Читать книгу Politische und Philosophische Analysen - Timo Schmitz - Страница 9

Tocqueville und die Demokratie in Amerika, Teil 1: Analyse der französischen Ständegeschichte und die Rolle der Demokratie

Оглавление

Die Zusammenfassung bezieht sich auf Alexis de Tocquevilles „Über die Demokratie in Amerika“. Alle Seitenzahlen beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe (Nr. 8077) von 1985.

In seiner Einleitung schildert Tocqueville bereits ein wichtiges Hauptanliegen: die Gleichheit. Auf seiner Amerika-Reise hat er festgestellt, dass die Gleichheit die schöpferische Kraft der Gesellschaft ist und alles, was nicht direkt durch die Gleichheit geschöpft wird, wird zumindest durch sie transformiert. Tocqueville stellt aber auch fest, dass die Gleichheit keineswegs alleine auf Amerika beschränkt ist. In seiner Analyse der letzten 700 Jahre französischer Geschichte kommt er zum Ergebnis, dass anfangs ein sehr kleiner Zirkel die Macht akkumulierte und den Rest unterjochte. Jedoch gab es alle 50 Jahre einen revolutionären Geist, der die Obersten ein Stück herabstufte und die Untersten ein wenig aufwertete. Ludwig XIV. soll sogar soweit gegangen sein, dass die Gleichheit direkt unter dem Throne begann und Adlige und einfache Bürger sich gar nicht mehr unterschieden. Während Rousseau (siehe in meinen vorangegangenen Artikeln) sagte, dass überall Ungleichheit herrsche, ist Tocqueville genau umgekehrter Meinung und schwört die Gleichheit herbei. Dabei arbeiten alle auf die Gleichheit hin, auch jene die diese zu verhindern versuchen. Und so ist die Demokratie nur eine Frage der Zeit: sie ist unaufhaltsam und sowohl Befürworter als auch Gegner tragen ihren Teil dazu bei – abwenden lässt sie sich jedoch nicht, wie der revolutionäre Geist der letzten 700 Jahre bis Tocqueville (also 900 Jahre bis heute) gezeigt hat (S. 15-19). Die Demokratie und ihr revolutionäres Wesen sind so vorgezeichnet, wie der Verlauf der Gestirne, die ständig ihren Bahnen folgen und folglich ist der Kampf gegen die Demokratie (im Sinne Tocquevilles) gleich dem Kampf gegen Gott – und dem göttlichen Willen (S. 20). Statt die Demokratie zu nutzen und zu fördern haben die Machthaber Europas stets versucht sie zu bekämpfen und zu beseitigen (S. 21). Gleichsam ist anzumerken, dass jenseits der Demokratie selbst die Gewalt ihre Schranken hat. Die einfachen Bürger waren sich ihrer standesmäßigen Geburt bewusst und trachteten gar nicht nach Macht, die ihnen nicht zustand, sodass sie ihre Natur gar nicht bezweifelten, während die Oberen sich ihren Vorzügen bewusst waren, sodass sich ein Wohlwollen zwischen Adel und Knechtschaft entwickelt hatte, in der jeder die Rolle des Anderen respektierte. Kam es zum Widerstand, dann nicht, weil der Knecht seiner Natur aufbegehren wollte, sondern weil er gegen ihn angewandte Gewalt als illegitim empfand. Die Gewalt eines Absolutisten war also nie wirklich absolut, sondern fand immer ihre Grenzen im Gewohnheitsrecht, welches die Legitimität der Maßnahmen begründete. Mit dem Ende der französischen Ständegesellschaft und der Gleichheit der Klassen als Masse, sieht Tocqueville den Vorteil in der Demokratie insofern alle gesetzesliebend sind. Nicht zuletzt, da die Menschen ja von Natur aus sich der legitimen Gewalt unterwerfen und sich dieser nicht widersetzen werden, solange sie legitim ist. Wenn alle Menschen gleich sind, dann ist die legitime Gewalt das Gesetz. Ergo wird der Bürger es achten und ihm folgen (S. 22 f.). An die Stelle der Adligen soll der Zusammenschluss der Bürger stehen, die einander vertrauen, da jeder das ihm zustehende Recht qua Gesetz einfordern kann. (S. 24)

