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Barbara Wanders freute sich über Harald Häusslers Blumenstrauß. Er stellte ihn in eine Vase, nachdem er sie mit Wasser gefüllt hatte, setzte sich auf den Stuhl, auf dem zuvor Karsten gesessen hatte, und erkundigte sich nach Barbaras Befinden.

Sie griff nach ihrem blonden Haar. „Ich sehe bestimmt schrecklich aus.“

„Mir gefällst du.“

„Schmeichler.“

„Ich soll dich von all deinen Kollegen recht herzlich grüßen“, sagte Harald Häussler.

„Danke.“

„Die Redaktion wird ein Fest veranstalten, wenn du wieder zurückkommst.“

Barbara lächelte. „Womit hab’ ich das verdient?“

Der Mann hob leicht die Schultern. „Alle lieben dich. Ich liebe dich ja auch, wie du weißt. Nur leider vergebens.“

„Ach, Harald.“ Sie drückte seine Hand. „Du weißt, dass ich eine sehr schwere Zeit hinter mir habe.“

Er nickte. „Ich weiß auch, dass du noch nicht darüber hinweg bist“, sagte er. Und leise fügte er hinzu: „Wenn du mich dir doch nur helfen ließest.“

Barbara drückte wieder seine Hand. Ganz sanft, und um Verständnis bittend. „Ich muss damit allein fertig werden.“

„Warum allein? Ich bin nicht nur dein Kollege. Ich bin auch dein Freund. Was wäre falsch daran, meine Hilfe anzunehmen?“

Ihrer Brust entrang sich ein tiefer Seufzer. „Ach, Harald, das verstehst du nicht.“

„Stimmt“, gab er ihr nickend recht. „Das verstehe ich wirklich nicht.“ Barbara wechselte das Thema. Sie sprach von ihrem Sohn. „Irgend etwas ist mit Karsten nicht in Ordnung.“

„Auch er hat eine schlimme Zeit hinter sich“, meinte Harald verständnisvoll. „Er hat seinen Vater verloren, als er ihn am dringendsten gebraucht hätte. Du konntest ihm den Vater nicht ersetzen, sosehr du dich auch darum bemüht hast. Hinzu kam deine eigene schwere Krise...“

Er spielte damit auf Barbaras Alkoholproblem an. Sie hatte eine Zeitlang sehr viel mehr getrunken, als ihr guttat, um zu vergessen, und war alkoholkrank geworden. Beinahe wäre sie ihrer Trunksucht zum Opfer gefallen. Ein schwerer Nervenzusammenbruch nach einer ziemlich starken Alkoholvergiftung hatte sie wachgerüttelt und zur schwierigen Umkehr bewogen. Auch das hatte Karsten verkraften müssen, und Barbara machte sich heute Vorwürfe, dass sie ihrem Sohn das angetan hatte.

„Der Junge ist so dünn“, sagte Barbara Wanders leise.

Harald Häussler nickte zuversichtlich. „Er wird schon wieder.“

„Er hat nie Appetit.“

„Der wird sich mit der Zeit einstellen“, sagte Häussler. „Wenn endlich diese Tiefschläge aufhören, wird er sich mit Sicherheit erholen. Du musst bedenken: deine Operation hat ihm ein weiteres Mal zugesetzt.“

Ein schmales Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. „Das Leben hat es ganz schön in sich, was?“ Sie atmete schwer aus. „Und es ist nicht immer sehr erfreulich, was es uns beschert.“

„Es liegt bei uns, das Beste daraus zu machen“, meinte Harald Häussler. Er sah ihr fest in die veilchenblauen Augen. „Wenn man zu zweit ist, lassen sich viele Klippen leichter umschiffen.“

Barbara Wanders schüttelte langsam den Kopf. „Fängst du schon wieder damit an?“

„Ich werde so lange keine Ruhe geben, bis du einsiehst, dass ich recht habe.“

„Ich bin eine kranke Frau“, sagte Barbara mit leisem Vorwurf.

