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Ich muss ziemlich weit ausholen, damit er die ganze Tragik versteht. So liege ich in meinem Bett und lasse die Gedanken zurücklaufen, immer schneller und schneller. Mir ist, als fiele ich selbst in die Vergangenheit der letzten Wochen zurück. Ja, ich erlebe es so intensiv, dass ich sogar die Wärme wieder spüre, die auf meiner Haut liegt.

Ich komme aus Innsbruck. Dort studiere ich Soziologie. Drei Monate Semesterferien. Mein Studium muss ich mir selbst verdienen. Die Eltern leben nicht mehr. Ich habe nur noch die Tante Therese, die in Aschau eine kleine Frühstückspension unterhält. Grad so viel, wie sie selbst bewirtschaften kann, aber auch genug, um damit ihr Leben zu fristen. Aschau liegt im Zillertal, zwischen hohen Bergen eingebettet, nicht weit von Zell am Ziller entfernt.

Zwei Monate habe ich in Innsbruck in einer Ziegelei gearbeitet. Den letzten Monat will ich mich ein wenig erholen und dabei meine Bücher aufarbeiten.

Ach, hätte ich damals geahnt, was auf mich zukommen würde, ich wäre gewiss in Innsbruck geblieben und hätte weiter Steine geschleppt.

Die Sonne brennt vom Himmel, und ich mache mich auf Schusters Rappen. Um diese Zeit sind immer viele Urlauber unterwegs, und so hoffe ich, ein Stück mitgenommen zu werden. Die Bahnfahrt wollte ich mir sparen. Sie hätte nämlich ein zu großes Loch in meine karge Kasse gerissen. Und ich bekomme auch eine Gelegenheit. Wir fahren über die Inntal Autobahn, und ich mache zum Dank den Reiseführer und erkläre den Leuten vom Auto aus die Burgen und anderen Sehenswürdigkeiten.

In Wiesing, dem Autobahnkreuz, verlasse ich sie. Wenn ich mich gut zu Fuß halte, würde ich in ein bis zwei Stunden bei meiner Tante sein. Ich packe meinen Rucksack und tippel los. Ich freue mich schon auf die freien Tage. Ich will nur in der Sonne liegen, Tourist spielen und mich von Tantchen verwöhnen lassen. Ja, ich sehe schon alles ganz deutlich vor mir. Sogar die urgemütliche Giebelstube, in der ich immer wohne, wenn ich bei der Tante bin.

Aber wie gesagt, es soll sich alles ändern. Und ich Schaf halte mich auch noch für den glücklichsten Menschen der Welt.

Ich nehme eine kleine, schmale Straße entlang der Ziller, so brauche ich nicht die Auspuffgase auf der Hauptstraße einzuatmen. Es ist mehr ein Bauernweg. Kurz vor Har stoße ich in einer Kurve auf einen pompösen Superwagen. Ich pfeife durch die Lippen. Donnerwetter, so etwas müsste man besitzen! Jedes Mädchen würde sich den Hals ausrenken. Der Chrom blendet mich förmlich, und so dauert es ein Weilchen, bis ich den dicken Herrn mit der qualmenden Zigarre bemerke.

»Grüß Gott«, sage ich höflich.

»Himmel, endlich kommt einer! Und ich dachte schon, ich müsst bis nächstes Jahr warten«, knurrt er mich an.

Ich bin verdutzt.

»Wie bitte?«, sage ich.

