „einander ähnlich“, sondern die geforderte Gleichheit ist nie gleich genug. Das zeigt, dass es immer in jedem Moment ein überragendes Gewicht gibt, welches jedoch nicht statisch sondern fluide ist. So mag in einem Moment vielleicht kurz der Mann überwiegen, in der nächsten Sekunde dann aber die Frau. Dieses polare Prinzip bezeichneten die alten Chinesen als Yin und Yang – zwei Kräfte, die immer umeinander konkurrieren und deren zusammentreffen wunderbares hervorbringen kann.

So mag die Stärke des Mannes in einem Moment von Vorteil sein, die Durchsetzungskraft einer Frau wiederum der Vorteil in einer anderen Sekunde. In einer Situation dominiert mal der Mann über die Frau, nur um sich in der nächsten Sekunde gleich wieder zu untergeben und der Frau alle Macht zu überlassen. Das Problem der Feministen ist also offensichtlich: Sie möchten den Mann entmannen, sie möchten eine Tyrannei der Frau etablieren, um die frühere Tyrannei des Mannes zu rächen. Das ist für die Gesellschaft höchst gefährlich. Denn sowohl der männliche als auch der weibliche Chauvinismus bringen das scheinbar natürliche Gleichgewicht um die Konkurrenz der Kräfte durcheinander und die kurzfristige gegenseitige Unterwerfung aus dem Gleichgewicht, indem eine Kraft unterdrückt wird, die andere Kraft dagegen alle unterjocht.

So wurde die Versklavung der Frau damals aus einem Irrtum begangen, der folgenschwer war, jedoch verstanden werden muss. Ersteinmal muss festgestellt werden, dass die Gleichgewichtung schon ein biblisches Thema war. Eva wird aus der Seitenrippe Adams geformt und nicht etwa aus seinem Kopf oder Fuße. Wäre Eva aus seinem Kopf geformt, so könnte sie ihn dominieren; wäre sie aus dem Fuße geformt, wäre sie Adam stets unterlegen gewesen. Stattdessen wurde sie aus seiner Seite geformt, um ein ebenbürtiger Begleiter an seiner Seite zu sein. Wie so oft in der Geschichte wurde nun ein Abschnitt vorzügig interpretiert, um damit eine eigene Handlungsweise zu rechtfertigen: die sogenannte Erbsünde – die Frau als verdammtes Wesen, welches dem Manne dienen solle. Tatsächlich hebt Eruvin 100b hervor, dass die Frau bestraft wurde und sie ihr Haar so lang wie eine Dämonin wachsen lasse und wie ein Tier urinieren muss. Aber Eruvin 100b erwähnt auch, dass Gott der Frau seinen Segen gegeben hat, indem sie sich dabei nicht wie ein Hund anstellen muss, und trotz der Geburtsschmerzen der sexuelle Akt ihr Freude bereiten solle. Die Strafe des Mannes dagegen fiel viel härter aus. Dieser muss sein Brot im Schweiße verdienen und hart für das Überleben arbeiten (Bereshit Rabbah 20:10). Für einen biblischen Leser, dürfte doch gerade der Mann, der an Prachtbauten für die Könige mit der Hand ganze Kolosse schuftete und auf dem Acker sich mit Mühe abwälzte, um etwas ernten zu können, dies doch viel gewichtiger zugekommen sein, als die Menstruationsbeschwerden der Frau. Letztendlich war es der Erfindungsreichtum der alles umkehrte. Mit der Erfindung primitivster Geräte und Werkzeuge wurde schon in der Antike die bittere und viel qualvollere Strafe des Mannes wegrationalisiert; die Strafe der Frau ließ sich aber aufgrund ihrer anatomischen Gegebenheiten nicht so einfach überwinden. So wurde dann nur die Strafe in der Frau gesehen, nicht aber ihren Segen und „Frau und Vieh“ wurden eins. Rabbi Bahya ben Asher (1255-1340) hob in seinem Kommentar zwar hervor, dass Frauen sehr geschwätzig seien, sprach ihnen auf Grundlage der Bibel aber zu, dass sie ein Segen seien, da sie das einzige Wesen auf der Welt seien, die selbst ein intelligentes Wesen zur Welt bringen können (Rabbeinu Bahya zu Bereshit 3:20). Auch hier hat sich die Frau als geschwätziges Wesen sehr schnell als Eigenschaft etabliert, der Segen der Frau, der viel höher wiegt, wurde dagegen unter den Teppich gekehrt.