„Bist du nicht.“

„Ich liege in einem Krankenhaus.“

„Du warst krank“, stellte Harald richtig. „Dr. Härtling hat dich operiert, und nun bist du wieder gesund. Du musst dich nur noch ein paar Tage ausruhen, und sobald du wieder bei Kräften bist, darfst du die Paracelsus-Klinik verlassen.“

Barbara Wanders schloss die Augen. Sie war müde, fühlte sich leer und ausgebrannt. Sie mochte Harald sehr. Von allen Männern, die sich um sie bemühten, war er ihr der liebste. Aber der Platz an ihrer Seite war noch nicht frei. Jens Wanders war noch zu sehr in ihren Gedanken und in ihrem Herzen. Sie konnte keinen anderen Mann als Lebenspartner akzeptieren. Das wäre ihr vorgekommen wie gemeiner Verrat an ihrem toten Ehemann. Es ist schon ein sehr hartes Los, vom grausamen Schicksal mit dreiunddreißig Jahren zur Witwe gemacht zu werden.

„Barbara“, sagte Harald Häussler leise und unaufdringlich.

„Ja?“ Sie öffnete langsam die Augen und sah ihn an.

„Woran denkst du?“, wollte er wissen.

„An nichts.“

„Das ist nicht wahr.“

„An nichts Besonderes.“

„Du hast an Jens gedacht, nicht wahr?“

Barbara blickte an ihm vorbei zum Fenster. „Vielleicht.“

„Jens ist tot“, sagte Harald so behutsam wie möglich. „Du musst dich endlich damit abfinden.“ Er streichelte zärtlich ihre Wange. „Ich lebe, und ich liebe dich so sehr, wie ich noch nie eine Frau geliebt habe.“

Er war fast zehn Jahre verheiratet gewesen. Zehn Jahre Krieg mit Ella. Es hatte gehörig an seinen Nerven gezehrt und ihn viel Substanz gekostet.

Bereits im ersten Ehejahr hatte er sich von Ella scheiden lassen wollen. Sie hatte ihm vorgeflunkert, schwanger zu sein, und er war geblieben.

Beim zweiten Versuch, sich von ihr zu trennen, hatte sie mit Selbstmord gedroht, und er war wieder geblieben. Sie hatte immer wieder etwas gefunden, womit sie ihn erpressen konnte, und so hatte er zehn wertvolle Jahre seines Lebens verloren, bis ihm endlich alles egal gewesen war und er sie verlassen hatte. Sie hatte erneut mit Selbstmord gedroht, aber sich nichts angetan. Die Ehe war geschieden worden, Ella hatte schon nach einem Monat wieder geheiratet, und nun musste sich ihr zweiter Ehemann nahezu tagtäglich mit ihr ärgern, während Harald Häussler froh war, sie endlich los zu sein.

Eine Vielzahl von Ehen werden im Himmel geschlossen und in der Hölle gelebt. Die Ehe von Harald und Ella Häussler war eine davon gewesen.

Doch das hätte Harald nicht davon abgehalten, Barbara auf der Stelle einen Heiratsantrag zu machen, wenn sie erkennen lassen hätte, dass sie ihm keinen Korb geben würde.

Barbara und Ella waren überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Barbara war sanft und gefühlvoll. Ella war wild und rücksichtslos.

Barbara war friedfertig. Ella hatte immer einen Grund zum Streiten gesucht. Barbara war treu. Ella war kokett, und ihre heftigen Flirts hatten so manche Grenze von Sitte und Moral skrupellos überschritten.

Harald Häussler fühlte sich mit vierzig Jahren noch nicht zu alt, um sein Liebes und Eheglück mit einer anderen Frau noch mal zu versuchen.

Am liebsten mit Barbara Wanders, doch die war leider innerlich blockiert, und er wusste nicht, ob er es jemals schaffen würde, diese fest verankerte Sperre zu beseitigen.

Er würde nicht auf hören, daran zu arbeiten. Beharrlichkeit führt zum Ziel, heißt es. Und das stimmt auch. Jedenfalls meistens. Aber nicht immer.

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