Читать книгу 7 Heimat-Romane um Liebe in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019 - A. F. Morland - Страница 10
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ОглавлениеBeim Frühstück treffe ich mit Diane zusammen. Ihr Vater will auf dem Zimmer frühstücken. Sie macht ein zorniges Gesicht.
»Na? Hat man sich gut amüsiert?«
Ich stehe auf und schiebe ihr einen Stuhl zu. »Diane«, sage ich weich, »glauben Sie mir, viel lieber hätte ich den Abend mit Ihnen verbracht. Aber Sie sind ja nicht mehr gekommen.«
Das scheint sie ein wenig zu trösten. Sie dreht sich um. Nicht weit von unserem Tisch entfernt sitzt Marianne mit ihren Eltern. Sie lächelt mir hilflos zu. Ich lächle zurück. Warum auch nicht?
»Wollen Sie sich nicht lieber zu Ihrer kleinen Freundin setzen?«, zischt sie mir ins Ohr.
Ich blicke sie überrascht an und lache auf. »Aber Diane, soll das vielleicht heißen, dass Sie eifersüchtig sind? Geliebte Diane, ich bete Sie an.«
Ihr Gesicht wird wieder weich. Sie bestellt das Frühstück. Dann lacht sie mich an.
»Sie sind mein Angestellter und müssen tun, was ich sage!«
»Gewiss, Gebieterin«, gehe ich auf den scherzhaften Ton ein. »Was belieben Herrin heute zu unternehmen?«
In mir ist alles ganz leicht und hell.
»Kann man hier Ski leihen?«
»Gewiss doch.«
»Gut, dann besorgen Sie uns zwei Paar und lassen Sie es auf unsere Rechnung schreiben. Dann kommen Sie zurück, und wir fahren hinauf.«
Wir schauen gemeinsam aus dem breiten Panoramafenster. Das Hotel ist der letzte Bau in der Talsenke, nicht weit von ihm entfernt heben sich die steilen Berge in den Himmel. Wir können die Gletscherbahn sehen. Daneben geht auch ein Sessellift hinauf, sehr steil hinauf.
»So nehmen wir also die Gondel«, sage ich heiter.
»Sind Sie ein Feigling?« Wieder flirren mich ihre Augen seltsam an.
»Ich weiß nicht«, sage ich ehrlich zögernd. »Ich bin hier groß geworden und fahre nicht das erste Mal hinauf. Es hängt nicht mit Mut zusammen, Diane«, sage ich ernst.
»Ich fahre mit dem Sessellift«, sagt sie und erhebt sich anmutig. »In einer Vierteilstunde stehe ich unten auf der Terrasse. Bis dahin müssen Sie die Ski beschafft haben.« Das klingt ziemlich herrisch.
Erhobenen Hauptes geht sie stolz durch den Raum. Viele verstohlene Blicke folgen ihr. Als ich ihr nachgehen will, muss ich am Tisch der Hofs vorbei.
»Guten Morgen, Herr Hofstätter«, sagt Frau Hof.
Ich erwidere den Gruß. Seltsamerweise sieht Marianne mich nicht an. Sie beschäftigt sich mit ihrem Brötchen.
»Wollen Sie auch zum Skifahren rauf?«
»Ja«, sage ich.
»Wir auch. Das heißt, ich und meine Tochter. Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, für uns ein paar Ski zu besorgen?«
Ich denke an Diane, dann sehe ich Mariannes gebeugten Nacken. Warum soll ich ihr den kleinen Liebesdienst nicht erweisen, denke ich.
»Ja, natürlich. Ich bin gleich wieder zurück.«
Und ich bin früher zurück als Diane. Marianne und deren Mutter warten schon auf der Terrasse. Dann kommt Diane.
Ich denke, jetzt wird sie wieder wütend. Doch ich täusche mich. Ganz Weltfrau, begrüßt sie die beiden Frauen und gibt sich freundlich und nett. Marianne wirkt fade und unscheinbar neben der strahlenden Gestalt. In Zukunft wird Diane sich sehr viel mit ihr beschäftigen. Später weiß ich, dass sie es nur tut, um den richtigen Hintergrund für ihre Schönheit zu haben.
