Читать книгу Der Appalachian Trail - Andreas Zimmermann - Страница 25

Оглавление

Uncle Johnny’s und das Bluegrass Festival

Wir kommen um 14 Uhr bei Uncle Johnny’s Nolichucky Hostel an und wählen die günstige Variante, die Zeltwiese. Das Wetter ist perfekt dafür. Gleich gegenüber, jenseits der Strasse, fliesst der Nolichucky River, der sich fürs Fischen und für Bootstouren anbietet.

Uns gefällt dieser Ort. Die Infrastruktur des Hostels ist super. Wir fühlen uns wohl. Auf Vorbestellung wird sogar Nachtessen für $ 5 angeboten. Heute steht mexikanische Küche auf dem Speiseplan, was wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollen und wir bestellen gleich noch genügend mexikanisches Bier dazu.

Morgen Samstag soll auf dem Sportplatz in Erwin ein Blue Grass Festival stattfinden. Für uns ist das die perfekte Gelegenheit, einen zweiten Zero-Day einzulegen. Mein lädiertes Schienbein wird das zu schätzen wissen.

Unterdessen ist auch Baltimore Jack eingetroffen. Er wird jetzt von einigen Freunden begleitet, die sich ihm angeschlossen haben. Die meisten davon sind Section-Hiker, die den AT nicht an einem Stück bewältigen. Die Gruppe umfasst jetzt Blister Sister, Tripper, Riddler, Monsterfrog, Grumpy, Nemo, The Mad Hatter, Jester, Harbour und den ausgeflippten Funky Monkey.

Baltimore Jack will von einem Zero-Day nichts wissen: «Das sind ganz grosse Abzocker hier, für jede Handreichung verlangen sie Geld, sogar für einen Becher Kaffee soll ich 50 Cent bezahlen und für das, was das Nachfüllen meiner Benzinflasche kostet, könnte ich im Outfitterstore eine ganze Gallone kaufen. Ich nenne den Platz hier nur noch Uncle Money’s

Wir persönlich finden die Preise von Uncle Johnny’s völlig angemessen. Es ist schliesslich eine Firma, die ihren Angestellten einen Lohn zahlen muss und die so ihren Lebensunterhalt verdienen.

Es gibt natürlich auch die andere Art von Hostels, die kein Geld verdienen müssen. Sie werden oft von ehemaligen Thruhikern geführt, die mit Baltimore Jack befreundet sind. Zum Teil wird einfach eine Spende verlangt, wobei natürlich alle wissen, wieviel etwa erwartet wird. Schlussendlich kommt es preislich mehr oder weniger aufs selbe heraus. Ich habe stark das Gefühl, dass Baltimore Jack einfach eine Abneigung gegen alles Kommerzielle hat.

Völlig empört kommt Baltimore Jack aus dem Haus gestürmt. «Leute geht und schaut euch das an, das haut dem Fass den Boden raus», wettert er, «geht auf die Toilette und seht euch das an, das ist einfach unverschämt!» Er kann sich kaum erholen, ob dem, was er dort entdeckt hat. Er rückt nicht damit raus, was es denn sei, wir sollen uns das gefälligst mit den eigenen Augen ansehen. Wir pilgern also alle Richtung Toiletten. Was erwartet uns wohl? Es ist offensichtlich das grosse Plakat, das an der Eingangstür klebt. Darauf steht geschrieben: «Liebe Hiker, bitte klaut uns hier kein Toilettenpapier. Wir haben mehr als genug davon an der Reception und wir verkaufen euch gerne die Rolle zu 50 Cent!» Was ist in diesem Fall unverschämter? Der Preis von 50 Cent oder die Hiker, die die Rollen klauen?

Baltimore Jack und seine Truppe haben das Hostel bereits verlassen, als wir aufstehen und frühstücken. Spätestens in Damascus werden wir alle wiedersehen. Es ist besser, sie sind vor uns als hinter uns, denn nur so kommen wir an Baltimore Jacks wertvolle Tipps in den Hüttenbüchern. Kleider waschen und E-Mails checken haben wir bereits gestern Nachmittag erledigt. So bleibt uns heute nur noch das Einkaufen und der Besuch des Musik-Festivals. Wir benützen den kostenlosen (!) Shuttleservice des Hostels ins 4 Meilen entfernte Erwin. Ich nehme nur meinen entleerten Rucksack mit, um ihn mit neuen Lebensmitteln zu füllen.

Auf dem Sportplatz ist bereits eine Bühne aufgebaut. Wann die Konzerte beginnen sollen, weiss auch hier niemand genau. Immerhin, der Ort ist diesmal bekannt.

Die Kommunen hier in den Appalachen sind meist sehr strukturschwach. Früher gab es immerhin noch Getreide- und Tabakanbau und auch Kohlebergbau. Heute ist alles weg. Mit Tourismus lässt sich mancherorts wieder etwas Geld verdienen. Die Bevölkerung ist mehrheitlich weiss, Nachfahren von schottischen und irischen Auswanderern. Schwarze sieht man kaum. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Menschen sind arm. Man nennt diese Menschen Mountain People oder abschätzig Hillbillies, also Hinterwäldler oder Landeier. Sie pflegen einen eigenen Dialekt, eine eigene Musik, eine eigene Identität und bezeichnen sich zum Teil selber mit Stolz als Hillbillies.


Uncle Johnny ’s Nolichucky Hostel, Cabins & Camping


Bluegrass Festival in Erwin, Tennessee


Einheimische: Gemütliches Beisammensein bei Sonne und Musik

Bluegrass hat seine Wurzeln in der Musik der frühen Hillbillies und gehört zum weiten Gebiet der Country-Musik. Es ist eine der bedeutendsten Richtungen der Volksmusik in den USA. Die wichtigsten Instrumente sind Banjo, Geige, Mandoline, Gitarre und Kontrabass. Da ein Schlagzeug fehlt, wird der Hintergrundrhythmus durch die Mandoline und Gitarre erzeugt. Meist wechselt sich eine Strophe Gesang mit einem Soloinstrument ab. Bluegrass ist eine sehr schnelle Musik, die den Musikern an ihren Saiteninstrumenten eine hohe Fingerfertigkeit abverlangt.

Um 14 Uhr beginnt das Konzert. Die meisten Mitglieder der Bands haben schon lange das Rentenalter erreicht, wie auch fast alle Zuschauer. Ein Mandolinenspieler muss sogar mitsamt einem Stuhl auf die Bühne getragen werden, so gebrechlich ist er. Die Fingerfertigkeit ist aber allen erhalten geblieben und so geben sie Vollgas, dass es eine wahre Freude ist.

Ursula und ich sind nicht unbedingt Fans von Volksmusik. Aber so, wie die Ländlermusik bei uns eher in die Berge und an den Skilift gehört, so passt Bluegrass perfekt in diese Landschaft. Wir fühlen uns schon fast wie echte Hillbillies.

Pünktlich, wie abgemacht, steht der Shuttlebus am vereinbarten Ort und bringt uns zurück zum Hostel. Ein wunderbarer Tag geht zu Ende. Das Abendessen haben wir vorbestellt. Heute werden wir mit Fleisch vom Grill und weissen Bohnen mit Tomaten-Speck-Sauce verwöhnt. Fazit des Tages: Das Leben ist schön!

Der Appalachian Trail

Подняться наверх