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Zwei Tage sind vergangen!

Am Morgen hat mir die Stationsschwester auf Verlangen die Zeitung gebracht. Neugierig blättere ich sie durch. Und dann sehe ich ihn wirklich, ihren Artikel. Er ist nicht zu übersehen. Überschrift vier Zentimeter groß. Der Artikel ist sehr gut geschrieben. Für Minuten vertiefe ich mich hinein und vergesse ganz, dass es ja mein Schicksal ist. Sie kann wirklich gut schreiben. Alle Achtung, denke ich. Das habe ich der kleinen Marianne gar nicht zugetraut. Sie steigt beträchtlich in meinem Ansehen.

Und ich gönne ihr den kleinen Triumph. Die anderen Reporter haben umsonst gewartet. Es tut mir nur ein wenig leid, dass der Bericht nie zu Ende geschrieben werden wird. Denn er ist ja nur als Lockvogel gedacht.

Jetzt warte ich sehnsüchtig auf Diane. Leo muss sie jetzt gehen lassen. Er ist doch so auf seinen Ruf bedacht.

Und ich brauche auch gar nicht lange zu warten. Gegen Mittag hält vor dem Portal ein Taxi. Unwillkürlich schaue ich hin. Schließlich habe ich nichts anderes zu tun. Es ist so langweilig, nur herumzuliegen und dabei noch zu versuchen, nicht zu zerbrechen. Immer wieder überkommt es mich, und dann möchte ich mit dem Kopf durch die Wand. Meine Jugend, alles ist dahin. Ich glaube einfach nicht daran, dass ich je wieder normal laufen kann. Alle werden mich bemitleiden, und das ist wohl das schlimmste, das einem widerfahren kann.

Aber jetzt habe ich alle Angst und Nöte vergessen. Mein Herz schlägt wild und heftig. Diane steigt aus dem Taxi! Ich sehe ihr sonnengelbes Haar, den weichen Pelzmantel. Ach, ich habe ganz vergessen, wie schön sie ist. Strahlend schön! Und wie sie da schreitet, vollkommen Dame. Mein Herz krampft sich fast schmerzhaft zusammen. Dass man so lieben kann, denke ich erstaunt. So bedingungslos, so in dem anderen aufgehend.

Diane!

Nun ist sie aus meinen Blicken entschwunden. Wenig später höre ich ihre Schritte auf dem Flur. Die Tür öffnet sich, und dann steht sie im Zimmer. Oh, mein Herz will fast stehenbleiben vor Glück. Wir sehen uns an.

»Diane!«, rufe ich. »O Diane, endlich bist du da! Endlich kannst du zu mir kommen. Wie sehr habe ich auf dich gewartet! All die Zeit habe ich hier gelegen und sehnsüchtig auf dich gewartet. Ich war so verzweifelt und traurig aber jetzt wird alles gut. Jetzt ist schon alles gut«, sage ich und strecke meine Hände nach ihr aus.

»Komm, Diane. Komm, mein Mädchen.«

Ihr Gesicht ist kühl und irgendwie abweisend. So habe ich sie auch kennengelernt. Sie runzelt die Stirn, sieht mich mit ihren wunderschönen Augen an. Dann kommt sie ganz langsam näher. Sie steht vor mir, sieht auf mich herab. Ich denke: Jetzt wird sie mich küssen, denn ich kann mich ja nicht erheben.

Da wirft sie mir die Zeitung zu und sagt: »Sag mal, bist du von allen Geistern verlassen! Ich habe gedacht, mich trifft der Schlag! Heute morgen habe ich mir schon dieses Früchtchen vorgeknöpft und ihr gesagt, ich würde sie verklagen, diese falsche Schlange, wenn sie nicht dafür sorgt, dass dieser Artikel nicht weiter erscheint.«

»Du meinst Marianne?«

»Ja! Und die blöde Ziege sagt doch tatsächlich, dass du ihr den Auftrag gegeben hättest! Nur du könntest ihn wieder zurückziehen. Und wenn ich das wolle, dann müsse ich zu dir gehen.«

»Und du bist gekommen! Dein Vater hat dich also endlich gehen lassen!«

Diane sagt: »Mein Vater? Wie meinst du das?«

»Ja, hat er dich denn nicht die ganze Zeit festgehalten, Diane? Bestimmt warst du auch so traurig wie ich, dass du nicht kommen konntest.«