Die Hofs nehmen die Gondelbahn und sehen Diane ein wenig erstaunt an, als sie in den Sessellift steigt. Ich folge ihr mit den Skiern. Zuerst fahren wir zum Taxer-Joch. Hier sieht man nur vereinzelte Gletscherpartien. Wenn man Skifahren will, muss man noch höher hinauf. Dreimal müssen wir noch umsteigen, dann haben wir die Olperer Hütte erreicht. Wir sind am Ziel. Hinter uns ragt die Weißspitze mit ihren 3431 Metern auf. Es ist ein wundervoller Anblick. Der Himmel ist strahlend blau. Um uns herum dehnt sich eine weiße Welt aus. Hier oben gibt es nur die Skiläufer. Weiter unten sind die Sommerurlauber, die nur mal rauffahren, um die Gletscher zu sehen.
Von der Olperer Hütte aus kann man auch wunderbare Wanderungen über die Gletscher machen. Und ich muss daran denken, dass Leo so etwas vorhat. Ich hoffe nur, dass sein Herz diese Höhe verträgt. Ich frage Diane danach, doch sie lacht nur und sagt: »Was Vater sich vornimmt, das schafft er auch. Um den müssen Sie sich wirklich nicht kümmern.«
»Sollen wir nicht auf die Hofs warten?«
»Wieso denn? Sie sind mein Angestellter, Viktor!«
Zum ersten Mal nennt sie mich bei meinem Vornamen, und darüber vergesse ich ihr herrisches Wesen und bin schrecklich stolz. Ich bücke mich und helfe ihr, die Ski anzulegen. Dann mache ich mich selbst fertig. Ein wenig habe ich Angst, dass sie diese Abfahrt vielleicht nicht schafft. Aber Diane ist wie in vielem perfekt.
Herrlich! Für kurze Zeit vergesse ich sogar Diane. Alles berauscht mich. Da lebe ich in dieser zauberhaften Landschaft und komme fast nie dazu, sie zu erleben. Es sind sicher schon über zwei Jahre vergangen, seit ich auf den Brettern gestanden habe. Mit Genuss mache ich mich an die Abfahrt.
Weit, weit bleiben alle zurück. Ich fliege ihr nach, und dann sehe ich wieder das leuchtend blonde Haar, und mein Herz wird weit und froh. Ist das nicht Seligkeit, denke ich. Sie muss doch spüren, wie sehr ich sie liebe. Wir gleiten bis zum Taxer-Joch Haus hinunter. Atemlos stehen wir voreinander. Unser Gesichter sind erhitzt.
»Schön«, sage ich weich. »Es war wirklich schön.«
Diane wirft ihre Haare zurück und lacht aus vollem Halse.
»Sehen Sie sich das an, Viktor, dort kommt Ihre Freundin!«
Sie ist nicht meine Freundin, will ich sagen, aber unwillkürlich drehe ich mich um. Jetzt kommt Marianne den Hang herunter. Sie macht wirklich keine gute Figur. Sie fährt nicht schlecht, aber man spürt, dass sie Angst hat. Und wenn es ein wenig schneller wird, bremst sie gleich ab. Ich muss an den Unfall denken, vielleicht sind das noch die Nachwirkungen. Ich will mit Diane darüber sprechen, aber dann denke ich: Bestimmt wird sie dann denken, die interessiert mich wirklich.
»Komm«, sagt sie ein wenig herrisch. »Fahren wir wieder hinauf!«
Ich muss ihr folgen, obwohl ich gern auf das Mädchen gewartet hätte. Wenn sie auch nicht nah genug ist, so weiß ich doch, dass jetzt ihre Augen traurig aussehen.
Den ganzen Morgen halten wir uns oben auf, und wir sehen Marianne nicht mehr wieder. Sicher ist sie wieder ins Hotel zurückgefahren. Diane genießt es, von allen bewundert zu werden. Hier oben sind viele Gäste ohne ihre Frauen, und jetzt haben sie Schneid. Ich komme jetzt um vor Eifersucht.
