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3. Persistent objector
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Ein Staat, der eine im Entstehen begriffene Gewohnheitsrechtsnorm nicht gegen sich gelten lassen will, muss seine Ablehnung deutlich machen. Dies geschieht durch Protest, der gegebenenfalls wiederholt werden muss. Er ist dann als sog. persistent objector von der neu entstandenen Gewohnheitsrechtsregel ausgenommen. Bei dieser Rechtsfigur ist freilich manches unklar und umstritten.[56] Teilweise wird bestritten, dass es diese Figur überhaupt geben könne; kein Staat dürfe sich auf Dauer gegen den Rest der internationalen Gemeinschaft stellen. Ob sich das Völkerrecht von seinen „westfälischen“ Wurzeln schon so weit entfernt hat, wird man zu diskutieren haben. Auf einem anderen Blatt steht, dass auf tatsächlicher Ebene die politischen Kosten für den „widerständigen“ Staat auf längere Sicht oft zu hoch sind und ein Einlenken stattfindet.[57] Nicht zulässig ist der Widerstand gegen eine etablierte oder sich formierende Regel des zwingenden Völkerrechts. Dies folgt aus dem verfassungsähnlichen Charakter des ius cogens, findet aber auch in der Staatenpraxis einen gewissen Rückhalt.
So wurde Südafrika zur Zeit der Apartheid der Status eines persistent objector nicht zuerkannt, weil das Prinzip der Rassentrennung gegen zwingendes Völkerrecht verstieß. Im Fall Domingues v. USA (2002) hat die Interamerikanische Menschenrechtskommission entgegen der US-Praxis in der Todesstrafe gegen Minderjährige einen Verstoß gegen das universelle ius cogens gesehen.[58] Unter Hinweis auf die gewandelte internationale Praxis und Rechtsüberzeugung erklärte 2005 dann auch der U.S. Supreme Court im Urteil Roper v. Simmons die Verhängung der Todesstrafe gegen minderjährige Täter für verfassungswidrig.[59]
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Unklarheiten bei der Figur des persistent objector beziehen sich auf die Häufigkeit und Frequenz der Proteste. Wie hartnäckig die eigene Position gegen den Rest der Welt vertreten werden muss, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern nur anhand des Einzelfalls beurteilen. Die Rechtsfigur bleibt also insgesamt schemenhaft und vermag eher in der Theorie denn in der Praxis, souveräne Vorbehaltsrechte des Staates gegen einen unerwünschten Wandel des Völkerrechts abzusichern.