Es zeigt also, dass die Verkürzung von Interpretationen immer wieder dazu geführt hat, Unrecht gegenüber Frauen walten zu lassen. Es ist ein gesamtes Phänomen der Literatur geworden, nur das in der Literatur zu sehen, was man gerade braucht. So hat Hobbes zwar erwähnt, dass der Mensch dem Mensch ein Wolf ist, im gleichen Atemzug aber ergänzt ‚und ein Engel‘. Das Menschenbild Hobbes‘ wird heute in dem Ausspruch homo homini lupus formuliert, vom Engel fehlt jede Spur. Da also scheinbar immer nur das Negative herausgesucht wird, ist bei der Gleichmachung der Geschlechter Vorsicht geboten. Eine Feministin sieht im Manne bloß ein machtgeiles Wesen, welches jede Gelegenheit nutzt, die Unterjochung wieder zu etablieren und jeder Machtmissbrauch eines Mannes wird zur Untermauerung verwendet. Ein verlassener Familienvater sieht dagegen in der Frau nur ein Subjekt, welches ihn entrechten und wie ein Sparschwein bis zum letzten Cent ausschlachten möchte. Wie man sieht führt die Gleichberechtigung also lediglich dazu, die Grabenkämpfe oberflächlich zu beschwichtigen. Ein solches Recht ist keineswegs per se falsch, da es einen juristischen Rahmen bietet und Möglichkeiten schafft. Aber dieser Rahmen lässt sich in der Gesellschaft nie zu hundert Prozent verwirklichen. Deswegen muss sich in der Gesellschaft nicht das Bewusstsein des Rechts der Gleichheit, sondern die Gewichtung der Gleichheit etablieren und das Recht nur die Garantie sein. Es stimmt nunmal, dass Männer und Frauen sich nicht unterscheiden: sie haben die gleichen Fähigkeiten und Veranlagungen und ihre Rollen entstehen schlicht durch die Erziehung, sind also ein Scheinwesen. Aber da beide gleich sind, haben sie auch das gleiche Streben nach Dominanz. Durch die Gleichgewichtung ist es vernünftig, mal dem Mann die dominante Rolle zukommen zu lassen, da in einer Situation er die Fähigkeit besitzt etwas zu meistern – nicht weil er ein Mann ist, sondern weil er sich die Fähigkeit angeeignet hat – und mal ist es nur vernünftig der Frau den Vortritt zu lassen – nicht aus Mitleid oder gar aus Angst vor dem Gesetz, sondern weil sich die Frau eine Fähigkeit angeeignet hat, die sie in dieser Situation einsetzen kann. Daraus ergibt sich auch, dass die individuelle Fähigkeit dazu maßgeblich sein soll, die gesellschaftlichen Positionen zu besetzen und nicht das Geschlecht. Eine Frauenquote mag zwar der Gleichberechtigung gut tun, nicht aber der Gleichgewichtung, weil so eine Frau an einen Posten kommt, der ihr von der Befähigung vielleicht gar nicht zukäme und woanders vielleicht eine Frau, die die Befähigung hat, gar nicht mehr berücksichtigt wird, weil bereits eine Quote erfüllt wurde und der männliche Teil der Gesellschaft dann vielleicht Angst hat, ganz aus seiner Riege gedrängt zu werden und so ein unfähiger Mann als Ausgleich vorgezogen wird, anstelle der qualifizierten Frau. Dieses Beispiel zeigt also wieso es fatal ist alles zu verrechtlichen, anstelle ein Bewusstsein für eine gesunde Gewichtung zu fördern.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Gleichgewichtung intrinsisch gut ist, da sie ein situatives Wechselspiel der Dominanzen darstellt und den natürlichen Trieb nach Herrschaft sättigt, indem man sowohl Herrscher als auch Untertan in einer Person nach Maßgabe der Vernunft ist. Da beide Geschlechter in gleicherweise vernünftig sind, kommt es darauf an, wer in einer gewissen Situation vernünftigerer ist und damit die Dominanz in dieser Situation übernimmt. Damit lässt sich die Gleichgewichtung weltweit als gutes Vorbild exportieren und etablieren, während die bloße Gleichberechtigung nicht auf Vernunft und Fähigkeiten beruht, sondern eine rein-normative Variable ist, die sich international mal stärker ausprägt und dann wieder verschwindet, da Gesetze stetig wandelbar sind. Da das Hauptmerkmal die Vernunft ist, müssen Jungen und Mädchen gleichermaßen gefördert werden. Ein reiner Mädchentag für Berufe ist daher ebenso abzulehnen wie eine Frauenquote, da diese nur ein Geschlecht fördern. Schwangerschaftsberatungen für Männer dagegen wären sinnvoll, um ihnen die Möglichkeit zu geben, Frauen besser zu verstehen und ihnen den nötigen Raum zu geben sowie tatkräftig unterstützend zur Seite zu stehen. Solche Initiativen sind besser als jedes Gesetz oder jede Quote.

Veröffentlicht am 26. Mai 2018

Politische und Philosophische Analysen

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