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Weggerli ist da. Unter dem Arm trägt er ein künstliches Bein. Er sieht mich lustig an.

»Na, sollen wir es wagen?«

Doktor Burger kommt mit einem Rollstuhl herein.

»Da sind Sie ja schon! Also, gehen wir nach unten in den Sportraum.«

Mein Mund ist ganz trocken und mir ist schlecht. Ich will nicht fort, möchte mich für immer verkriechen.

Ohne mich zu fragen, heben Weggerli und Doktor Brugger mich unter den Armen an und setzen mich in den Rollstuhl. Es ist einfach schrecklich, diese Erniedrigung! Die beiden tun, als bemerkten sie meine Verzweiflung gar nicht. O ja, denke ich bitter, wenn ich noch mein Bein hätte, dann könnte ich auch so handeln. Merkt ihr denn nicht, dass ich nicht will? Und wieder spüre ich, dass ich um Mitleid bettle, aber ich will es doch nicht. Es ist doch so schrecklich.

Eine komische Sache ist das schon. Wir stehen im Fahrstuhl. Ein paar andere Kranke fahren mit uns. In ihren Augen lese ich Mitleid, und meine Hände ballen sich unter der Decke.

Ich will es ihnen beweisen. Allen! Mit mir muss man noch rechnen! Ich werde nicht aufgeben, o nein! Ein Feigling war ich noch nie.

Und mit dieser Wut im Bauch werde ich in den Saal gefahren. Wenn ich gedacht habe, man würde mit mir allein üben, dann habe ich mich gründlich geirrt. Es wimmelt nur so von Kranken, und ich bin sprachlos.

»Nein!«, sage ich ärgerlich. »Das mache ich nicht mit! Ich lass mich doch nicht anstarren!«

Weggerli sagt: »Sie bilden sich eine ganze Menge ein, wie? Wenn Sie ein Filmstar wären, Gott, dann könnte ich vielleicht glauben, dass Sie Starallüren haben.«

Oh, ich könnte ihn umbringen! Und was mich noch viel mehr ärgert, ist, dass sich die beiden über meinen Kopf hinweg anlachen. O ja, ich möchte sie alle beide nehmen und...

»Es hat ihm die Sprache verschlagen«, sagt Weggerli fröhlich.

Woher soll ich auch wissen, dass man das, was ich dann tun muss, nur kann, wenn man wild und zornig ist. Meine Reaktionen sind von den beiden vorausberechnet worden. Ja, sie fordern sie geradezu heraus. Sie wissen, mit Mut allein ist das nicht zu bewältigen.

Weggerli kniet vor mir und legt mir die Prothese an. Ich verhalte mich ganz still. So sieht also ein künstliches Bein aus. Scheußlich, denke ich. Da muss man ja Angst bekommen.

»Und nun, hoppchen!«, sagt Burger munter.

»Wie?«, stottere ich.

»Hallo! Bringt uns mal einen Barren!«

Von zwei jungen Turnlehrern wird er herangeschoben. Ehe ich mich versehe, werde ich hochgezogen und stehe zwischen den beiden Holmen.

»Anfassen und nicht loslassen! Sonst fallen Sie hin.«

»Ich kann nicht!«, will ich schreien. Mir ist furchtbar schlecht. Aber instinktiv greifen meine Hände, umkrampfen das glatte Holz, und ich starre sie wütend an.

»Sie!« Mehr kommt nicht heraus. Ich habe Angst, dass die anderen mich auslachen. Ich muss wirklich eine Witzfigur abgeben. Aber zu meiner Verwunderung merke ich, dass die anderen Patienten sich gar nicht um mich kümmern. Jeder ist mit sich selbst so sehr beschäftigt, dass er nicht mal einen Blick zu mir wirft.

Jetzt kann ich auch klar denken. Ein unfassbares Gefühl erfasst mich und hält mich gefangen. Für Sekunden. Ich stehe, ich kann wieder stehen!

»Fesch«, sagt Weggerli, »wirklich, ganz fesch«, und er hantiert an meinem künstlichen Kniegelenk herum.

»Gehen Sie mal einen Schritt«, sagt der Arzt.

»Nein!«, stoße ich wild hervor. »Wie soll ich das können?«

»Immer munter drauflos. Wird schon werden.«

»Wenn ich eine Hand frei hätte, würde ich Sie erwürgen!«, schreie ich ihn an.

»Eines Tages werden Sie beide Hände frei haben, Viktor. Dann können Sie ohne Hilfe laufen. Und niemand wird wissen, dass Sie nur ein Bein haben.«

Mir schießen Tränen in die Augen. Ich fühle mich so hilflos. Ich will keine Beweihräucherung. Und schon gar keine, die eine dicke Lüge ist.

»Versuchen Sie es doch mal!«

Ich denke: So, jetzt zeige ich ihm, dass ich es nicht kann. Und ich strenge mich an, konzentriere mich, und ich gehe tatsächlich einen Schritt. Darüber bin ich so erschrocken, dass ich beinahe losgelassen hätte.

»Naaa?«

Ich mache noch einen Schritt und noch einen und noch einen. Und da ist der Barren zu Ende. Ich stehe da und zittere.

Ich schwitze so sehr, dass der Boden vor mir nass wird. Der Angstschweiß läuft mir in Strömen über das Gesicht. Beide helfen mir beim Umdrehen. Und ich gehe zurück.

Plötzlich ist es ganz still in der Halle. Alle sehen zu mir her. Und dann klatschen sie und rufen. »Wunderbar! Keiner hat das so schnell gekonnt!«

Und ich heule und komme mir furchtbar glücklich vor; so, als hätte ich einen hohen Berg erstiegen und stünde jetzt auf dem Gipfel.

Weggerli streckt mir die Hand entgegen.

»Sie werden es schaffen!«

Und ich ergreife sie. Auch das ist ein kleines Wunder, denn mein künstliches Bein hindert mich daran, zu stürzen.

»Jetzt heißt es Übung, Übung, und nochmals Übung. Jeden Tag, jeden Augenblick müssen Sie laufen lernen. Und ich versichere Ihnen, eines Tages können Sie auch wieder tanzen.«

»Sie!«, sage ich mit schwacher Stimme und muss doch lachen. »Haben Sie eigentlich gar nicht gewusst, wie wütend ich auf Sie beide war? Die ganze Zeit?«

»Natürlich! Wenn Sie wieder hergestellt sind, können Sie uns ja einen Sekundanten schicken«, sagt Burger fröhlich.

Ich will noch einmal gehen. Aber sie sagen, man solle nichts übertreiben. Alles zu seiner rechten Zeit. Ich sitze im Rollstuhl, und sie bringen mich in mein Zimmer zurück.

7 Heimat-Romane um Liebe  in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019

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