Diane sieht es und will sich fast totlachen. Ich bin wütend darüber.
»Aber«, lacht sie und duzt mich zugleich, »nimm es doch nicht so schwer. Es ist doch alles nur Spaß, wirklich. Ich genieße das Leben und du bist ein Brummbär.«
Wir sind für Augenblicke allein, und ich lege meinen Arm um ihre Schulter.
»Diane«, stöhne ich, »du weißt, wie es um mich steht, nicht wahr? Bitte, verzeih mir, aber ich bin nun einmal so.«
Ihre blauen Augen schillern mich an. Ich möchte darin lesen, wissen, was sie denkt, aber natürlich geht das nicht. Komisch, denke ich, bei Marianne, die mich doch nichts angeht, konnte ich das sofort.
»Du bist ein dummer Junge, Viktor«, sagt sie und fegt weiter.
Müde und hungrig kommen wir gegen Mittag wieder im Hotel an. Leo sitzt auf der Terrasse und lässt sich von der Sonne bescheinen. Diane läuft auf ihn zu und küsst ihn.
»Es war herrlich, Vater! Und er passt wirklich gut auf!«
Er sieht sie skeptisch an. »Was ist los?«, brummte er.
»Gar nichts?«, lacht sie laut und läuft davon.
Ich weiß nicht, wieso, aber auf einmal darf ich bei ihnen am Tisch sitzen. Das habe ich Diane zu verdanken. Ich bete sie an. Sie ist ein wundervolles Mädchen! Marianne sitzt bedrückt auf ihrem Platz. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen, aber Diane versteht es, meine dummen Gedanken fortzustreichen.
Am Nachmittag soll ich mit Leo eine kleine Tour machen. Diane will nicht mitkommen. Mein Herz wird unruhig. Ich möchte sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Ich kann es einfach nicht ertragen, wenn sie mit anderen Männern flirtet.
Leo steht vor dem Hotel. Ich darf den Rucksack tragen. Lachend frage ich ihn, ob er vielleicht über Nacht bleiben wolle. Der Rucksack ist ziemlich schwer.
»Ich sorge immer vor. Leo Ackermann denkt an alles«, sagt er nur und stapft davon.
Ich habe ihn unterschätzt, er ist zäh und ausdauernd. Zwar keucht er wie eine altersschwache Dampflokomotive, aber er schafft es tatsächlich. Und die Wege hier sind recht steil. Auch ich komme ins Schwitzen.
»Hoffentlich verliere ich ein paar Pfündchen dabei«, grunzt er und kraxelt vor mir weiter.
Als wir oben sind, lässt er sich hinfallen, seufzt und verlangt den Rucksack. Das erste, was er herausholt, ist wieder der Flachmann. Er grinst mich an. »Den hab ich immer bei mir. Mein Lebenselixier, verstehste!«
Ich möchte ihn warnen. Das ist wirklich nicht gut, und wenn er abnehmen will, auch nicht die richtige Medizin. Aber ich kenne meinen Arbeitgeber schon so gut, dass ich weiß, dass nur seine Meinung gilt. Er hat es nicht gern, wenn man gegen seine Meinung redet. Und so unterlasse ich es.
Befriedigt schaut er sich um.
»Nicht übel«, sagt er und pafft eine Zigarre an. »Wirklich, nicht übel. Müssen mal nach Hamburg kommen, da werden Sie staunen. Die Berge sind schön, aber die Weite, Donnerwetter, wenn man so am Meer steht und gucken kann, bis einem die Augen aus dem Kopf fallen, Sie, das ist wirklich fein.«
Ich sage: »Jeder liebt seine Heimat, das ist ganz natürlich.«
»Und die vielen Möglichkeiten, die man bei uns hat. Hier die Berge, da verändert sich doch nichts.«
»Ist das nicht schön?«
Er sieht mich schräg an. »Sie wollen wohl nicht in die Industrie, was?«
»Doch, natürlich. Wir brauchen sie ja auch. Österreich hat sie auch. Aber wir brauchen auch Orte wie diese, zum Ausruhen.«
Wieder sieht er mich an.
