Читать книгу 7 Heimat-Romane um Liebe in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019 - A. F. Morland - Страница 15
8
ОглавлениеWas ich jetzt schildere, das habe ich erst viel später erfahren. Aber ich erzähle es jetzt schon, damit man den Handlungsablauf besser verstehen kann.
Wir Eingeschlossenen haben auf Diane gesetzt. Sie musste Hilfe herbeiholen, den Männern im Dorf sagen, wir wären nicht zurückgekommen. Die Bergwacht wäre sofort aufgebrochen. Ich kenne meine Landsleute. Nichts hätte sie zurückgeschreckt. Und wäre alles nach unseren Vorstellungen verlaufen, so wären wir auch nach Stunden gefunden worden. Ja, später sagt man es mir. Viel, viel später.
Und warum wurden wir nicht gefunden? Weil Diane nicht da war! Kaum, dass wir am Morgen die Gondel bestiegen hatten und ihren Blicken entschwunden waren, hatte sie den Wagen genommen und war damit nach Innsbruck gefahren. Sie wollte mal wieder etwas erleben. In einer guten Autostunde war sie dort. Diane wollte zum Abend wieder in Hintertux sein, das hieß, bevor wir unten waren. Der Vater sollte nichts davon merken. Er wurde immer wild, wenn sie das Auto ohne sein Einverständnis nahm.
In Innsbruck war es schön und aufregend. Sie lernte einen jungen Mann kennen. Die beiden gingen nicht nur gemeinsam essen und bummeln. Plötzlich hatte sie alles andere vergessen. Sie besuchten ein Kino und später noch ein Tanzcafe.
Es war schon recht spät, als sie sich mit vielen Gewissensbissen auf den Heimweg machte. Vorsichtig betrat sie das Hotel, und da sie uns nirgends sah, glaubte sie, wir wären von der Gletscherwanderung so müde, dass wir uns zur Ruhe begeben hätten. Froh, dass sie heute nicht ausgeschimpft werden konnte, amüsierte sie sich mit zwei neu angekommenen jungen Männern.
Einmal fragte Marianne Hof sie nach Viktor. Aber sie zog nur hochmütig die Schultern in die Höhe und sagte: »Bin ich sein Kindermädchen?« Als sie den erstaunten Blick daraufhin gewahrte, setzte sie etwas unsicher werdend hinzu:
»Schlafen wird er halt! War mit meinem Vater auf Gletschertour.«
Sie durchtanzte die Nacht, kam als letzte ins Bett und schlief sehr lange. Außerdem wollte sie dem Vater nicht so früh unter die Augen treten. Es war schon bald elf Uhr, als ein Kellner ihr ausrichtete, da wäre ein Gespräch aus Hamburg, ob sie ihm sagen könnte, wo er ihren Herrn Vater finden könne.
»Ist er denn noch nicht unten gewesen?«
»Nein.«
»So gehen Sie zu ihm rauf!«, murrte sie.
»Wir haben über das Haustelefon versucht, Ihren Vater zu wecken, Fräulein Ackermann. Aber er meldet sich nicht.«
Nun bekam sie doch einen kleinen Schrecken. Der Vater war morgens nie spät aufgestanden.
So will ich doch mal nachsehen, was er macht. Vielleicht sitzt er in der Badewanne und hat das Telefon nicht gehört, beruhigte sie sich selbst.
Doch als sie sein Zimmer betrat, sah sie sofort das unberührte Bett. Nirgends auch nur ein Anzeichen, dass er die Nacht in diesem Zimmer verbracht hatte.
Der Kellner sah sie fragend an.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Diane erschrocken. »Wieso ist er nicht hier?«
»Herr Hofstätter ist auch noch nicht gesehen worden.«
»Wann haben Sie die beiden zuletzt gesehen?«, wollte nun Diane wissen.
»Warten Sie mal, das war gestern morgen beim Frühstück. Seitdem nicht mehr.«
Jetzt wurde sie doch sehr, sehr unruhig.
»Das gibt es doch nicht! Mein Vater kommt immer zurück. Mit dem Wagen konnte er doch auch nicht fort.« Sie hielt ein Selbstgespräch.
»Wohin wollte er denn? Ich meine, Ihr Herr Vater und der junge Herr Hofstätter?«
»Gestern sind sie rauf gefahren. Sie wollten eine Gletscherwanderung unternehmen.«
»Und Sie haben Sie noch nicht wiedergesehen?«
»Nein«, sagte sie etwas unsicher. »Ich dachte doch, sie wären müde und würden schlafen.«
»Mädchen, Sie sind wohl völlig naiv, was? Wussten als einzige, wohin die beiden gingen und haben uns nicht gemeldet, dass sie überfällig waren? Ja, in Teufels Namen, man sollte Sie ...«, fluchte der Kellner.
»Welchen Ton erlauben Sie sich mir gegenüber!«, schimpfte sie nun auch los.