Doch Tocqueville scheint auch die einhergehenden Probleme der Gesellschaft in seiner Transformation gefunden zu haben. Denn das Ansehen der Könige seiner Zeit ist verloren gegangen. Das Gesetz, welches Gleichheit und Recht garantiert dagegen ist nicht an seine Stelle getreten. Folglich kam es zur Missgunst in der Gesellschaft, zum Kampf der antagonistischen Klassen. Die Aufteilung der Vermögen hat zwar den Abstand verringert, aber dafür den Hass erhöht, da keiner dem anderen mehr etwas gönnt und die einen nach dem Vorteil des Wohlstandes streben, der andere dagegen Angst hat seinen Wohlstand zu verlieren (S. 25). Daher erscheint beiden Antagonisten die Gewalt als einziger Ausweg, denn keiner von ihnen hat das Recht als solches wirklich begriffen (S. 26). Statt dass die Demokratie die Aristokratie ersetzt, wurde die Aristokratie zerstört ohne eine neue Gesellschaftsordnung zu etablieren, sodass man noch in deren Trümmern sitzt. Tocqueville sieht in der Kirche und den frommen Menschen noch eine Hoffnung, denn vor Gott sind alle Sünder gleich, also muss gerade die Kirche das Interesse daran haben, die Gleichheit und Demokratie voranzutreiben. Sie könnte die Gleichheit aller Menschen legitim begründen und Frieden zwischen den verfeindeten Gruppen stiften. Als Empirist sieht Tocqueville jedoch, dass auch die frommen Menschen in verschiedene Lager zerstritten sind und die Christen die Demokratie abstoßen möchten (S. 27). Letztendlich kommt Tocqueville aber zu dem Schluss, dass man am Ende auf die Religion setzen muss, da die Herrschaft der Freiheit nicht ohne Sitten und Tugend auskommt. Eine freiheitliche Gesellschaft ist also nicht frei von Moral und Tugend (S. 28). Die religiösen Kräfte bekämpfen jedoch faktisch die Freiheit und die Verfechter der Freiheit kämpfen gegen die Religion (S. 29). Zudem fällt die Idee des Bösen oft mit der Idee des Neuen zusammen, sodass es eine allgemeine Angst vor dem Fortschritt in den Augen einiger Menschen gibt (S. 28), die damit der Zukunft keiner Chance geben, obwohl diese – wie oben beschrieben – nicht aufzuhalten ist. Zu dieser Gruppe von Menschen zählen die Gebildeten. Die Ungebildeten und Sittenlosen – kurzum die Gottlosen – haben sich zu den Vorkämpfern der Zivilisation erklärt, obwohl ihnen diese Position gar nicht zusteht (S. 29).

Tocqueville stellt schließlich fest, dass die Menschen in Amerika die Vorzüge der Revolution genießen, die es dort nie gegeben hat (S. 29 f.), also in anderen Worten: die Auswanderer gen Amerika haben gegen die Bedingungen in Europa zwar in Europa gekämpft, diesen Geist aber auch mit nach Amerika genommen und dort ausbreiten können, ohne gegen eine Übermacht kämpfen zu müssen, sodass diese die soziale Revolution schnell vollziehen konnten, die aus Tocquevilles Sicht nun ihre Grenzen erreicht hat. Damit hat Tocqueville im Großen und Ganzen die europäische Geschichte umrissen und möchte folglich die amerikanische Gesellschaft, die ja jene Ideale entfaltet hat, genauer untersuchen.

Veröffentlicht am 4. Juni 2018

Politische und Philosophische Analysen

Подняться наверх