Sie lacht kurz auf. »Ich weiß nicht, was du meinst, Viktor. Aber glaubst du wirklich, ich lasse mir von irgendeinem Menschen etwas verbieten? Nein, mein Lieber, ich nicht! Auch von meinem Vater nicht.«

»Diane!«, rufe ich entsetzt. »Soll das vielleicht heißen, du hättest die ganze Zeit kommen können?«

»Und?«, sagt sie schnippisch. »Warum sollte ich denn kommen? Ich habe hier nichts verloren. Gar nichts! Krankenhäuser sind ein Gräuel für mich.«

»Aber Diane, du liebst mich doch! Wir lieben uns doch. Und du hast mich die ganze Zeit warten lassen? Nur die Liebe zu dir hat mich aufrecht gehalten. Immer wenn ich verzweifeln wollte, habe ich an dich und unsere Zukunft gedacht, Diane. Ich brauche dich, ich brauche dich; denn ich liebe dich.«

Sie setzt sich auf einen Stuhl und sieht mich lachend an.

»Wir lieben uns?« Sie zieht den Satz mächtig in die Länge. »Du liebst mich, vielleicht mag das stimmen. Aber ich? Hältst du mich wirklich für so vertrottelt?«

»Diane!«, stottere ich.

»Nun ja.« Sie steckt sich eine Zigarette an, ohne überhaupt zu fragen, ob ich den Rauch vertrage.

»In ein paar Tagen, ich meine, wenn das nicht passiert wäre, hätte ich es dir sowieso gesagt, wenn du es nicht gemerkt hättest. Ja, bist du denn wirklich so übergeschnappt und hast geglaubt, ich werfe mich an einen Hinterwäldler fort? Ich, eine ausgezeichnete Partie? Hast du das wirklich geglaubt? So närrisch kannst du doch nicht sein. Wirklich, du bist doch ein studierter Mann.«

Im ersten Augenblick bin ich wie gelähmt. Ich bringe keinen Ton über die Lippen. Sie scherzt doch nur, denke ich, dass ich mich ein wenig fürchten soll. Das ist doch nicht meine Diane.

Aber dann sehe ich ihre Augen. Wie kalt sie doch sein können!

»Diane«, sage ich mit brüchiger Stimme, »das ist doch nicht dein Ernst. Du, du ...«

»Hör auf, mich anzuflennen! Ich bin gekommen, damit du dieser dummen Kuh verbietest, weiterhin Lügen über uns zu verbreiten. Hörst du,Viktor, ich verbiete dir, dass du es zulässt!«

Ich nehme das Gehörte gar nicht wahr, bin noch immer völlig fassungslos. »Aber du hast mich doch geküsst, viele Male! Du hast mir zu verstehen gegeben, dass du mich magst. Du hast gewusst, wie sehr ich dich liebe, und du hast nichts dagegen getan. Im Gegenteil, du warst bei mir. Ich...«

»Himmel, kannst du denn keinen Spaß verstehen! Ich hab Urlaub, sonst nichts. Vater hat verlangt, dass ich ihn begleite, also kam ich mit. Soll ich mich wirklich die ganze Zeit langweilen? Kennst doch die Leute hier. Sie gucken blöd, wenn man mal lustig und fidel sein will. Und du kamst mir gerade recht.

Ich habe dich nie geliebt.«

Ich schließe die Augen. Mir ist, als befände ich mich in einem Karussell. Immer schneller und schneller dreht es sich. Die Zeit läuft zurück. Und wieder höre ich Diane reden, mit ihrem Vater damals, am Frühstückstisch, als sie mich fragte, ob ich schon lange hinter ihr gestanden hätte. Damals muss sie über mich gesprochen haben. Es war gar nicht der Vater, sondern Diane selbst, die ein Herz aus Stein hat. Er hat nur aus Angst, aus Angst vor dem Tod so gehandelt.

»Du bist gemein«, sage ich leise. »So gemein. Verstehst du gar nicht, wie sehr mich das verletzt?«

»Das ist deine Schuld«, entgegnet sie hochmütig.

Ich öffne die Augen und sehe sie an. Und dieses Mädchen habe ich geliebt, über alles geliebt! Die Welt wollte ich ihm zu Füßen legen.

»So jung und so...« Ich spreche nicht weiter.

