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XVII

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Aristoteles’ wissenschaftliche Methode passt genau zu seiner Epistemologie. Wir müssen, so sagt er, mit den phainomena anfangen – daher kommt unser Wort »Phänomen«, aber die beste Übersetzung wäre vielleicht »Erscheinungen«, denn er meint dabei nicht nur das, was er mit eigenen Augen sieht, sondern auch das, was andere Menschen gesehen haben, und ihre Meinung dazu. Er bevorzugt dabei Berichte von »weisen« und »angesehenen« Menschen. Ihm ist bewusst, dass ein Mensch nicht alles sehen kann; manchmal muss man darauf vertrauen, was andere einem erzählen (die Griechen übernahmen beispielsweise gewaltige astronomische Kataloge aus Babylon und Ägypten).

Unabhängig von der Quelle bestehen solche Daten in der Regel aus zahlreichen Beobachtungen einer breit angelegten Klasse von Objekten, zum Beispiel Tieren – zōa. Sind sie zusammengetragen, müssen sie in kleinere Klassen geordnet werden: Vögel, Fische, Tiere mit Hörnern, Tiere ohne Blut und so fort. Aristoteles’ Datenhunger ist unersättlich und sein Ordnungseifer unermüdlich. Er saugt Beobachtungen über Tiere, Pflanzen, Steine, Winde, Geografien, Städte, Verfassungen, Persönlichkeiten, Theaterstücke, Gedichte – die Liste ist unvollständig – auf, verarbeitet sie und gibt sie bald auf die eine, bald auf die andere Weise geordnet wieder aus, in Buch auf Buch. Trotz alledem ist er der Meinung, dass seine erste induktive Forschungsphase keine echte Wissenschaft ist, sondern nur der empirische Fels, auf dem das wissenschaftliche Denken steht.

Aristoteles trägt seine Tierdaten in Historia animalium zusammen. Eine zufällige Passage vermittelt ein Gefühl für den Stil:

Einige Tiere sind lebend gebärend, andere legen Eier, manche bringen Larven zur Welt. Zu den lebend Gebärenden gehören Menschen, Pferde, Robben und alle anderen Tiere mit Fell sowie unter den Meerestieren die Wale – zum Beispiel Delfine – und die sogenannten »Selachier«. Einige [Wassertiere mit Blut], zum Beispiel Delfine und Wale, haben keine Kiemen, dafür aber Blaslöcher. Die Blaslöcher der Delfine befinden sich auf dem Rücken, die der Wale auf der Stirn. Zu den Tieren mit sichtbaren Kiemen gehören die Selachier wie der Graue Glatthai und Rochen.

Die Welt, die Aristoteles kannte, war im Westen durch die Straße von Gibraltar, im Osten durch den Oxus, im Süden durch die libysche Wüste und im Norden durch die eurasischen Ebenen begrenzt. In ihr lebten mehr als 500 verschiedene Tierarten, zumindest kannte er so viele Namen. Alles an ihnen interessiert ihn. Er spricht über die Fortpflanzung von Läusen, die Paarungsgewohnheiten von Reihern, die sexuelle Zügellosigkeit von Mädchen, den Magen von Schnecken, die Empfindlichkeit von Schwämmen, die Flossen von Robben, die Laute von Zikaden, die Zerstörungswut von Seesternen, die Stummheit von Gehörlosen, die Flatulenz von Elefanten und die Struktur des menschlichen Herzens; sein Buch enthält 130.000 Wörter und rund 9000 empirische Behauptungen.

Die Tierwelt ist ein weites Feld und Aristoteles begann ganz von vorn. Abgesehen von einigen medizinischen Schriften gibt es keine Belege, dass jemand vor ihm schon einmal eine zoologische Abhandlung geschrieben hatte. Woher bezog er also all diese Fakten? Die Antwort scheint zu sein: so ziemlich von überallher.

Einige stammten aus Büchern. Aristoteles ist zurückhaltend, was seine Quellen angeht, aber einige lassen sich aufgrund flüchtiger Anspielungen identifizieren. Im Lichte der behaupteten wissenschaftlichen Natur seiner Unternehmung erscheinen einige der Arbeiten, die er doch nennt, eher seltsam. Gelegentlich taucht Homer auf und er zitiert einen Vers von Aischylos über das Gefieder von Wiedehopfen – aber hier sieht man nur den Leser bei der Arbeit. Das Überraschende fehlt. Aus den Abhandlungen des Hippokrates scheint nicht allzu viel Anatomie einzufließen, dabei war Aristoteles’ Vater Arzt. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass er seinen Vorläufern nicht genügend Anerkennung zollt. Platon wird nie als Quelle faktischer Informationen zitiert – kein Verlust an dieser Stelle –, auch wenn seine Spekulationen Aristoteles’ Theorie durchdringen. Die physiologoi tragen einige Fakten bei; auch sie dienen überwiegend als theoretische Sparringspartner. Wir lernen, sagte Aristoteles einmal, »indem wir die vor uns weiterschieben und nicht auf die hinter uns warten«.