Aber dann bleibt mir der Mund offen stehen, denn jetzt bemerkte ich erst das Mädchen. Noch nie habe ich eine so vollkommene Schönheit gesehen. Zart, aber rassig gebaut, mit blauen Augen und dann erst die Haare! Sonnengelb. Sie entzünden mein Herz auf der Stelle. Sie sieht mich herausfordernd an. Als sie meinen Blick bemerkt, lacht sie perlend. Und ich werde knallrot. Stotternt will ich etwas sagen, aber da legt der dicke Kerl seine Pranke auf meine rechte Schulter und fragt mich: »Können Sie ein Autorad wechseln?«

Ich befinde mich noch immer im siebten Himmel und sage deswegen ganz gedankenlos: »Warum denn?«

»Weil es platt wie eine Wanze ist. Glauben Sie, ich stehe hier aus lauter Freude herum?«

Ich reiße meinen Blick von der Schönen und betrachte mir den Mann näher. Teufel, denke ich bei mir, wenn das nun der Ehemann ist, dann kriege ich noch Ärger. Aber so recht kann ich mir das nicht vorstellen. Er ist scheußlich dick und auch nicht mehr der Jüngste. Aber dass er reich ist, sieht man durch jedes Knopfloch.

»Ich dachte, Sie würden sich die Gegend ansehen«, sage ich schnell.

Er schnauft wie eine alte Dampflok.

»Wir wollen nach Hintertux. Und wenn das verdammte Rad nicht geplatzt wäre, säßen wir schon längst im kühlen Hotel und würden ein anständiges Mittagessen einnehmen. Junger Mann, wieso kommt hier keiner vorbei? Ist das hier wirklich so verdammt einsam?«

»Nein!«, lache ich. »Aber warum haben Sie denn nicht die Hauptstraße genommen? Sie ist gut ausgebaut und breit. Dort rauscht es nur so von Autos. Dort hätten Sie nur eine Sekunde stehenbleiben müssen, und sofort hätte sich ein Stau gebildet.«

»Siehst du, Papi«, flötet das Engelswesen, »ich habe dir ja gleich gesagt, dass wir hier falsch sind. Aber du glaubst mir ja nie.« Sie macht einen entzückenden Schmollmund.

Ich schätze sie auf neunzehn. Viel später weiß ich, dass sie fünfundzwanzig Jahre alt ist.

»In der Tat, Sie haben sich wirklich verfahren«, sage ich und lächle dem Mädchen zu.

Der Dicke flucht, wischt sich den Schweiß ab und holt dann erst mal einen Flachmann aus der Innentasche seiner Jacke und nimmt einen gewaltigen Schluck. Dann bietet er ihn mir an. Aber ich lehne ab. Schnaps am Mittag, und dann noch bei dieser Hitze, na, er muss ja wissen, was er seinem Herzen zutrauen darf.

»Selbstverständlich wechsle ich Ihnen das Rad«, sage ich, aber nicht, weil ich ein ausgemacht höflicher und zuvorkommender Mensch bin, sondern weil das Mädchen mich wie ein Magnet festhält. In Hintertux also wollen sie absteigen.Teufel, das ist von Aschau ein ganz hübsches Stück entfernt. Aber irgendwie werde ich es schon schaffen, hinzukommen, um sie wiederzusehen.

Sie geben mir eine alte Decke, ich knie mich auf den Boden und bocke den Superschlitten hoch. Natürlich mache ich alles sehr gründlich, um Zeit zu gewinnen.

Der Dicke stellt sich jetzt als Leo Ackermann aus Hamburg vor. Er ist Fabrikant. Bald fragt er mich aus. Wahrscheinlich nur aus Langeweile, um sich die Zeit zu vertreiben.

So wissen sie bald meinen Namen, Viktor Hofstätter, und dass ich Student bin. So nebenbei lasse ich einfließen, dass ich mir mein Studium selbst verdiene.

»Junger Mann, Sie werden es noch zu was bringen«, sagt er lobend. »Ich halte viel davon. Nur nicht unterkriegen lassen, immer alles bei den Hörnern packen und nicht mehr loslassen. Das ist meine Devise. Sie müssen wissen, ich habe auch mal ganz unten angefangen, und jetzt, sehen Sie mich an, ich habe es geschafft, ich stehe ganz oben. Und wenn Leo Ackermann etwas sagt, dann hört man auf ihn, so ist das!«

Im stillen denke ich: Also packe ich das Mädchen bei den Hörnern und halte es fest. Ihre Augen haben die Wirkung von Gewehrkugeln; ständig schießen sie tiefe Löcher in mein verliebtes Herz.