»Ist doch ein kleines, muffiges Örtchen. Hab mir viel versprochen, ehrlich. Mehr Häuser, mehr Hotels, ich seh das schon alles vor mir. Der Ort würde richtig aufleben.«
»Und keine Touristen würden mehr kommen«, sage ich. »Na, wir haben schon so manche Gegend verschandelt. Ich hoffe, die Regierung begeht nicht wieder den Fehler. Die Menschen, die zu uns kommen, die wollen Ruhe haben und die Natur genießen. Und wenn wir die verbauen, dann können sie ja gleich daheim bleiben und brauchen sich nicht auf den weiten Weg zu machen.«
Wie ich gesagt habe, jetzt ist er verschnupft. »Das verstehen Sie nicht! Sie werden nie einen guten Geschäftsmann abgeben!«
Überrascht sehe ich ihn von der Seite an. Hat Diane vielleicht von mir gesprochen? Weiß er, dass wir uns lieben? Soll das etwa heißen, dass er mich schon als Schwiegersohn sieht? Aber er weiß doch, was ich studiere. Für Augenblicke schließe ich die Augen und sehe Diane vor mir. So sehr ich sie auch liebe, aber ihretwegen den Beruf aufgeben, mein Studium? Nein, das wird sie auch nicht von mir verlangen.
»Machen wir uns wieder an den Abstieg?«
Ich stopfe alles in den Rucksack. Dabei sehe ich auch, dass er einen Regenmantel und Brote mitgenommen hat. Er ist wirklich ein Pedant, und ich muss lächeln.
Der Abstieg geht schnell, und wir sind zum Kaffeetrinken wieder im Hotel. Meine Augen suchen Diane. Aber sie ist nicht da. Man sagt ihrem Vater, dass sie nach Mayrhofen gefahren sei, mit dem Wagen.
»Himmelkreuzdonnerwetter!«, poltert er los. »Bei diesen Straßen! Sie wird ihn mir zuschanden fahren.«
Unwillkürlich denke ich: Kann man denn noch schlechter fahren als Leo? Aber er hat recht, die serpentinenartigen Straßen erfordern wirklich sehr viel Geschick. Ich werde unruhig. Schon sehe ich sie in einer Schlucht liegen.
»Und man kann nichts machen«, knurrt der Vater. »So ist sie, tut immer was ihr gefällt; fragt gar nicht, ob ich mich darüber aufrege. Macht sich einen Spaß daraus.«
Warum hat sie nicht gewartet, denke ich verzweifelt. Wie gern wäre ich mit ihr gefahren. Ich hätte ihr die Stadt gezeigt, und wir hätten viel Spaß miteinander gehabt.
Als ich auf mein Zimmer gehen will, treffe ich Marianne. Mir ist nicht ganz wohl in meiner Haut.
»Grüß Gott, Fräulein Marianne! Entschuldigen Sie, dass wir heute morgen nicht gewartet haben. Sie müssen wissen, ich bin als Führer eingestellt worden, muss mich nach den Herrschaften richten.«
Wirklich, ich bin ein blöder Kerl. Wieso entschuldige ich mich, das brauch ich doch gar nicht. Aber irgend etwas zwingt mich dazu.
»Ach so«, sagt sie leise und geht weiter.
Ich bleibe auf der Treppe stehen. Irgendwie habe ich das Gefühl, ziemlich schlecht gehandelt zu haben. Ich habe Diane bloßgestellt. Ob sie mir das je verzeihen kann?
Aber dann verscheuche ich meine Gedanken und laufe in mein Zimmer. Da ich nicht weiß, was ich mit meiner freien Zeit beginnen soll, greife ich zu meinen Büchern. Aber ich finde keine Ruhe. Immer wieder springe ich auf und stürze zum Fenster, wenn ein Auto vorüberfährt. Aber die, die ich so sehnsüchtig erwarte, kommt nicht. Es wird dunkel, und ich gehe unter die Dusche.