Es besteht der Verdacht, dass einige von Aristoteles’ Daten zur Anatomie der Säugetiere aus hieroskopischen Texten stammten – Büchern über das Weissagen aus Innereien. Ein unangemessenes Maß an Aufmerksamkeit wendet er der Gallenblase zu, einem anderweitig unbedeutenden Organ, das im Dickicht des Glaubens an Prophezeiungen eine große Rolle spielte. Er ist ein Experte für das Sprungbein, einen kleinen Fußknochen, der von Spielern und Propheten als Würfel verwendet wurde. Wenn Aristoteles tatsächlich einige seiner Daten aus solchen Quellen bezog, hielt er sich an die Anatomie und ließ die Prophezeiungen beiseite. Platon machte es umgekehrt.

Ein prophetisches Handbuch lieferte wahrscheinlich auch einen Teil der Ethologie. »Daher nehmen die Seher ihre Begriffe ›angeglichen‹ und ›nicht angeglichen‹: Tiere in Feindschaft sind ›nicht angeglichen‹, diejenigen aber, die in Frieden leben, zählen als ›angeglichen‹.« Weiter beschreibt er dann, wie Adler gegen Geier kämpfen (und gegen Schlangen und Kleiber und Reiher), wie Schlupfwespen und Geckos gegen Spinnen kämpfen, wie Schlangen gegen Wiesel kämpfen, wie Zaunkönige gegen Eulen kämpfen und so weiter. Über mehrere Seiten zieht sich dieser Krieg der Natur, dessen Gewaltniveau fast Darwin’sche Ausmaße annimmt. Hier finden sich viele Daten geringer Qualität. Dass Zaunkönige, Lerchen, Spechte und Kleiber sich von den Eiern anderer Vögel ernähren, würde jeden Ornithologen überraschen. Und falls zu Aristoteles’ Zeiten der Esel in Feindschaft mit der Eidechse lebte, weil »die Eidechse in seiner Krippe schläft und in seine Nase krabbelt und ihn so am Fressen hindert«, dann können heutige Esel ganz gelassen bleiben, da die modernen Eidechsen diese unschöne Angewohnheit offenbar aufgegeben haben.

Hätte er solches Material mit aufnehmen dürfen? Vielleicht nicht. Aristoteles’ Sinn für die empirische Realität ist so gefestigt wie bei jedem heutigen Wissenschaftler, und Handbücher für Wahrsager scheinen keine guten Quellen für Fakten zu sein. Aber bevor wir ihn rügen, sollten wir kurz innehalten und bedenken, vor welchen Schwierigkeiten er stand. Die Populärkultur war erfüllt von Mythen, die medizinischen Schulen wussten wenig über die menschliche Anatomie, die Landbevölkerung war ein sprudelnder Quell von Falschinformationen über die Tiere, die sie täglich sah. Als er die empirische Grundlage seiner Wissenschaft legte, muss er große Mengen zweifelhafter Daten zusammengetragen und kommentarlos beiseitegelassen haben.

In seinen Büchern wird das Dickicht aus Fabeln und Mythen, durch das er sich schlug, nur angedeutet. Er weist Erzählungen – er benutzt dafür das Wort mythoi – zurück oder zieht sie wenigstens in Zweifel, nach denen Kraniche Steine als Ballast verschlucken, die, wenn sie wieder hervorgewürgt werden, gewöhnliche Materie in Gold verwandeln können; nach denen Löwinnen ihre Gebärmutter ausstoßen, wenn sie ihre Jungen zur Welt bringen; nach denen Ligyer (aus Westgriechenland) nur sieben Paar Rippen haben und nach denen Köpfe weiterreden können, nachdem sie vom Körper getrennt werden. Im dritten Jahrhundert nach Christus sollte Aelianus ganze Bücher mit dieser Art von Geschichten füllen.

Wie Aristoteles mit der letzten dieser Behauptungen – den sprechenden Köpfen – umgeht, ist sehr lehrreich. Viele Menschen, schreibt er, glauben, dass ein abgeschlagener Kopf sprechen kann, und sie zitieren dazu Homer. Auch, fährt er fort, gibt es eine offenbar glaubwürdige Beschreibung genau so eines Falles. In Karien (Anatolien) wurde ein Priester des Zeus Hoplosmios geköpft. Als der Kopf zu Boden fiel, nannte er den Namen seines Mörders, eines gewissen Cerides. Ein Cerides wurde auch gefunden und vor Gericht gestellt. Aristoteles gibt keinen Kommentar zum Schicksal des Mannes ab, nicht einmal zu dem möglichen Justizirrtum, sondern weist die Geschichte aus folgenden Gründen zurück: (i) Wenn die Barbaren Köpfe abschlagen, sprechen diese nicht. (ii) Wenn Tieren der Kopf abgeschlagen wird, machen ihre Köpfe keine Geräusche; warum also sollten menschliche Köpfe dazu fähig sein? (iii) Um zu sprechen, muss Luft aus der Lunge durch die Luftröhre strömen, was bei einem abgetrennten Kopf kaum möglich ist. All das ist bewundernswert vernünftig.

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