»Herr Hofstätter, Sie sagten eben, Sie kämen aus dieser Gegend. Wir wollen vierzehn Tage in Hintertux bleiben. Der Arzt hat mir Ruhe verordnet. Sagen Sie mal, junger Mann, von dort aus kann man doch schon die Gletscher sehen?«

»Ja, sogar vom Hotelfenster aus. Wenn Sie wollen, können Sie sogar im Sommer Ski laufen.«

»Wirklich?«, jubelt die junge Dame und sieht mich wieder eigenartig an.

»Gewiss.«

»Ich habe mehr an Wanderungen gedacht. Gletscher und so. Vielleicht auch eine kleine Bergtour, wenn sie nicht zu anstrengend ist.«

Ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Wie stellt er sich das vor? Mit seinem Bierbauch?

»Wissen Sie nicht zufällig einen verlässlichen Führer, der sich um meine Tochter kümmern könnte? Sie ist nämlich so übermütig und braucht einen Aufpasser. Freie Kost und ein hübsches Handgeld verstehen sich von selbst. Sagen wir, zweihundert pro Woche?«

Der Schädel braust mir. War das nicht ein Fingerzeig vom Himmel? In ihrer Nähe bleiben dürfen! Vielleicht würde sie sich in mich verlieben, und ich könnte sie für immer gewinnen?

Mein Gott, ich habe einen Blutdruck wie noch nie.

»Ich wüsste schon jemanden«, sage ich mit belegter Stimme.

»Ja, das ist wunderbar.«

»Ich selbst würde gern diesen Posten übernehmen. Im Augenblick habe ich nichts Besonderes vor.«

»Was meinst du, Diane, sollen wir ihn nehmen?« Er zwinkerte ihr zu.

Sie sieht mich skeptisch an. Dann nickt sie etwas hochmütig.

»Warum nicht? Sind sie nicht alle gleich? Von mir aus.«

Er quetscht meine rechte Schulter zusammen. »Also, junger Mann, dann sind Sie hiermit bei Leo Ackermann als Bergführer eingestellt.«

»Und Skilehrer«, sagte Diane.

»Selbstverständlich«, erwiderte ich und packe die Sachen zusammen.

»Sie fahren sofort mit?«

»Da ist noch eine Kleinigkeit zu regeln. Ich muss meiner Tante Bescheid sagen. Wir kommen sowieso durch Aschau. Es ist kein Umweg.«

»Gut, steigen Sie ein. Mit Ihnen im Wagen werden wir uns hoffentlich nicht mehr verfahren.«

Das Verdeck ist zurückgeschlagen. Ihr Haar weht im Wind. Ich sehe ihr Profil. Mein Blut perlt wie Sekt. Wie kann sie nur so ruhig dasitzen, denke ich verzweifel. Merkt sie denn nicht, wie mein Herz in Flammen steht?

In Aschau tröste ich meine Tante. Den Rest von vierzehn Tagen will ich aber ganz bestimmt zu ihr kommen. Sie winkt mir zu, und ich steige wieder in den Wagen.

Herr Ackermann versteht nichts von Autos. Er wählt die Gänge, wie es ihm gefällt. Es knackt und kracht im Getriebe. Mir gefriert das Blut in den Adern.

Natürlich haben sie sich im besten und teuersten Hotel eingemietet. Leo muss jedem zeigen, wie reich er ist. Sein Reichtum hindert ihn aber nicht daran, für mich das kleinste und schäbigste Zimmer zu mieten. Auch gibt er mir zu verstehen, dass ich nicht mit an ihrem Tisch sitzen soll.

Meine, Wangenmuskeln werden steif. Für einen Augenblick möchte ich ausspucken. Aber dann sehe ich Dianes Augen und schlucke meinen Ärger hinunter. Ich darf sogar ihre Koffer nach oben bringen. Zum ersten Mal sind wir allein.