Wahrhaftig, sie kichert los. »Ich weiß, dass du mich für ein junges Gänschen hältst. Gott, habe ich mich über dich amüsiert. Damit du es weißt, ich bin fünfundzwanzig!«

»Du tust wohl alles mit Berechnung, wie?«, sage ich spröde.

»O ja«, sagt sie und sieht mich mit ihren blauen Augen durchdringend an.

Es ist wirklich ungeheuerlich, denke ich.

»Weißt du eigentlich gar nicht, was dein Vater mir angetan hat? Durch ihn bin ich zum Krüppel geworden! Ich habe mein Bein verloren!«

»Dafür kann er nichts«, sagt sie schnell.

»Nein? Ihr beide seid hart und kalt jetzt weiß ich es. Ihr habt kein Herz wie andere Menschen. Oh, ich kann dich nicht mehr sehen, geh endlich.«

»Wirst du es ihr verbieten?«

Ja, sie besitzt tatsächlich noch die Frechheit, das von mir zu verlangen. Nach alledem!

»Weißt du«, sage ich mit gepresster Stimme, »ich habe Fräulein Hof darum gebeten, es in die Zeitung zu setzen. Ich glaubte nämlich, dein Vater hielt dich von mir fern. Er sollte dich zu mir schicken, dann hätte Marianne aufgehört, an dem Bericht zu schreiben. Aber jetzt werde ich sie bitten, die ganze Wahrheit zu schreiben, alles. Sie darf nichts auslassen. Jeder in Hamburg soll es lesen können.«

»Untersteh dich!«, sagt sie laut und wird jetzt noch ein wenig weiß.

»Man hat mir geraten, deinen Vater anzuklagen. Bis jetzt hat mich deine Liebe davor zurückgehalten. Aber jetzt gibt es keinen Grund mehr!«

Ich kann an ihrem Gesicht ablesen, wie erschrocken sie ist. Zum ersten Mal hat sie sich verrechnet. Hat sie mich wirklich für so dumm gehalten? Sie hätte nur ein wenig Liebe vorzutäuschen brauchen, und ich wäre darauf hereingefallen. Sie hätte damit alles erreichen können, was sie wollte.

»Nein«, sagt sie noch einmal.

»O doch!«, erwidere ich.

Sie geht nervös hin und her, überlegt angestrengt. Sie weiß, wenn das passiert, dann kennt Hamburg ihr wahres Gesicht. Nicht nur das des Vater, sondern auch ihres. Sie kann sich an zwei Fingern abzählen, dass ich diese Unterredung an Marianne weitergeben werde.

»Die Leute wissen, dass die Zeitungen übertreiben. Sie werden es nicht glauben.«

»Nein? Bist du dir so sicher? Nun denn, lassen wir es darauf ankommen. Und dann sind ja noch die Richter da. Man wird auch darüber berichten.«

»Wie viel willst du?«, schleudert sie mir ins Gesicht.

»Was sagst du da?« Ich bin wirklich sprachlos. Mein Herz blutet noch über die verratene Liebe, und sie ...

»Ja, nenn deinen Preis! Man kann im Leben alles kaufen, alles, auch dich! Du willst doch weiter studieren, nicht wahr? Gut, sollst du, auf unsere Kosten. Wir richten dir eine Wohnung ein; du bekommst Taschengeld, ein Auto, was du willst!«

In mir ist eine Grabeskälte. Gibt es das wirklich? Diane ist kein Mensch, sondern ein Ungeheuer.

»Geh!«, schreie ich sie an. »geh endlich! Raus aus meinem Zimmer!«

»Du wirst es noch bereuen«, zischt sie mich an.

»Raus!«

»Vor Gericht wird Aussage gegen Aussage stehen. Mein Vater wird sich die besten Anwälte nehmen!«, höhnt sie.

»Wenn du dir so sicher bist, dass er gewinnt, dass man ihm glaubt, warum bist du dann gekommen? Warum?«

Das trifft genau ins Schwarze.

»Du bist ein Schwächling, du stehst das nicht durch. Du wirst schon sehen: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

»Ja«, sage ich brüchig, »ich bin schwach. Vielleicht sterbe ich, du möchtest es wohl gern, wie?«

Sie sieht mich mit ihren Katzenaugen an. Dann ist sie fort.

7 Heimat-Romane um Liebe  in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019

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