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a) Verstoß gegen verfassungsrechtliche Beschränkungen der Vertragsschlusskompetenz
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Der Wirksamkeit des Vertrages könnte entgegenstehen, dass Fridolin einen Vertrag abgeschlossen hat, den er nach der damaligen araukarischen Verfassung nicht hätte abschließen dürfen. Gemäß Art. 46 Abs. 1 WVK ist ein Verstoß gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften für die völkerrechtliche Wirksamkeit eines Vertrags unerheblich, sofern die Verletzung nicht offenkundig war und eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung betraf. Dass es sich bei der fraglichen Regelung um eine Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung handelte, mag man bereits bezweifeln; schließlich ging es lediglich um eine finanzielle Beschränkung der Vertragsschlusskompetenzen des Königs, nicht um politische Restriktionen. Andererseits ist das Verhältnis zwischen Monarch und Regierung in einer konstitutionellen Monarchie durchaus systemrelevant.[6]
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Die fehlende Kompetenz hätte aber darüber hinaus für Baobab auch offenkundig gewesen sein müssen. Offenkundig ist gemäß Art. 46 Abs. 2 WVK eine Verletzung, wenn sie nach Treu und Glauben für jeden Staat objektiv erkennbar ist. Maßgeblich ist, ob der andere Staat Kenntnis von der Vorschrift hatte oder ob er nach den Umständen des Falles hätte Kenntnis haben müssen.[7] Auch wenn es nicht ungewöhnlich ist, dass die Vertragsschlusskompetenz des Staatsoberhauptes begrenzt ist, kann doch die konkrete Verteilung der innerstaatlichen Kompetenzen nicht als objektiv erkennbar eingestuft werden, schon gar nicht bei einer ungewöhnlichen Regelung wie derjenigen in der damaligen araukarischen Verfassung. Zudem betraf der Vertrag den königlichen Fuhrpark und damit die Haushaltung des Königs. Die Annahme, Fridolin sei zum Vertragsschluss befugt, war somit überdies naheliegend. Eine Verpflichtung, sich über das innerstaatliche Recht des Vertragspartners zu informieren, soll nach Art. 46 WVK gerade nicht bestehen. Dies würde nicht nur den zwischenstaatlichen Verkehr behindern, sondern könnte u. U. auch zu politischen Spannungen führen, wenn man die Befugnisse eines ausländischen Staatsoberhaupts bezweifelt.[8] Der Verstoß war somit jedenfalls nicht objektiv erkennbar und damit nicht offenkundig. Der Vertrag ist trotz des Verstoßes gegen die araukarische Verfassung wirksam zustande gekommen.[9]
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Hinweis:
Der klassische Streit über die Bedeutung von ultra-vires-Handeln beim Abschluss von Verträgen hat hier keinen Platz, da die WVK Anwendung findet. Wäre der Fall auf Basis des Gewohnheitsrechts zu lösen, so wäre der Streit kurz darzustellen (Relevanztheorie: Wenn das Völkerrecht dem nationalen Recht die Bestimmung der Vertragsschlusskompetenz überlässt, muss es diese auch völkerrechtlich zur Geltung bringen; Irrelevanztheorie: Das Völkerrecht ist blind gegenüber den innerstaatlichen Regelungen; ansonsten wären Rechtssicherheit und Völkerrechtsverkehr behindert). Herrschend ist seit einiger Zeit die „vermittelnde“ Evidenztheorie, der Art. 46 WVK folgt.