Читать книгу Dreimal fachgerecht gemordet: Krimi Großband 3 Romane 10/2021 - Alfred Bekker - Страница 39
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Als wir Jan Dahms' Wohnung erreichten, rollte er gerade den Bürgersteig entlang und war im Begriff, den Hauseingang zu öffnen.
»Herr Jan Dahms?«, fragte Roy.
Er drehte den Rollstuhl herum.
Dann musterte er uns nacheinander und runzelte die Stirn.
»Ja?«
»Ich bin Roy Müller von der Kriminalpolizei - und dies ist mein Kollege Uwe Jörgensen. Wir hätten Ihnen gerne ein paar Fragen gestellt.«
»Fragen?«, echote er, anscheinend um Zeit zu gewinnen. Er sah etwas überrascht aus. Und er hatte eine Alkoholfahne.
Allerdings war er nicht betrunken.
Roy und ich hielten ihm unsere Ausweise unter die Nase.
Er sah sie sich eingehend an.
»Kommen Sie, Herr Dahms, Sie wissen wie diese Dinger aussehen«, sagte Roy.
Er blickte auf.
»Worum geht es?«
»Wir sollten das nicht hier auf der Straße besprechen«, sagte Roy. »Am besten wir gehen zu Ihnen in die Wohnung.«
»Erst möchte ich wissen, worum es geht.«
»Um Ihren Freund.«
»Wen?«
»Kevin Kunze.«
Jan atmete tief durch. »Was ist mit ihm?«
»Er ist tot«, sagte Roy.
Unruhe erfasste Jan Dahms. In seinem Gesicht zuckte ein Muskel. Er hob die Achseln.
»Kommen Sie«, murmelte er dann vor sich hin.
Wir folgten ihm ins Haus. Gemeinsam nahmen wir den Aufzug.
Dann ging es einen Flur entlang, bis wir vor seiner Wohnungstür standen. Jan machte uns auf. Innen herrschte das Chaos.
»Ich habe nicht mit Besuch gerechnet«, meinte Jan dazu.
Er räumte ein paar herumliegende Zeitschriften von den Sesseln und bot uns einen Platz an. Roy setzte sich. Ich verzichtete darauf. Es roch nach Salami und Olivenöl. Ein Stapel mit Pizzaschachteln war offenbar umgestürzt. Jetzt lagen die Dinger auf dem Fußboden verstreut herum.
»Was ist mit Kevin passiert?«, fragte Jan dann.
Ich sah ihn an und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Sie wissen es nicht?«
»Woher denn?«
Ich verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln. »Keine Ahnung!«
»Sie wollen mich hereinlegen, Herr Jörgensen! Aber so leicht geht das bei mir nicht!«
»Habe ich gemerkt.«
»Also! Was ist passiert?«
»Eine Briefbombe, Herr Dahms. Sie hat ihn vor zwei Stunden in seinem Firmenbüro erreicht...«
»Oh«, murmelte Jan. Sein Gesicht blieb maskenhaft. Es war ihm nicht anzusehen, ob er wirklich bewegt war oder nur so zu tun versuchte. Er rollte quer durch den Raum und griff nach einer halbleeren Whiskyflasche, die unverschlossen auf einer Kommode abgestellt war.
Er nahm einen tiefen Zug. So tief, dass jeder, der das mit ansah unwillkürlich ein kratzendes Gefühl im Hals bekommen musste. Aber Jan schien es gewohnt zu sein, solche Mengen in sich hineinzuschütten.
Sein Blick war düster geworden.
»Warum kommen Sie damit zu mir?«, grunzte Jan dann.
»Sie kannten Kevin gut«, erwiderte ich.
»Bin ich der einzige?«
»Nein, das nicht...«
»Waren Sie schon bei seiner Frau?«
»Das macht ein Kollege... Aber eigentlich dachten wir uns das hier so, dass wir die Fragen stellen«, erklärte ich sachlich.
Jan machte eine wegwerfende Handbewegung.
Ich blickte auf eine gusseiserne Schale, die eigentlich für Obst gedacht war. Sie stand auf dem niedrigen Tisch. Jan Dahms schien sie etwas zweckentfremdet zu haben. Sie war innen pechschwarz vor Ruß. Offenbar war dort ein kleines Feuerchen entzündet worden. Ich trat einen Schritt vor und bewegte die halbverkohlten Papierfetzen mit den Fingern hin und her.
Es waren Reste von Zeitungsausschnitten.
»Was hat das hier zu bedeuten?«, fragte ich.
