Читать книгу 7 Heimat-Romane um Liebe in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019 - A. F. Morland - Страница 23

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Draußen ist es dunkel geworden.

Ich erwache aus einer seltsamen Erstarrung. An meinem Bett sitzt noch immer der Geistliche.

»Und Sie sprechen davon, dass ich verzeihen soll!«

»Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll«, entgegnet er sehr leise.

»Bitte, gehen Sie. Ich möchte jetzt allein sein. Können Sie das verstehen? Eine Welt ist für mich zusammengebrochen. Ich habe keine Lust mehr zu leben. Wofür? Sagen Sie mir, wofür lebt eigentlich der Mensch? Man wird geboren, lernt zu arbeiten, schuftet sich ab, bis man alt und verbraucht ist, und dann darf man gnädig sterben. Und mitunter ist dies auch noch sehr schmerzhaft. Da frage ich Sie, worin besteht der Sinn. Himmel, Gott! Glauben Sie daran? Wir sind doch eine verderbte Gesellschaft. Unsere Seelen kommen angeblich aus dem Himmel und kehren dorthin zurück. Ich frage mich, warum so viele Umstände? Unsere Zeit hier zählt doch in der Ewigkeit nur eine Sekunde, nicht einmal, noch weniger.«

»Ich kann Ihre Bitterkeit verstehen, Herr Hofstätter. Glauben Sie mir, ich weiß nicht, was ich an Ihrer Stelle denken würde. Aber eines kann ich Ihnen versichern: Die Zeit heilt auch die schlimmsten Wunden. Und eines Tages finden Sie das Leben auch wieder lebenswert. Sie sehnen sich direkt danach. Glauben Sie mir, hoffen Sie darauf. Werfen Sie sich jetzt nicht fort. Wem nützt das denn?«

Lass mich doch endlich in Ruhe, denke ich wütend. Ich will nicht, verdammt noch mal! Mein Leben gehört mir, und ich kann damit tun und lassen, was ich will. Ich bin keinem Rechenschaft schuldig, keinem.

Er erhebt sich.

»Ich komme wieder, Herr Hofstätter.«

Geh nur, denke ich und zittere. Ich habe mich nicht mehr in der Gewalt. Der Blutdruck steigt immer höher. Mir ist übel, ich sehe schwarze Kreise vor meinen Augen. Sie werden immer dichter, und bald haben sie mich eingekreist. Und da ist eine Tür, ich öffne sie, Schwärze fällt mir entgegen. Sie reißt mich hinein. Noch stehe ich auf der Schwelle. Dann bin ich drin, falle immer tiefer und tiefer.

Und staunend frage ich mich: »Ist das der Tod?«

Ich bekomme einen Rückfall. Wieder werde ich in die Glaskabine gefahren. Man kämpft um mein Leben. Aber im Augenblick weiß ich nichts davon.

Diesmal ist es für die Ärzte schwerer, denn ich habe keinen Lebenswillen mehr. Sie holen die Tante, aber auch sie kann nichts ausrichten.

Wer mich dann in dieses Leben zurückholt, ist Fräulein Hof. Sie kommt, sitzt an meinem Bett, Stunde um Stunde, und redet auf mich ein. Sie erzählt mir, wie schön das Leben noch sein kann, dass man nicht aufgeben darf.

Ihre Stimme ist es, die mich aus der Schwärze zurückholt. Noch wehre ich mich dagegen. Ich will doch nicht! Dort, dort war alles gut; ich brauchte nicht zu leiden. Aber diese Stimme... Sie ist lästig. Ich möchte es ihr sagen. Aber ich kann das nur tun, wenn ich aufwache. Und irgendwann höre ich die Worte:

»Ich glaube, jetzt ist das Schlimmste überstanden.«

»Was ist denn los?«

Vier Gesichter sehen mich aufmerksam an. »Sie haben uns einen hübschen Schrecken eingejagt, Herr Hofstätter.«

»Ich weiß gar nicht, was los ist. Ich bin noch ganz benommen. Was ist denn los?«

»Schlafen Sie jetzt. Das wird Ihnen guttun, hören Sie?«

Dann bin ich allein. Ich halte die Augen geschlossen. Sie sollen denken, ich füge mich ihren Anweisungen. Aber ich zergrüble mir den Kopf. Das geht aber gar nicht so recht. Ich fühle mich so schwach, als hätte ich tagelang Holz gehackt. Und dann muss ich wohl eingeschlafen sein. Als ich wieder die Augen aufschlage, befinde ich mich in meinem alten Zimmer, und die Sonne scheint.

