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Die Great Smoky Mountains

Am 19. Tag erreichen wir Fontana Dam am Eingang zum Great Smoky Mountains Nationalpark. Hier finden sich die höchsten Berge des südlichen Teils des Trails. Ähnlich hohe Berge gibt es erst wieder in den White Mountains in New Hampshire. Wir freuen uns auf den Park, haben wir doch schon einiges über dessen Schönheit und die atemberaubenden Aussichten gehört. Der Park gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe und seine Wälder gehören zu den ältesten der Welt.

Die zwei Meilen Asphaltstrecke bis nach Fontana Dam können wir uns sparen. Wir haben eigentlich gar nicht vor, per Anhalter zu fahren, aber kaum stehen wir auf der Strasse, da hält schon ein Wagen an. Es ist Jeff, der im Hike Inn arbeitet. Geschäftstüchtig wie er ist, lädt er uns kurzerhand auf und stellt uns beim Hotel vor die Tür.

Er erzählt uns, dass bis hierher mindestens zwei Drittel aller auf dem Springer Mountain Gestarteter aufgegeben hätten. Wir selber sind jetzt bereits 170 Meilen marschiert. Der AT war mein Traum. Ich erinnere mich, wie Ursula zu mir sagte: «Ok, ich begleite dich und schaue einmal, wie weit ich es schaffe, mit 100 Meilen bin ich schon mehr als zufrieden.»

Great Smoky Mountains Backcountry Permits

Fürs Campen im Park benötigt man eine gebührenpflichtige Bewilligung. Das Permit für Thru-Hiker ist 8 Tage lang gültig. Man kann es im Internet ausdrucken und mit Kreditkarte bezahlen oder man beschafft es sich in Fontana Dam im Visitor Center oder in einem Ausrüstungsgeschäft.

Die Permits werden unterwegs von Parkrangern kontrolliert. Wer keines dabei hat, zahlt eine hohe Busse!

Tiere sind im Park nicht erlaubt! Wer mit seinem Hund unterwegs ist, kann einen Shuttleservice mit Hundepension buchen und seinen Liebling in Davenport Gap wieder abholen.

National Park Service: www.nps.gov/grsm

Für die 73 Meilen durch die Berge wollen wir uns sieben bis acht Tage Zeit nehmen. Wir müssen also genügend Lebensmittel einkaufen und auch sonst noch das eine oder andere erledigen. Es sind eigentlich immer die gleichen Angelegenheiten: Die Wäsche waschen und in der Bibliothek die E-Mails checken. Heute ist auch ein Besuch des Postbüros auf dem Plan, denn mein Bruder Christian hat mir ein Paket mit neuen Diafilmen postlagernd geschickt. Dafür habe ich im Moment noch keinen Bedarf, so dass ich sie direkt nach Damascus in Virginia weiterleite. Und das Wichtigste: Bevor es morgen früh weitergeht, langen wir im Restaurant nochmals tüchtig zu.

Wir starten früh und erwischen gleich eine Mitfahrgelegenheit zum Visitor Center, wo wir uns registrieren.

Der Weg ist gut ausgebaut und angenehm zu gehen. Wir merken, dass wir uns in einem Nationalpark befinden. Der Trail muss auch für ungeübtere Wanderer, ohne in Lebensgefahr zu geraten, begehbar sein. Das Wetter verschlechtert sich zusehends. Nieselregen und eisiger, starker Wind setzen ein und auch der Nebel wird immer dichter. Nach 12.9 Meilen erreichen wir die Russell Field Shelter, wo noch zwei Plätze frei sind. Die Hütten hier sind gewöhnungsbedürftig, sind sie doch frontseitig mit einem massiven Gitter versehen. Dies soll vor aufdringlichen Bären schützen.

Dabei muss ich an eine beängstigende Geschichte denken, die uns ein Ranger heute Morgen erzählt hat: «Eine Gruppe Hiker hatte sich in ihrem Hüttenkäfig eingeschlossen, als eine Bärin mit zwei Jungen daherkam. Die Kleinen spielten und kletterten im Verlaufe ihres Spiels aufs Dach, worauf dann beide durch den Kamin ins Innere der Hütte fielen. Die zwei machten sich über die Lebensmittel der Wanderer her, während draussen eine wütende Bärenmutter Einlass verlangte …»

Auf jeden Fall macht diese Unterkunft keinen besonders sympathischen Eindruck. Liegt es wohl am Wetter oder daran, dass wir eine «Einzelzelle» mit zehn weiteren Stinkern teilen müssen?