»Rücksichtslos, nennt man so was!«, sagte er weiter. »Warum haben Sie es nicht gleich gemeldet!«
»Weil ich nicht hier war. Ich habe es schon einmal gesagt. Und mit Ihnen rede ich gar nicht mehr!«, rief sie mit erhitztem Gesicht.
»Sie werden noch ganz anders reden«, sagte er böse, packte sie am Arm und schleppte sie ins Hotelbüro. Dort gab er kurz an, was er wusste.
Sofort entstand eine große Aufregung. Von allen Seiten regnete es nur Vorwürfe auf sie herab. Diane hatte sich noch nie so elend gefühlt. Jetzt nützte nicht ihr Aussehen, noch ihr Charme.
Alle in Frage kommenden Berg und Gletscherhütten wurden angerufen. Aber niemand hatte die beiden gesehen. Nur zwei Skifahrer wussten so ungefähr die Richtung anzugeben, in die sie gewandert waren.
»Wenn da ein Unglück geschehen ist, wird es uns alle Gäste vergraulen!«, schimpfte der Eigentümer des Hotels. »Sakra, dem Mädchen sollte man das Fell über die Ohren ziehen!«
Von Innsbruck wurde ein Hubschrauber angefordert. Ein Suchtrupp von guten Bergsteigern wurde zusammengestellt und hinaufgeschickt. Natürlich konnte man es jetzt nicht mehr geheim halten. Alle Gäste standen auf der Hotelterrasse und verfolgten mit ihren Ferngläsern die Männer.
Marinne Hof stand auch da und war blass. Diane fühlte sich furchtbar. Kein gutes Wort, nur Vorwürfe. Und wenn der Vater wirklich umgekommen war? Du lieber Himmel!
Doch plötzlich fiel ihr ein, Viktor war ja eigens als Führer eingestellt worden. Ihm musste man die Schuld geben, ihm allein. Und sofort begann sie, allen denen, die es hören wollten, zu erzählen, dass, wenn ein Unglück geschehen sei, dies nur der Hofstätter zu verantworten habe.
»Mein Vater hat ihn extra eingestellt und ihm Geld dafür gegeben. Wenn einer davon nichts versteht, ist es doch gemein, dass er diesen Job annimmt, nicht wahr? Und jetzt ist mein Vater vielleicht schon tot!« Und sie drückte sich ein paar Tränen heraus.
Fräulein Hof, die in ihrer unmittelbaren Nähe stand, sagte: »Das ist so gemein, was Sie da sagen. Ich glaube nicht, dass Herrn Hofstätter irgendeine Schuld trifft. Und ich warne Sie, wenn Sie Lügen verbreiten, werde ich nicht tatenlos zusehen. Darauf können Sie gefasst sein.«
Diane wurde dunkelrot. Doch dann hatte sie sich wieder gefasst und sagte mit ätzenden Worten: »Sie, Sie, meinen Sie nicht, ich hätte nicht bemerkt, wie Sie ihn angehimmelt haben? Sie sind hinter ihm her! Aber er mag Sie nicht, hat sich nicht einen Deut um Sie gekümmert!«
»Ja, ich liebe ihn«, sagte sie ruhig.
»Das stimmt, da haben Sie vollkommen recht. Und er ist ein wunderbarer Mensch. Sie haben ihn nur verblendet, ihm Liebe vorgegaukelt, die nicht da ist. Und jetzt sind Sie so gemein. Sie wissen noch gar nicht, was passiert ist, und schon bewerfen Sie ihn mit Schmutz.«
»Hauen Sie doch endlich ab! Wieso unterhalte ich mit überhaupt mit Ihnen!«, schimpfte Diane. »Machen Sie, dass Sie weiterkommen! Ich schenke Ihnen den Kerl! Ja, mit Kusshand können Sie den Einfaltspinsel bekommen! «
Marianne drehte sich um und ging ins Hotel zurück. Aber sie konnte nicht verhindern, dass Dianes Worte sich verbreiteten. Es gibt immer Menschen, die neidisch sind und sich freuen, wenn es einem anderen schlecht ergeht. Bald wurde die ganze Geschichte furchtbar aufgebauscht.
Eines hatte sie damit ganz gewiss erreicht: Sie selbst wurde nicht mehr ausgeschimpft. Über allem vergaß man sie ganz. Und sie war zufrieden. Lässig lag sie im Liegestuhl, sonnte sich und wartete auf die Dinge, die da kommen mussten.
Was konnte ihr denn schon groß passieren? Wenn der Vater wirklich tot war, würde sie alles erben. Keiner würde ihr mehr Vorhaltungen machen, wenn sie mal verschwenderisch mit dem Geld umging, und keinen guten Lebenswandel führte, wie der Vater es nun einmal gern sah.
Er hatte sich nämlich in den Kopf gesetzt, dass sie einen jungen Mann aus vornehmer Hamburger Familie heiratet.
Aber wie gesagt, dies und vieles mehr erfuhr ich erst viel später.