»Sie dürfen meinem Vater nicht böse sein«, sagt sie mit ihrer klingenden Stimme. »Er ist ein roher Klotz, meint es aber nicht so, Herr Hofstätter.«

Ich möchte ihr die Hände küssen. Tue es natürlich nicht.

»Schon vergessen«, murmle ich.

Und ich denke: Sie ist nicht nur ein schönes Mädchen, sondern auch ein Mädchen mit Herz.

Dann ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück und mache mich frisch. Während ich mich rasiere, betrachte ich mich im Spiegel. Übel sehe ich wirklich nicht aus: braungebrannt, markantes Gesicht, gute Zähne, hohe Figur, kein Gramm Fett zu viel. Sportlich durchtrainiert. Und tanzen kann ich auch. Und soweit ich gemerkt habe, soll man sich auch mit mir unterhalten können. Außerdem besitze ich eine Menge Humor.

Ich bin verliebt. Scheußliches Gefühl. Vor allem, wenn man weiß, dass der andere nichts merkt. Schnell bin ich fertig und gehe wieder nach unten. Diane ist noch nicht da. Hier ist alles teuer und vornehm. Noch nie habe ich in so einem schönen Hotel wohnen dürfen. Es macht wirklich Spaß, sich alles leisten zu können.

»Möchten der Herr vielleicht unsere Bar aufsuchen?«, werde ich von einem Angestellten munter gefragt.

Ich runzle die Stirn. Doch dann fällt mir ein, dass ich zweihundert pro Woche ausgeben kann. Damit habe ich nicht gerechnet.

Ich nicke kühl, schlendere durch den Felsengang und bleibe dann erst mal am Ausgang stehen. Das Herz klopft mir bis in den Hals. Zuerst muss ich mal die Preise sichten, das ist wichtig. Und dann tue ich einfach so, als käme ich aus Langeweile, könnte aber Alkohol in großen Mengen leider nicht vertragen.

In einer romantischen Nische sitzt ein Ehepaar mit seiner Tochter. Sie ist an die siebzehn, schätze ich. Sie hat aschblondes Haar und wirkt farblos. Ihr Blick kreuzt sich mit dem meinen. Sie errötet. Ich schmunzle in mich hinein. Sieh mal an, denke ich amüsiert, ich wirke also auf Frauen. Bei meiner Schufterei in Innsbruck ist mir das gar nicht aufgefallen. Ich trage einen Trachtenanzug, und der ist in Österreich überall erlaubt. Frack wirkt lächerlich. Und ich bin froh, dass ich nicht in Wien bin, denn da muss man ganz anders handeln, um zu wirken.

Ich setze mich auf einen leeren Barhocker und beginne ein Gespräch mit dem Kellner.

»Was können Sie mir empfehlen? Aber etwas leichtes bitte. Mein Arzt hat mir Alkohol verboten. Doch ich bin der Ansicht, man soll Verbote auch mal übertreten.«

Er grinst mich an. Ist also auf den Leim gegangen. »Würde ich aber nicht tun. Ich rate zu einem Martini, der ist leicht und richtet keinen Schaden an.«

»Dann bringen Sie mir mal das Zeug. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie das schmeckt.« Das ist wahr.

Hinter mir füllt sich die Bar. Aber es sind meistens Ehepaare oder Verliebte. Einzelgänger gibt es wenige. Und die kommen nur, um ihre Ruhe zu genießen. Das macht mich froh, so brauche ich keinen Rivalen zu bekämpfen. Komisch, denke ich, jetzt denke ich schon so, und dabei weiß ich noch nicht einmal, ob sie sich etwas aus mir macht.

Und dann kommt Diane. Sie steht in der Tür. Das Mädchen versteht es wirklich, alles auf sich aufmerksam zu machen. Einen Augenblick denke ich: Das hat sie bestimmt in Hamburg geübt. Sie lächelt strahlend, und die kleine Blonde in der Nische wird weiß. Diane blickte sich um, dann sieht sie mich und kommt mit wiegenden Hüften zu mir. Das Herz will mir in die Hose rutschen.