In Halle und Speiseraum brennen die Kerzen. Als wäre nichts gewesen, sitzt Diane mit ihrem Vater am Tisch.
Sie trägt ein zauberhaftes Dirndl. Es steht ihr ausgezeichnet. Ich finde es nur ein wenig tief ausgeschnitten.
Als ich näherkomme, höre ich Diane gerade zu ihrem Vater sagen: »Hältst du mich wirklich für so dumm? Keine Angst, ich bin doch nicht verrückt. Es macht mir Spaß, und die Langeweile vergeht, mehr nicht, hörst du?« Und dann lacht sie herzlich auf.
Ich sage: »Grüß Gott, Diane.«
Schlagartig verstummt sie und sieht mich böse an. »Wie lange stehst du denn schon hier herum?«
»Gar nicht«, sage ich und wundere mich ein wenig über ihr seltsames Wesen.
Sie sieht mich von der Seite an, scheint mir dann zu glauben und lacht weiter. Jetzt lacht Leo auch. Ich möchte gern wissen, worüber die beiden lachen. Aber ich wage nicht zu fragen. Auch möchte ich ihr ein klein wenig Vorhaltungen machen, dass sie ohne mich fortgefahren ist.
Diane ist so anders. Wenn ich sie nicht verstimmen will, muss ich sie an der langen Leine halten, das spüre ich. Mir tut es weh, aber ich kann mich nicht von ihr lösen.
Das Abendessen wird serviert. Leo ist aufgeräumter denn je, und es macht ihm nichts mehr aus, dass ich seine Tochter anbete. Ein Blinder muss schon merken, wie verliebt ich bin. Sein Stillschweigen ermuntert mich noch.
Diane sonnt sich im Licht meiner Liebe und genießt es. Ich merke, dass man schon zu uns herübersieht. Heute Nachmittag sind wieder neue Gäste eingetroffen. Und mit Stolz stelle ich fest, dass ich so manchen Blick einheimsen kann. Das lässt meine Brust noch mehr anschwellen.
Nach der anstrengenden Bergtour will Leo sich ausruhen und geht mit uns in die Bar, um sich mit einem Herrn, den er in der Hotelhalle kennengelernt hat, in eine Nische zu setzen. Dort unterhalten sie sich über Geschäfte.
Ich tanze mit Diane. Heute wird sie mir den ganzen Abend gehören.
»Liebste, ich glaube, dein Vater mag mich inzwischen auch. Er ist schon viel netter zu mir.«
»Wirklich?«, sagt sie und wirft ihre Haare zurück.
»Ach, ich weiß ja gar nicht, was ich sagen soll. Seit ich dich kenne, hat sich mein Leben grundlegend verändert. Obwohl ich meine Heimat über alles liebe, werde ich jetzt wohl sehr oft nach Hamburg fahren«, seufzte ich elegisch.
Sie wirbelt mich herum.
»Schau, dort ist ja wieder deine kleine Freundin!«, sagt sie lachend. »Weißt du eigentlich, dass sie dich anbetet? Sie ist in dich verschossen, bis über beide Ohren.«
»Aber Diane!«, sage ich vorwurfsvoll, nicht, weil ich merke, dass sie mir gar nicht zugehört hat, sondern weil ich es einfach nicht vertragen kann, wenn sie über Marianne spricht.
»Woher willst du das wissen? Ach, du ziehst mich nur auf! Ich soll mich wohl ärgern, wie?«, rufe ich lachend.
»Ihr Männer seid Holzklötze«, sagt sie ein wenig grob. »Ihr merkt gar nichts. Ich weiß das. Sollen wir sie fragen?« Schon will sie mich an die Bar ziehen.
Jetzt werde ich ernstlich böse, und sie merkt es. Dann findet ihr Blick ein anderes Opfer. Es ist ein junger Mann, der sie heute morgen oben an der Gletscherhütte ununterbrochen angestarrt, sozusagen von weitem den Hof gemacht hat. Er ist mit seiner Frau hier; und natürlich tut er jetzt so, als kenne er Diane nur ganz flüchtig.
