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Ich bin hart und ungerecht, lasse meine Launen an jedem aus, den ich erwischen kann. Und ich hasse sie alle, weil sie nichts sagen, sondern es ruhig schlucken. Das macht mich wütend. Ich will kein Mitleid! Am liebsten möchte ich es ihnen ins Gesicht schreien. Aber dazu fehlt mir der Mut.

Ja, ich treibe es so toll, dass eines Tages eine kleine Lernschwester unter Tränen mein Zimmer verlässt. Im gleichen Augenblick tut es mir auch schon wieder leid. Aber sie ist fort.

Wenig später kommt der Arzt, sieht mich an und sagt: »Warum tun Sie das? Früher waren Sie doch nicht so.«

Ich werde hitzig und rufe: »Ich hasse Mitleid! Sie sollen endlich aufhören, mich zu bemitleiden, dann höre ich auch auf, sie zu quälen!«

Verwundert blickt er mich an. »Das nennen Sie Mitleid, was Ihnen die Schwestern bezeigen? Ja, in Gottes Namen, merken Sie denn nicht, dass es schon bald an Hass grenzt? Wenn sie schweigen, dann nur, weil sie höflich sind. Aber ich schweige jetzt nicht mehr.

Hören Sie, Hofstetter, wenn Sie so weitermachen, dann haben Sie wirklich recht, dann bekommen Sie kein Mitleid zu spüren, sondern nur Hass und Ablehnung. Und es wird nicht sehr lange dauern, dann wird Ihr Leben ziemlich trist verlaufen.

Wir haben Sie alle so gern gehabt und Sie bewundert, weil Sie so tapfer Ihr Schicksal getragen haben. Aber davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Und finden Sie es nicht ziemlich schäbig, sich an Wehrlosen zu vergreifen? «

»Wehrlose?«, sage ich leise. »Wieso?«

»Die kleine Lernschwester. Sie strengt sich so an. Wenn wir erkennen, dass man sie nicht mag, dann eignet sie sich nicht für den Schwesternberuf. Verstehen Sie jetzt?«

Oh, wie schäme ich mich. Wirklich, so hat man noch nie mit mir gesprochen. Schon will ich wütend auffahren und ihm sagen: Redet man so mit einem Krüppel? Er sieht mich ununterbrochen an, und da weiß ich, dass er meine Gedanken lesen kann. Auf einmal will ich Mitleid erheischen, nur um nicht sagen zu müssen: Du bist wirklich gemein gewesen.

»Verzeihen Sie mir.«

Er lächelt schon wieder.

»Morgen kommt Ihre Prothese. Sie wissen doch, Weggerli hat sie angefertigt. Er hat mich heute morgen angerufen und mir gesagt, morgen könnten wir den ersten Versuch starten. Und wenn Sie sich flott ranhalten, können Sie bald unser Haus verlassen.«

Als er geht, ist mir ganz komisch zumute. Ich sitze im Bett und grüble darüber nach, wie ich alles wieder ins reine bringen soll. Soll ich jeden einzelnen um Verzeihung bitten?

Und dann stelle ich mir die Frage: Warum bist du eigentlich so grantig geworden? Aber die Gedanken sind wie ein Ring ohne Ende. Und um nicht mehr denken zu müssen, greife ich nach einem Buch. Dabei fallen mir die Aufzeichnungen in die Hand, Fräulein Hofs Geschichte, die sie über mich geschrieben hat. Mein Herz fängt an zu klopfen. Ich beginne zu lesen und kann nicht mehr aufhören. Sie schreibt wirklich gut, einfach und schlicht, aber ergreifend. Die Leser müssen ja zerfließen, denke ich.

Der Schluss endet da, wo ich ins Krankenhaus komme und man mir das Bein amputieren muss. Ich habe alles in einem Zug gelesen; erschöpft lehne mich mich zurück.

Über zwei Wochen sind inzwischen vergangen. Diane und Leo sind sicher schon abgereist. Und die beiden glauben, dass ich Angst habe und deswegen den Bericht stoppen ließ. Meine Hände umkrampfen die beschriebenen Seiten.

Leo hat mein Leben zerstört, und Diane hat mir den Rest gegeben. Da quillt es in mir über, und ich greife zum Bleistift und schreibe den Schluss der Geschichte: die Unterredung mit Diane. Als ich damit fertig bin, schreibe ich noch einen kurzen Begleitbrief, lege alles in einen großen Umschlag und schicke es an den Verlag.

Im Brief habe ich geschrieben, dass das Honorar an Fräulein Marianne Hof zu zahlen ist. Als der Brief fort ist, fühle ich mich erleichtert.

7 Heimat-Romane um Liebe  in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019

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