Wir kochen rasch das Nachtessen und verziehen uns in unsere Schlafsäcke, obwohl es draussen noch hell ist. Es macht keinen Sinn, unnötige Energie in der Kälte zu verlieren. Uns will jedoch nicht richtig warm werden. Im Verlaufe der Nacht ziehen wir sämtliche Kleider an, die wir dabeihaben und schlottern weiter. Sogar unser Zelt benützen wir als zusätzliche Decke. Am frühen Morgen ist uns sofort klar warum. Unsere Schlafsäcke sind ausgelegt auf + 5° Celsius, Komforttemperatur wohlverstanden. Jetzt zeigt das Thermometer aber – 20° Celsius an. Mit einem solchen Kälteeinbruch haben wir nie und nimmer gerechnet. Diese Nacht war ein wirklicher Albtraum und hat enorm an unseren Kräften gezehrt. Eine Regel besagt ja, dass man seine Ausrüstung nicht auf den schlimmstmöglichen Fall ausrichten muss. Man sollte sie aber so wählen, dass man jedes Extrem damit überleben kann. Nach dem Frühstück geht es besser. Es wärmt von innen. All unsere Leidensgenossen beneiden uns um unsere warme Mahlzeit. Sie selbst ernähren sich am Morgen ausschliesslich kalt, mit Energie- und Schokoriegeln.

Die Strapazen der Nacht sind rasch vergessen, präsentiert sich uns der Wald doch als märchenhafte Eisskulptur: «Wow, Ursula, schau dir das an, das ist fantastisch, grossartig, unglaublich!» Unsere Begeisterung kennt keine Grenzen. So etwas haben wir noch nie gesehen. Der ganze Wald ist in eine dicke Schicht Eis gehüllt. Die riesigen Eiszapfen hängen nicht an den Bäumen, sondern sind durch den Wind in horizontaler Richtung gewachsen. Überall glitzert es und glänzt. Winzigste Eiskristalle tanzen wie Sterne in der kalten, klaren Luft und lassen es angenehm in der Nase kribbeln.

Die Freude über diese Wunderwelt hält aber nicht lange an. Gegen Mittag fängt es an zu tauen. Zudem setzt Regen ein und starker, böiger Wind wirft uns beinahe von den Füssen. Viele Bäume sind der Belastung nicht gewachsen und knicken wie Streichhölzer.


Nebel, Regen und Kälte begleiten unsere ersten Tage


Nach dem Eissturm in den Great Smoky Mountains


Wo immer möglich entfachen wir ein Feuer

Tonnen von Eisbrocken fallen von den Bäumen und verwandeln den Trail in eine Mischung aus Eis, Wasser und Morast. Ab und zu legen wir einen Zwischenspurt ein, um einer Eislawine zu entgehen. Einige schmerzhafte Treffer müssen wir trotzdem einstecken und sind damit noch gut davongekommen. Ein anderer, uns unbekannter Hiker, wurde so unglücklich getroffen, dass er mit einem Schädelbruch evakuiert werden musste.

Die nächsten Tage gehen im gleichen Stil weiter: Starker Wind, Dauerregen, Schnee und Nebel. Der Weg ist ein einziger Hindernislauf mit hunderten von umgestürzten Bäumen. Im glitschigen Eismorast lassen sich Stürze nicht mehr vermeiden. Kommen die 25 kg am Rücken erst einmal in Bewegung, so helfen auch die Wanderstöcke nicht mehr viel. Bei solchen Bedingungen gibt es nur eines, in Bewegung bleiben. So marschieren wir täglich rund zehn Stunden und entledigen uns unserer Rucksäcke nicht einmal in den Pausen. Wir benutzen sie als zusätzliches wärmendes Kleidungsstück.

Unsere Schuhe kommen erstmals an ihre Grenzen. Sie sind völlig durchnässt wie auch die Socken. Bei jedem Schritt saftet es. Ich kann diesen Zustand nur als eklig bezeichnen. Bei diesem Wetter und diesen Temperaturen besteht auch keine Chance, dass über Nacht irgendetwas trocknen könnte. So haben wir uns das Osterwochenende wirklich nicht vorgestellt. Eisiger Regen peitscht uns ins Gesicht und sticht wie kleine Nadeln. Vor lauter Nebel sehen wir teilweise kaum die Hand vor Augen, geschweige denn etwas von der erwarteten wunderbaren Landschaft.

Der Appalachian Trail

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