»Das ist mir ja einer!«, sagt sie lachend. »Du, dem werde ich es zeigen! Oben so zu tun, als wäre er in mich verliebt, und hier unten eine Miene aufsetzen, als könne er kein Wässerchen trüben!«
Ich lache mit Diane. Nie im Leben halte ich es für möglich, dass sie es tatsächlich tut. Man sagt ja so vieles daher. Aber nicht Diane, wie ich sehr schnell erfahren soll. Ehe ich noch etwas erwidern kann, hat sie sich von mir gelöst und geht zu ihm hinüber. Strahlend blickt sie ihn an. Und laut fragt sie ihn, ob er denn morgen auch wieder oben sei. Heute wäre es ja wundervoll gewesen. Und sie würde ganz bestimmt auf ihn warten.
Seine Frau wird schneeweiß; und er hat ein Gesicht, als würde er jeden Augenblick einen Schlaganfall bekommen. Nein, bei aller Übermütigkeit, das ist doch zu viel! Unwillkürlich schaue ich zu Marianne hinüber. Sie ist auch weiß geworden. Alle in der Bar haben es mitgehört. Für Sekunden ist es totenstill. Ich weiß nicht, was Diane erwartet hat, aber diese Reaktion bestimmt nicht. Vielleicht mag man in Hamburg so etwas anders auffassen, vielleicht sogar als einen lustigen Scherz. Aber hier...
Sie steht mitten in der Bar, und jetzt merke ich, dass auch sie sich nicht ganz wohl in ihrer Haut fühlt. Die Musik beginnt wieder zu spielen. Für Sekunden denke ich daran, fortzugehen. Ich brauche jetzt Luft, frische Luft.
Ich bin noch nicht bis an die Tür gekommen, da ist Diane schon bei mir. Sie macht ein zerknirschtes Kleinmädchengesicht und ist voller Reue.
»Aber ich wollte doch nur einen Spaß machen!«, sagt sie kleinlaut. Woher soll ich wissen, dass das alles nur gespielt ist? Niemand sagt mir, dass sie ein Herz aus Stein hat, nur sich und nochmals sich liebt und grausam zu anderen ist. Niemand sagt mir das. Ich Trottel sehe nur immerzu die äußere Hülle, und glaube ihr aufs Wort. Wenn ich auch manchmal erschrecke und instinktiv das Richtige tun möchte, wenn sie dann zu mir zurückkommt, verzeihe ich ihr immer wieder. Ja, dass sie zu mir kommt, das halte ich auch noch für die große Liebe.
Ich packe sie bei den Schultern.
»O Diane, Diane du bist noch manchmal ein sehr, sehr großes, kleines Mädchen«, sage ich.
»Es tut mir ja so leid«, sagt sie zerknirscht.
Und dann presst sie ihren weichen Körper an meinen; und meine Sinne schwinden mir.
»Diane!«, keuche ich und schlinge meine Arme um ihren Körper. Ich spüre ihr Haar auf meinem Gesicht, ihren Duft. Ich bin voller Zärtlichkeit.
Wir stehen auf der Terrasse. Niemand ist da. Über uns der tiefdunkle Himmel mit den vielen vielen Sternen. Ich fühle das Glück in mir hochsteigen. Kann man das noch ertragen? Kann man das wirklich?
»Ach, mein kleines dummes Mädchen. Ich glaube, ich muss dich wohl beschützen, Diane.«
»Ja, Viktor, ja«, seufzt sie und hebt ihren Kopf.
Und ich blicke ihr in die Augen. Warum ist es jetzt nicht hell? So gern möchte ich wissen, ob sie jetzt strahlen, ob ich jetzt in ihnen die Liebe lesen kann!
Ich beuge mich über sie, und dann küssen wir uns. Eine heiße Flamme springt in mir hoch, kitzelt meine Nerven. Kaum kann ich mich noch beherrschen. Aber dann, im höchsten Glückstaumel denke ich unwillkürlich: Woher kann sie so gut küssen? Das ist ein Kuss, der mir alles Leben aus dem Körper ziehen will. Sie ist doch nicht mehr so unschuldig, wie ich denke.
