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Am Frühstückstisch sind wir wieder vereint. Diane ist ein wenig still und wartet darauf, dass ich beginne. Leo tut, als merke er nichts von unserer Verstimmung, er ist wie ein Bergsteiger angezogen, und sein Rucksack ist arg geschwollen. Mit anderen Worten, ich muss mich mit diesem Gepäck abplagen.

»Wir sind am Nachmittag wieder unten, Diane«, sagt Leo. »Was wirst du inzwischen tun?«

Sie zuckt die Schultern. »Weiß ich noch nicht. Erst Karten an meine Freundinnen schreiben. Ich krieg die Zeit schon tot.«

Dabei meidet sie meinen Blick. Spürt sie denn nicht, wie sehr ich mich freuen würde, wenn sie mitkäme? Aber ich schweige. Betteln will ich nicht.

Dann machen wir uns an den Aufbruch. Wie gesagt, ich darf den schweren Rucksack schleppen. An den Gletschergondeln ist noch nicht viel los.

»Wo solls denn hingehen?«, fragt uns der Bergwart munter.

»Rauf, eine Gletscherwanderung«, sage ich.

»Aha. Na, dann viel Spaß. Ich glaub, oben liegt frischer Schnee. Musst halt ein bissel aufpassen, Viktor.«

»Geh ja nicht das erste Mal rauf«, sage ich und steige ein.

»Wann seid ihr denn wieder unten? Weißt doch, die letzte Gondel fährt um vier ab.«

»Werden wir schon nicht verpassen, Lois. Heut Abend ist ja wieder Tanz, und den möcht ich nicht verpassen.« Und ich lache herzlich auf.

Während wir mit der Gondel hinauffahren, wir sind ganz allein, und Leo pafft seine Zigarre, fragt er mich, wieso ich denn aufpassen müsste.

»Das ist so: Wenn frischer Schnee gefallen ist, sieht alles gleich aus, aber unter der Schneedecke sind breite Gletscherspalten, und die sind nicht ungefährlich.«

»Aha«, brummt er gelangweilt. »Na ja, bist ja ein guter Führer. Umsonst geb ich mein Geld nicht aus.«

Ich schaue ins Tal hinab. Die Häuser werden immer kleiner. Jetzt sind sie nur noch kleine Punkte. Ich frage mich, was Diane jetzt wohl macht. Vielleicht steht sie am Fenster und schaut zur Frauenwand hinauf. Dort ist unsere erste Station. Hier liegen noch nicht viele Gletscher. Wir verlassen den Lift, ich schultere den Rucksack.

»Es liegt tatsächlich frischer Schnee«, sage ich und prüfe wie viel am Boden liegt.

Leo Ackermann, der gewichtige Fabrikant aus Hamburg, steht da und schaut sich um. Hier oben verstummen alle hässlichen Gefühle. Mir ist jedenfalls so zumute. Hier oben fühlt man sich dem Himmel ein Stück näher.

Er holt tief Luft und sagt »Schön.« Mehr nicht.

Er hat eben auch noch das Gefühl in sich, denke ich unwillkürlich. Und dann marschiere ich los. Immer weiter und weiter wandern wir über die Gletscher. Vorbei an Gletscherbrüchen, die oft recht seltsame Gestalten angenommen haben. In der Sonne wirken sie fast durchsichtig. Und einmal stehen wir auch an einer breiten Spalte. Von unten kommt kalte Luft herauf und schlägt uns ins Gesicht.

Wir sind ganz allein, und es ist wunderschön. Plötzlich habe ich alles abgestreift. Für Minuten vergesse ich meine Liebe, meine Sehnsucht und die Sucht, das Leben nicht zu verpassen. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, und bis jetzt habe ich nur Arbeit und Lernen gekannt. Einmal muss doch auch für mich das wirkliche Leben beginnen. So denke ich oft, aber nicht in diesem Augenblick. Ich sehe nur die Schöpfung, und die ist großartig, macht mich stumm und ehrfürchtig.

Hinter den spitzzackigen Gipfeln liegt Tirol. Heute ist eine wunderbare Sicht! Zauberhaft schön!

»Machen wir weiter?«

Leo bringt mich auf die Erde zurück. Ihn habe ich auch vergessen.

»Ja«, sage ich zögernd.

Vor uns türmt sich ein Gebirge aus Kristallen. Es schimmert bläulich grün. Leo stapft vor mir her. Damit wir uns nicht verlieren, haben wir uns angeseilt. Das ist auch Vorschrift. Lose hängt das Seil zwischen uns. Er geht rasch. Ich bin noch immer in Gedanken. Aber plötzlich höre ich ein seltsames Geräusch. Sofort bleibe ich stehen und lausche.

»Bleiben Sie stehen!«, rufe ich Leo zu.

Er grunzt und wendet sich unwillig um. »Warum? Ich will die komischen Figuren da hinten fotografieren. Schließlich sollen sie in Hamburg sehen, wo ich war!«

»Nein, das geht nicht.«

»Wie?« Er sieht mich böse an. »Warum nicht?« Sein Gesicht rötet sich.

»Ich weiß nicht«, sage ich. »Ich glaube, hier sind Spalten.«

»Ach, Sie glauben das nur?« Er lacht dröhnend. »Sie wollen sich wohl wichtig machen? Nun schön, ich weiß, dass Sie ein guter Führer sind. Aber das mit Spalten ... Ich seh hier nur eine weiße Fläche. Vorhin, ja da hab ich sie mit eigenen Augen gesehen.«

Wir sind sehr weit gewandert. Bis hierher kommen gewöhnlich keine Touristen. Aber ich bin ein Kind der Berge. Schmale Spalten werden oft mit einer ganz dünnen Schnee und Eisschicht bedeckt. Dann kann man sie nicht mehr von ihrer üblichen Umgebung unterscheiden.

Leo stapft schon wieder los. Er will fotografieren. Natürlich sind die gezackten Säulen wunderschön anzusehen. Und besonders, als in diesem Augenblick die Sonne dahintersteht.

Das Seil strafft sich. Zögernd gehe ich ein paar Schritte mit, aber wieder ist so ein eigenartiger Ton in der Luft. Es hört sich an, als zerbreche Glas. Und dann... Ach, ich weiß nicht mehr, hat es nur Sekunden oder eine Ewigkeit gedauert? Plötzlich wirft der dicke Mann vor mir die Arme in die Luft. Er schreit auf, dass es von den Bergen zurückhallt. Er taumelt und will sich halten. Das Seil ist zum Zerreißen gespannt. Und jetzt weiß ich: Er ist eingebrochen. Meine Vermutung war also richtig. Ich habe mich nicht getäuscht. Dann geht alles furchtbar schnell. Er ist größer und viel, viel schwerer als ich. Er sinkt in die Tiefe. Ich stemme mich im letzten Augenblick in den harten Gletscherschnee, aber ich werde wie eine Feder weggeschleudert. Nirgends ist für mich ein Halt. Und ich werde mit in die Tiefe gezogen. Schon sehe ich den gezackten Rand.

Ich stürze! An der Wand entlangrutschend, stürze ich hinter Leo in die Tiefe. Polternd kommt noch eine Schneeladung hinter mir her. Aber sie ist pulverig und erstickt mich nicht. Ich rudere mit den Armen. Der Rucksack ist furchtbar schwer; ich schnalle ihn los, rutsche das letzte Stück hinunter, und dann sehe ich auch Leo. Er ist auf den Bauch gefallen.

7 Heimat-Romane um Liebe  in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019

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