»Hallo, Herr Hofstätter, darf ich mich zu Ihnen setzen?« Ihre Stimme ist jetzt tiefdunkel und samtig.

Ich springe von meinem Hocker und schiebe ihr einen zurecht.

»Aber sicher doch! Wie mich das freut«, stottere ich.

Sie lächelt mich strahlend an. In ihren Augen liegt ein Flimmern, das mich fast wahnsinnig macht.

Ich weiß nicht, dass Diane sich nur zu mir gesetzt hat, weil es sonst keine andere Möglichkeit gibt. Alle Tischchen sind besetzt, und sonst scheint kein Herr den Mut aufzubringen, sich um sie zu kümmern. Ich bin nur ihr Ersatzmann, aber das weiß ich natürlich nicht.

Diane ist ganz Weltfrau und weiß sich zu benehmen. Sie hat keine Angst, sich etwas zu bestellen. Und das Gebräu habe ich noch nie beim Namen gehört. Der Kellner mixt vieles zusammen, und nachher sieht es rot wie Blut aus.

Die Bar ist jetzt voll, und auf einmal ist da auch eine Kapelle. Ich habe noch nicht viel mit Diane gesprochen, weil ich einfach nicht weiß, was ich sagen soll.

Sie sieht mich an und fragt: »Sollen wir tanzen«

»O ja!«, sage ich eifrig wie ein kleiner Hund, der apportieren soll.

Sie tanzt ausgezeichnet, und ich kann es auch nicht schlecht. Ich glaube, ohne übertreiben zu müssen, dass wir das schönste Paar in der Bar sind.

Im Spiegel sehe ich uns vorübergleiten, Das giftgrüne, duftige Kleid meiner Begleiterin umhüllt mich. Ich fühle mich im siebten Himmel.

»Warum sagen Sie nichts?«, fragt sie mich lächelnd.

»Was soll ich denn sagen?«

»Sind Sie immer so stumm, wie ein Fisch?«

»Nein«, stoße ich hervor. »Ich bete Sie an!« Nun habe ich es gesagt.

Sie lacht perlend. »Wirklich, Sie müssen es mir glauben. Ich möchte, dass dieser Tanz nie zu Ende geht, Diane. Sie sind wundervoll, die Schönste und Strahlendste hier im Raum. Sie überflügeln alle. Und dass ich mit Ihnen tanzen darf, verwirrt mich so, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll.«

Ist das nicht, den Stier bei den Hörnern packen? Mein Gesicht muss jetzt knallrot sein. Eigentlich wollte ich mich nicht so kopfüber in die Fluten stürzen. Aber es ist plötzlich und ganz von selbst gekommen.

Sie sieht mich heiter an, aber an ihrem Blick sehe ich, dass sie meine Anbetung genießt. Welche Frau hört das nicht gern. Aber ich mache keine Komplimente, ich meine das wirklich so. Und Diane weiß es.

»Sie sind auch sehr nett«, sagt sie heiter und lacht dann wieder perlend.

»Ja?«, sage ich eifrig. »Oh, Sie machen mich zum glücklichsten Menschen der Welt.«

Da sehe ich Leo in der Tür stehen. Er hat eine dicke Zigarre zwischen den Fingern und sucht seine Tochter. Als er sie bei mir entdeckt, macht er ein mürrisches Gesicht und kommt auf uns zu.

