Читать книгу Der Appalachian Trail - Andreas Zimmermann - Страница 11
ОглавлениеSagenhaftes Trail Magic
In diese Anfangsphase fallen auch die ersten Trail Magic-Erlebnisse. Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist uns dabei die Begegnung mit dem Baptistenpfarrer Richard aus Knoxville. Zum ersten Mal begegnen wir ihm am Woody Gap (Mile 20), wo er uns mit Orangensaft und Cookies verwöhnt. Vier Tage später treffen wir ihn wieder am Unicoi Gap (Mile 50.7). Er lädt uns ins Städtchen Helen ein, wo wir bei Wendy’s mit Hamburger, Pommes frites, Coke und Eiscrème durchgefüttert werden. Er meint, er mache uns eine spezielle Freude, da Helen seiner Meinung nach genauso aussieht wie ein typisches, ländliches Dorf in der Schweiz. Viele Häuser sind im Stil von Schwarzwälder Kuckucksuhren erbaut. Mehr Kitsch geht nicht. Aber scheinbar wurde Helen dadurch zu einer echten Touristenattraktion. Auf jeden Fall, das Essen ist toll und während des Gesprächs kommen wir auch noch dem Geheimnis des Trail Magic auf die Spur.
Was ist Trail Magic?
Trail Magic ist ein Ausdruck der Verbundenheit der Bevölkerung mit ihrem Trail. Viele sind ihn selber gewandert. Sie wissen um die Anforderungen, welche ein Thru-Hike an Körper und Psyche stellt. Sie wollen etwas von dem, was sie selbst auf dem Trail erhalten haben, an uns heutige Hiker zurückgeben. Trail Angels oder Friends of the Trail nennt man die Menschen, welche uns Hikern das Leben so sehr erleichtern. Oft findet man einfach mitten auf dem Weg eine Kühlbox mit Getränken, woraus man sich bedienen kann. Ab und zu werden Cookouts organisiert, das sind Grillpartys mit Hamburgern und Hot Dogs bis zum Abwinken. Oft nehmen Tageswanderer Extraessen mit, das sie verteilen oder einfach in einer Schutzhütte zurücklassen. Nicht zu vergessen sind natürlich all die Mitfahrgelegenheiten, die wir zum Einkaufen benötigen. Die Ortschaften sind meist fünf bis zehn Meilen vom Trail entfernt. Nur selten führt die Route mitten durchs Dorf.
Nach dem Essen bringt uns Richard zum Trail zurück. Vollgefressen wie wir sind, kommen wir kaum noch den Berg hoch. Ausserdem sind wir derart salzhaltige Mahlzeiten nicht mehr gewohnt, so dass wir beinahe verdursten. Also schlagen wir schon nach wenigen Meilen an einer schönen Stelle Namens Cheese Factory unser Lager auf.
Am nächsten Morgen stehen wir früh auf und sind um 9:30 Uhr bereits unterwegs. Es ist unglaublich. Mühelos erklimmen wir die Berge. Die geballte Energie von Hamburgern und Pommes frites steckt in unseren Beinen. Ich glaube, gestern haben wir, zum ersten Mal seit neun Tagen, erstmals wieder genügend Kalorien zu uns genommen. Wir schaffen die 12.5 Meilen bis Dicks Creek Gap in Rekordzeit. Beim Abstieg Richtung Strasse entdecken wir von weitem eine orange Kühlbox. Und was bedeutet das wohl? Genau, Richard ist wieder da. Mehr als die Kühlbox können wir jedoch nicht ausmachen. Hat Richard wieder einige Hiker nach Helen eingeladen? Wir machen uns erst einmal über die Kühlbox her und geniessen Coke und Cookies. Als Richard immer noch nicht erscheint, beschliessen wir, per Anhalter in die nächste Ortschaft zum Einkaufen zu fahren. Wir stehen noch keine zwei Minuten am Strassenrand, als ein uns wohlbekanntes Gefährt anhält. «Hi Richard, how are you doing?» Uns hat er wirklich nicht schon wieder erwartet. Rasch sind die Rucksäcke verladen und die Fahrt geht los – 11 Meilen nach Hiawassee, wo wir für die Nacht in einem Motel Unterschlupf finden.