Drei Tage lang war ich ohne Besinnung. Und das hat mir auch Diane eingebrockt! Wenn ich jetzt an sie denke, steigt meine Galle hoch. O ich Narr, denke ich in einem fort. Wie müssen sie im Hotel über mich gelacht haben! Alle haben doch gemerkt, wie vernarrt ich war und blind. Mein Gott, dass man so blind sein kann! Und wie habe ich ihr vertraut!

Sie hat mein Leben zerstört. Vollkommen. Jetzt kann ich die Frauen nur noch hassen. An Liebe glaube ich nicht mehr.

Am Nachmittag kommt Marianne. Eine Schwester hat mir erzählt, dass sie sehr oft bei mir gewesen sei. Und ihr hätte ich wahrscheinlich auch zu verdanken, dass ich noch am Leben bin. Danke, denke ich spröde. Immerzu höre ich jetzt das Wort. Und so soll es wohl auch bleiben, denn ich bin ja ein Krüppel.

Ich sehe sie an. »Sie hätten mich sterben lassen sollen«, sage ich mit fester Stimme. »Haben Sie nicht gewusst, dass ich nicht mehr leben will? Sie haben mir wirklich keinen Gefallen getan, Fräulein Hof.«

Tiefes Rot überzieht ihr Gesicht. Sie kann noch rot werden, denke ich staunend. Und dann kommt mir noch ein anderer Gedanke. Er springt mich sozusagen an.

»Fräulein Hof, nicht wahr, Sie haben es gewusst. Alles.«

»Ja«, sagt sie ruhig. »Ja, ich habe alles gewusst.«

»Sie wussten also, dass Diane jederzeit kommen konnte; aber Sie haben mir das vorgespielt, um mein Vertrauen zu erlangen. Nun sind Sie doch fein heraus, haben als einzige die Geschichte bringen können.«

Sie wird schneeweiß und dann gleich wieder rot.

»Herr Hofstätter«, stammelt sie und blickt mit gequälten Augen aus dem Fenster, »wie können Sie nur?«

»Es ist doch so!«, rufe ich. »Diane war hier, und sie hat mir die Wahrheit gesagt. Wie müsst ihr doch alle über mich gelacht haben! Es muss doch ein köstlicher Spaß gewesen sein! Ich frage mich nur, warum Sie noch gekommen sind. Was wollen Sie denn noch? Noch mehr hören.«

Langsam steht sie auf, Tränen in den Augen. Und es tut mir noch nicht einmal leid. Ja, ich genieße es sogar. Es liegt sogar noch in meiner Macht, jemanden zu verletzen. Ich bin doch noch nicht so hilflos.

»Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich mein Versprechen einhalten werde. Der erste Teil ist gedruckt worden. Alle weiteren Fortsetzungen habe ich bei mir. Und damit Sie sehen, dass es nicht stimmt, was Sie behaupten, lasse ich alles hier. Sie können damit tun und lassen, was Sie wollen. Wenn es Ihnen beliebt, so schicken Sie sie an die Zeitung und streichen selbst das Honorar ein.«

Dann nimmt sie ihre Tasche und geht.

Ich habe einen dicken Kloß im Halse. Am liebsten möchte ich sie bitten: Geh nicht fort. Verzeih, ich war böse. Bleib doch. Wenn du gehst, dann gibt es keinen Menschen auf der Welt, dem ich mich anvertrauen kann.

Aber mein verdammter Stolz hindert mich daran, es zu sagen. Und so verpasse ich den Augenblick. Wenig später sehe ich sie noch einmal unten in der Auffahrt. Wie schmal und klein sie doch ist, denke ich unwillkürlich. Als Mann hat man das Gefühl, sie beschützen zu müssen, damit ihr nichts geschieht. Aber im Augenblick bin ich gar kein Mann, sondern nur ein kranker Mensch, krank und hilflos an Leib und Seele.

7 Heimat-Romane um Liebe  in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019

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