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1. Grundsätzliches

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Mittels eines Vorbehalts kann eine Vertragspartei die Geltung einzelner Vertragsbestimmungen für sich ausschließen (Art. 2 Abs. 1 lit. d WVK). Schwierig kann die Abgrenzung von bloßen Interpretationserklärungen sein.[18] Oftmals werden Vorbehalte fälschlich als Erklärungen zu Auslegungsfragen ausgegeben, weil jene im Unterschied zu Vorbehalten ohne Weiteres möglich sind. Hier ist zu ermitteln, ob durch den erklärenden Staat die Grenzen der zulässigen Interpretation überschritten werden. Schließt der Staat gerade etwas aus, was die Norm regeln soll, handelt es sich um einen Vorbehalt, schließt er etwas aus, was die Norm lediglich regeln könnte, liegt eine Interpretationserklärung vor. Eine Interpretationserklärung ist dann wirkungsvoll, wenn die Parteien selbst über die Auslegung des Vertrages entscheiden. Haben sie diese Befugnis einem Vertragsorgan übertragen, wird eine Interpretationserklärung zwar der Auslegung zugrunde zu legen sein; eine Bindung des Vertragsorgans ist aber regelmäßig nicht zu vermuten.

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Ein Vorbehalt muss bereits bei Unterzeichnung, Ratifikation, Beitritt usw. erklärt werden (Art. 2 Abs. 1 lit. d WVK). Eine nachträgliche Einschränkung der Vertragsbindung kommt nicht in Betracht – sie verstieße gegen den Grundsatz pacta sunt servanda. Ein Staat kann jedoch einen Vertrag kündigen und anschließend unter Vorbehalt erneut beitreten.[19]

So wurde am 26. Mai 1998 das Fakultativprotokoll zum IPBPR durch Trinidad und Tobago gekündigt, um am selben Tag unter Vorbehalt wieder beizutreten. Der UN-Menschenrechtsausschuss rügte dieses Verfahren nicht als solches. Wohl aber sah die Ausschussmehrheit in dem Vorbehalt, der die Individualbeschwerde zum Menschenrechtsausschuss für zum Tode verurteilte Strafgefangene ausschließen sollte, aus inhaltlichen Gründen einen unzulässigen Vorbehalt.[20] Am 1. Juli 2011 hat Bolivien das UN-Antidrogenübereinkommen gekündigt, ist ihm aber schon 2012 unter Vorbehalt erneut beigetreten, um das traditionelle Kauen von Koka-Blättern zu schützen.

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Vorbehalte erfüllen den Zweck, multilateralen Vertragswerken einen möglichst großen Beteiligtenkreis zu erschließen. Ein Staat, der mit Zielen und Inhalten eines Abkommens zum größten Teil übereinstimmt und nur einzelne Bestimmungen nicht mittragen will, kann so als Vertragspartei gewonnen werden. Das Ziel einer möglichst großen Beteiligung wird aber um den Preis einer inhaltlichen „Durchlöcherung“ der Vertragsbindung erkauft (Verträge „à la carte“). Bei bilateralen Verträgen gibt es keine Vorbehalte: Soweit einer der Partner „Vorbehalte“ äußert, fehlt es überhaupt am notwendigen Konsens. Die Annahme eines Vertragsangebots unter Abweichungen stellt ein neues Angebot dar.

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