»Hör, Diane, ich sitze in der Halle und langweile mich zu Tode! Hast du mir nicht versprochen, dich um mich zu kümmern?«

»Ja, Vater«, sagt sie heiter. »Wollen wir zusammen tanzen?«

Ich muss sie loslassen. Während ich mich traurig durch die Tanzenden zwänge, hörte ich ihn sagen:

»Was machst du nur für Sachen? Hör zu, das ist nur ein kleiner Fisch; wirf dich nicht weg. Außerdem vergiss nicht, er steht in unseren Diensten, wird bezahlt. Du brauchst überhaupt nicht nett zu ihm sein.«

Was Diane darauf entgegnet, hörte ich nicht mehr. Mir ist elend zumute. Ja, zum Teufel, denke ich wütend, wer ist er denn, dass er sich so etwas erlauben darf? Die alten Zeiten sind vorbei. Personal kann man nicht mehr irgendwo in eine Ecke schieben, und es hervorholen, wenn man seiner bedarf. Wieder einmal bin ich so wütend, dass ich am liebsten meinen Job aufgegeben hätte. Aber gleich wird mir siedendheiß, weil mir einfällt, dass ich sie dann nicht mehr wiedersehen kann.

Trübsinnig hänge ich an der Bar und weiß nicht, was ich tun soll. Fortgehen? Mich in mein Zimmer verkriechen? Diane sitzt mit ihrem Vater in einer Nische. Neben mir sitzt plötzlich die kleine Blonde. Sie sieht mich schüchtern lächelnd an. Wenn ich hier sitzenbleibe, muss ich mir was zu trinken bestellen. Und dies ist doch der erste Abend! Ich muss mit meinem Geld haushalten. So bleibt mir nichts anderes übrig, als wieder zu tanzen. Wenn ich es mit Diane nicht darf, nun denn, fragen wir mal das kleine Mädchen. Die Eltern haben nichts einzuwenden, und sie sieht mich strahlend an. Während des Tanzes himmelt sie mich an. Das hebt ein wenig meine Stimmung, und ich bin nett zu ihr.

Und sie ist auch nicht mal dumm; im Gegenteil. Ich erfahre auch ihr Alter. Sie ist nicht siebzehn, so sieht sie nur aus, in Wirklichkeit ist sie zweiundzwanzig und an irgendeiner Zeitung als Volontärin angestellt. Ihr Traum ist es, Reporterin zu werden. Und ich denke mir: Du liebe Güte, da muss sie aber ihre Schüchternheit ablegen.

Natürlich bemerkt Diane uns und durchbohrt meinen Rücken. Es macht mich froh. Sie soll ruhig sehen, wie begehrt ich bin. Je höher die Trauben hängen, um so süßer sind sie. Ich gehe nicht zu ihr, denn Leo sitzt als Wächter an ihrer Seite. Wenn sie nicht kommt, nun denn, ich habe netten Ersatz. Nach dem Tanz laden mich ihre Eltern an den Tisch ein. Auch sie sind sehr nett und liebenswert.

Und als Marianne Hof, so heißt die Kleine, einmal hinaus geht, höre ich von der Mutter, dass sie einen schweren Autounfall hatte. Ob ich das Zucken im Gesicht nicht gesehen hätte? Nein, antworte ich wahrheitsgemäß.

Ja, seitdem sei sie so scheu geworden, und deshalb wären sie mit ihr hierher gefahren. Aber ich solle um Gottes willen nicht sagen, dass ich etwas davon weiß. Die Ärzte hätten ihr zwar versichert, diese kleine Lähmung würde mit der Zeit immer weniger, aber sie will nicht daran glauben, hält es für eine barmherzige Lüge. Mir tut das Mädchen schrecklich leid; und ich verspreche gern, mich ein wenig um sie zu kümmern. Wenn ich Diane nicht kennengelernt hätte... Sie ist wirklich ein ganz nettes Mädchen. Als sie wieder zurückkommt und allein quer durch den Raum gehen muss, da sehe ich, wie nervös und schüchtern sie ist, und bemerke das Zucken. Es sieht aus, als würde sie ständig komische Grimassen machen.

An diesem Abend tanze ich nicht mehr mit Diane. Sie ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.

Ich tanze noch dreimal mit Marianne, und wir unterhalten uns dabei über ihren Beruf. Doch dann fühle ich mich müde und verabschiede mich von den Hofs.

7 Heimat-Romane um Liebe  in den Bergen: Bergroman Sammelband 7019

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