Ein ganz klein wenig abgekühlt, hebe ich den Kopf und sehe sie wieder an.
Diane scheint zu begreifen, was in mir vorgeht. Sie lacht wieder ihr perlendes Lachen.
»He, ich bin ein Großstadtkind, Viktor! Ich lebe nicht hier in den Bergen. Bei uns, weißt du, ein Kuss, du liebe Güte, das zählt doch nicht. Wir tun es so aus lauter Freude. Wir küssen alle, die Freundinnen auch.«
»Wirklich«, murmele ich leise.
»Jetzt bist du mir wieder böse«, sagt sie schmollend. »Ach Viktor, woher sollte ich denn wissen, dass ich dich einmal kennenlerne.«
»Wirklich, Diane, ich bin ein Tölpel«, gebe ich zerknirscht zu und küsse wieder den roten Mund.
Dann habe ich das Gefühl, dass man uns beobachtet, und ich höre auf. Hinter der Scheibe sehe ich einen blassen ovalen Fleck. Und in dem Augenblick, als ich hinschaue, verschwindet er wieder. Schon will ich an eine Täuschung glauben, da sagt Diane: »Sie spioniert dir nach, Viktor.« Und wieder lacht sie perlend.
»Wer?«, frage ich verdutzt.
»Wer schon! Du bist wirklich dumm.«
»Bitte, hör auf.«
»Langsam glaube ich, dass du sie liebst und nicht mich«, gibt sie pikiert zurück. »Immer wenn ich von ihr rede, verteidigst du sie.«
»Hör zu, Diane, ich wünsche nicht, dass du so von ihr sprichst. Sie ist ein sehr nettes Mädel; und du weißt ganz genau, dass ich nur dich liebe. Nur dich, und das wird sich nie ändern. Marianne tut mir herzlich leid. Sie hat vor gar nicht langer Zeit einen schweren Unfall gehabt und leidet noch immer darunter. Deshalb möchte ich nicht, dass du so abfällig von ihr sprichst.«
»Ach, sie hat sich also schon an deinem Busen ausgeweint! So eine Schlange ist das also! Nein, wirklich, das hätte ich ihr nicht zugetraut«, sagt sie mit böser Stimme.
»Marianne hat mir gar nichts erzählt. Es war ihre Mutter. Sie ahnt nicht, dass ich alles weiß«, gebe ich ruhig zurück. Aber seltsamerweise ist mir gar nicht so ruhig zumute.
Ich möchte wieder hineingehen. Diane hat nichts dagegen. Der junge Mann und seine Frau sind aus der Bar verschwunden. Marianne sitzt in der Nische bei ihren Eltern. Als sich unsere Blicke zufällig kreuzen, stelle ich mit Bestürzung fest, dass sie mich unsagbar traurig ansieht.
Ich habe das dumpfe Gefühl, als hätte sie unsagbares Mitleid mit mir. Das verstehe ich nicht. Verwirrt blicke ich fort. Wieso, denke ich. Ich habe das schönste Mädchen für mich gewonnen, und reich ist sie außerdem. Das spielt aber keine so große Rolle für mich. Die Liebe ist wichtiger. Ich würde es verstehen, wenn sie traurig ist, weil ich nicht sie erwählt habe. Warum aber hat sie Mitleid mit mir?
Diane kommt wieder zurück, und wir tanzen die ganze Nacht miteinander. Sie lacht perlend und ist ausgelassen und übermütig. Aber sie eckt nirgendwo mehr an. Brav hält sie sich an meiner Seite. Immer wieder treten wir mal auf die Terrasse hinaus nicht um den dunklen Nachthimmel zu bewundern, sondern wir küssen uns dann leidenschaftlich.
Aber dann sind die Musiker müde, und wir müssen auf unsere Zimmer gehen. Ich habe einen kleinen Schwips und finde das Leben wunderbar. Vielleicht, denke ich, können wir sehr bald heiraten. In Hamburg gibt es auch eine Universität, dort könnte ich dann zu Ende studieren. Ach, Diane, lächle ich im Traum.