»Hat das was mit Kevins Tod zu tun?«
»Möglicherweise.«
Ich nahm mir einen Ausschnitt. Immerhin waren ein paar Zeilen zu lesen. Ich las nur einen Namen: Maik Sutthoff...
Ich zeigte Jan Dahms den Ausschnitt und deutete auf den Namen. Er schluckte. »Sie haben die Geschichte von damals nie vergessen, nicht wahr?«
»Ah, daher weht der Wind...«
»Sie haben Sutthoff gehasst.«
»Er hat mein Leben ruiniert!«, schrie Jan Dahms im nächsten Moment.
»Er?«, fragte ich. »Nicht der Kerl, der auf Sie geschossen hat? Warum geben Sie Sutthoff die Schuld?«
»Er hätte es verhindern können.«
»Warum hat er es nicht getan?«
Jan atmete tief durch. Dann strich er sich mit einer fahrigen Handbewegung das Haar nach hinten. Sein Gesicht verzog sich wie unter Schmerzen.
»Er hat einen Fehler gemacht... Eine Blockade im Gehirn, was weiß ich! Jedenfalls sitze ich seitdem im Rollstuhl. Und das ist es, was zählt! Was hat das im übrigen mit Kevins Tod zu tun?«
»Er hat sie häufig besucht, nicht wahr?«
»Ja, aber...«
»Warum?«
»Was weiß ich! Ich konnte das nicht leiden, aber er kam trotzdem. Meinte wohl, sich irgendwie verantwortlich fühlen zu müssen.«
»Warum mochten Sie das nicht, wenn er Sie besuchte?«
»Wir sind im selben Alter. Sehen Sie mich an und sehen Sie sich an, was Kunze erreicht hat.« Jörgs Nasenflügel bebten.
»Ich sehe mich dann immer an seiner Stelle... Wenn Maik Sutthoff damals richtig reagiert hätte, hätte ich ein ganz normales Leben führen können!« Er ballte die Hand zur Faust und presste sie mit Wucht gegen die Stirn. Die Augen hatte er zusammengekniffen. »Dieser Gedanke macht mich manchmal ganz krank...«, flüsterte er dann.
Ich wechselte einen Blick mit Roy.
Wir dachten dasselbe. Ich konnte es ihm ansehen.
Dieser Mann hatte sich seelisch nie mit dem abfinden können, was geschehen war.
Jan deutete auf die verkohlten Reste der Zeitungsausschnitte. »Dieses Kapitel ist nun zu Ende«, sagte er dazu. »Das Kapitel Maik Sutthoff. Deshalb habe ich die Zeitungsausschnitte über ihn verbrannt...«
»Was waren das für Ausschnitte?«
»Über das Attentat an Sutthoff. Ich habe alles darüber gelesen. Alles...«
»Wie fühlten Sie sich, als Sie von Maiks Tod erfuhren?«
Er antwortete nicht.
Sein Blick schien ins Nichts gerichtet. Die Gesichtszüge wirkten versteinert.
»Haben Sie meine Frage nicht verstanden?«, fragte ich.
Er blickte auf. »Okay«, sagte er dann. »Ich fühlte mich erleichtert. Ich war froh...«
»Froh?«, echote ich.
»Darüber, dass es offenbar doch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit im Leben gibt. Ich hatte den Glauben daran schon beinahe aufgegeben.«
Jetzt mischte sich Roy ein. »Und jetzt? Sie haben gerade von Kevin Kunzes Tod gehört... Empfinden Sie dasselbe?«
»Lassen Sie mich zufrieden.«
»So einfach geht das nicht«, sagte Roy.
»Ach, nein?«
Ich trat auf ihn zu und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick.
»Drei ehemalige Polizisten eines Reviers sind durch Briefbomben ums Leben gekommen, Herr Dahms. Maik Sutthoff war der erste, dann ein gewisser Robert Jäschke und nun Kevin Kunze... Sie waren auch auf diesem Revier, Dahms.«
»Was wollen Sie damit sagen... Denken Sie, es könnte auch mich erwischen?«
»Warum nicht?«
»Ich dachte, Sie glauben, dass ich der unheimliche Killer bin, der diese Teufelsbriefe auf den Weg schickt...«
»Und?«, hakte ich nach. »Sind Sie es?«
»Egal, was ich jetzt sage, Sie glauben mir doch kein Wort, Herr Jörgensen!«
»Kommt drauf an!«
»Ach, was!«
»Was ist damals geschehen, Herr Dahms. Damals, als Sie alle zusammen auf diesem Revier waren... Jäschke, Sutthoff, Kunze...
Und Sie!«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, behauptete er.
Roy schaute mich an und schüttelte leicht den Kopf.
»Lass gut sein, Uwe.«