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V. Änderung und Modifikation von Verträgen
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Die WVK unterscheidet in den Art. 39 ff zwischen Vertragsänderungen, die alle Parteien eines Vertrages untereinander vereinbaren, und Modifikationen, die nur einen Teil der Parteien eines multilateralen Vertrags betrifft. Solche Modifikationen sind als „Inter-se-Abkommen“ gemäß Art. 41 WVK nur zulässig, wenn der Rechtsstatus der Parteien, die sich an den Änderungen nicht beteiligen, hiervon unberührt bleibt und die Abweichung nicht Ziel und Zweck des Vertrages beeinträchtigt.
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Bei den Vertragsänderungen werden herkömmlich wiederum „Änderungen“ einzelner Vertragsbestimmungen und die „Revision“ eines ganzen Vertragswerks unterschieden. Vertragsänderungen sind nicht selten mit einem erheblichen Aufwand verbunden und politisch schwer durchzusetzen. Das Völkerrecht kennt daher eine Reihe von besonderen Änderungsmechanismen, die zumindest in Teilen Abhilfe schaffen. Eine Möglichkeit besteht in der Ergänzung und Änderung durch Zusatzprotokolle, die gesonderter Ratifikation bedürfen. Sofern sich Änderungen auf institutionelle Strukturen beziehen, ist es notwendig, dass alle Vertragsparteien das Protokoll ratifizieren (so z. B. im Fall der Zusatzprotokolle Nr. 11 und 14 zur EMRK); im Übrigen ist es möglich, dass nur ein Teil der Vertragsparteien auch Partei eines ergänzenden oder ändernden Protokolls wird. Vor allem im Bereich des Umweltvölkerrechts, wo auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse reagiert werden muss, sind für eher technische Fragen z. T. vereinfachte Vertragsanpassungsverfahren vorgesehen (vgl. z. B. Art. 2 Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen). Zudem ermöglichen Rahmenabkommen, sich über die allgemeinen Ziele verbindlich zu einigen und deren Konkretisierung später zu schließenden Protokollen vorzubehalten.[35]
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Insbesondere Gründungsverträge Internationaler Organisationen können vorsehen, dass eine Vertragsänderung durch eine qualifizierte Mehrheit beschlossen werden kann. Für Änderungen der UN-Charta genügt nach Art. 108 eine Mehrheit von zwei Dritteln in der Generalversammlung und die Ratifikation durch zwei Drittel der UN-Mitglieder einschließlich sämtlicher ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.
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Für Vertragsänderungen gilt im Völkerrecht Formfreiheit. Verträge können daher auch mündlich oder stillschweigend durch eine abweichende Praxis geändert werden. Dabei ist es nicht leicht auseinanderzuhalten, ob man es mit einer nach Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK für die Auslegung eines Vertrages relevanten Vertragspraxis oder einer Vertragsfortbildung zu tun hat, die sich zwar noch innerhalb der Ziele und Grundrisse des Vertrages bewegt, aber verschiedentlich Bestimmungen des Ausgangsvertrages abändert.[36] Ob man eine solche Fortbildung methodisch noch als Auslegung nach Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK kategorisiert oder als Ausdruck derogierenden (d. h. die vertraglichen Regeln abbedingenden) Gewohnheitsrechts (Rn. 284) ist letztlich eine Frage der Perspektive.