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Der junge Arzt steht wieder vor meinem Bett. So jung und schon Oberarzt, denke ich ehrfürchtig. Wir sehen uns an. Sein Blick wird unruhig.

»Sie wollen mir etwas sagen?«

»Wieso kommen Sie darauf?«, antwortet er verblüfft.

»Es stimmt doch? Bitte, nehmen Sie kein Blatt vor den Mund, Herr Doktor. Ich habe gehört, wie meine Tante Sie darum gebeten hat. Muss ich vielleicht länger hier liegen, als meine Ferien dauern? Ist es wegen meines Studiums? Das kann ich nachholen. Oder wenn man mir meine Bücher bringt, lerne ich hier weiter und versäume nichts.«

»Nein«, sagt er und zieht sich dann einen Stuhl heran.

Jetzt weiß ich, es wird ein langes Gespräch werden. Und plötzlich habe ich Angst, große Angst. Mein Pulsschlag rast; er erkennt das an der Herzmaschine.

»Herr Hofstätter ...«, beginnt er vorsichtig.

»Bitte, reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Ich bin doch keine Memme, sondern ein Mann und kann es vertragen. Sie tun ja ziemlich wichtig, ehrlich.« Ich muss schon lachen, aber das Lachen glückt mir nicht, bleibt mir im Halse stecken.

»Sie wurden mit Erfrierungen eingeliefert, Herr Hofstätter.«

»Und?«, frage ich forsch. »So etwas habe ich mir gedacht. Wissen Sie, da war es nämlich gar nicht gemütlich.«

»Mit schweren Erfrierungen, Herr Hofstätter«, unterbricht er mich hastig.

Mir stockt der Atem. Ich bin ein Kind der Berge. Von klein auf wurde uns eingeimpft...

»Wo?«, sage ich mit brüchiger Stimme. »Wo habe ich Erfrierungen?«

»An den Beinen, Sie müssen die ganze Zeit gesessen haben.«

»Das stimmt. Später habe ich vor Schwäche gelegen. Aber nicht lange. In der Nacht konnte ich nicht mehr stehen, die Müdigkeit und diese scheußliche Kälte.« Plötzlich krallen sich meine Hände in die Bettdecke.

»Sie können doch etwas dagegen tun? Deswegen bin ich doch hier, nicht wahr? Sie können mir doch helfen! Ich weiß, es wird ein Weilchen dauern, aber Ihr Medizinmänner könnt doch was machen.«

Er schüttelt den Kopf.

»In diesem Stadtium blieb uns nur eines übrig, um Sie am Leben zu erhalten.«

Entsetzen kriecht in mir hoch. Wieder sehe ich Tantchens Gesicht. Ich würge.

»Was haben Sie mit mir gemacht?«

»Wir mussten amputieren.«

Das Wort steht im Raum, greifbar nahe, ich sehe es förmlich. Ich liege da, mit offenem Mund und kann es nicht begreifen. Noch nicht. Mir ist, als spräche er chinesisch. Was ist das?

Meine Augen hängen an seinem Gesicht.

»Weiter ...«, stottere ich.

»Herr Hofstätter...«, beginnt er wieder vorsichtig.

»Weiter!«, schreie ich ihn wie von Sinnen an. »Reden Sie doch endlich!«

»Wir mussten das linke Bein amputieren.«

Nun hat er es gesagt. Ich spüre richtig, wie erleichtert er aufatmet. Interessiert beobachte ich ihn und lächle sogar. Verdammt schwer ist ihm das gefallen, denke ich.

Und dann wird mir erst bewusst, dass wir über mich sprechen. Ich, ich bin der Unglückliche! Mit mir hat man das Unfassbare, das Ungeheuerliche getan!

»O nein...«, sage ich ganz langsam.

»Herr Hofstätter, Sie müssen mir glauben, wir haben alles versucht, alles. Aber es blieb uns keine andere Wahl, ich ...«

»Bitte«, flüstere ich.

»Der Professor selbst hat die Operation vorgenommen. Wir, ach, verdammt, uns ist es wirklich schwergefallen. Aber wir haben Sie am Leben erhalten. Sie werden auch am Leben bleiben, Herr Hofstätter. Das garantiere ich Ihnen.«

»Leben ...«, sage ich bitter. Mir ist, als läge die Galle auf meiner Zunge. »Das soll ein Leben sein? Das nennen Sie Leben?«

Und ehe er es verhindern kann, habe ich die Bettdecke fortgerissen, und sehe den Stumpf. Da war einmal ein Bein, damit bin ich gelaufen, Ski gefahren, geschwommen, geklettert, habe getanzt und Sport getrieben. Ich habe mich so stark gefühlt, und jetzt? Verflixt noch mal, jetzt weine ich sogar wie ein kleines Kind. Die Tränen laufen mir über die Backen, und meine Hände zittern. Langsam lasse ich mich zurückfallen.

»Warum habt ihr mich nicht sterben lassen?«, stammle ich. »Warum nicht? Das wäre gnädig gewesen. Dies, dies ist doch kein Leben; das ist...« Ich kann nicht mehr.

»Sie dürfen den Mut nicht verlieren, Herr Hofsätter. Es wird schon wieder werden. Ganz bestimmt.«

»Wie denn?«, keuche ich. »Gibt es jetzt vielleicht eine Medizin, von der mir ein neues Bein nachwächst? Sagen Sie, gibt es die wirklich? Wenn ja, warum haben Sie sie mir dann noch nicht gegeben?«

»Jetzt sind Sie verbittert«, antwortet er ruhig.

»Verbittert?« Ich beiße die Zähne zusammen. O mein Gott, denke ich. Du lieber Gott, gleich springe ich ihm an die Gurgel, gleich... Ich bin wie von Sinnen.

»Waren Sie vielleicht dabei, als man mir das Bein stahl? Ja? Hat es Ihnen Spaß gemacht, mich zu verstümmeln, ja?«

Er steht auf und verlässt einfach meinen Raum. Ich bin allein. Wild und böse möchte ich alles um mich herum zertrümmern, aber ich bin hilflos wie ein Säugling.

Ich bin ein Krüppel, Krüppel... Das Wort gellt mir in den Ohren. Es ist furchtbar. Ich möchte schreien, schreien!

7 Heimat-Romane um Liebe  in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019

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