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In De generatione animalium schreibt Aristoteles, dass einem gewissen Herodoros zufolge die hyaina sowohl männliche als auch weibliche Sexualorgane hätte und dass sie sich jedes Jahr abwechselnd bestiegen, dass sie also kurz gesagt ein Zwitterwesen sei. Herodoros stammte aus Herakleia, einem Hafen am Schwarzen Meer, über den er eine Historia schrieb und wo er Bryson den Sophisten zeugte, der sich an der Quadratur des Kreises versuchte. Bei seiner hyaina muss es sich um die Streifenhyäne Hyena hyena gehandelt haben, da sie das einzige Mitglied der Familie ist, das dort oder irgendwo sonst in der hellenischen Welt zu finden war. Aristoteles bezeichnet Herodoros’ Schilderungen als Unsinn. Die Hyäne ist kein Zwitterwesen – allerdings hat sie tatsächlich einen seltsam anmutenden Unterbau.

In Historia animalium erzählt Aristoteles uns mehr. Will man seinem Bericht folgen, muss man wissen, dass Hyänen beiderlei Geschlechts große Drüsen besitzen, die einen Beutel um den Anus bilden. Das erklärt seine Beschreibung. Die eingefügten modernen Bezeichnungen stammen von mir:

Die Hyäne ist von wolfsähnlicher Farbe, aber zottiger und trägt eine Mähne über die gesamte Länge ihres Rückens. Die Behauptung, dass sie sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane besitzt, ist falsch. Das des Männchens [der Penis] ist wie beim Hund oder beim Wolf. Was wie ein weibliches [eine weibliche Analdrüse] aussieht, befindet sich unter dem Schwanz und obwohl seine Struktur der eines Weibchens ähnelt, hat es keinen Durchlass. Was sich darunter befindet, ist der Durchlass für Abfallstoffe [Anus]. Das Weibchen hat in der Tat eine Struktur, die dem ähnelt, was als weibliches Geschlechtsorgan bezeichnet wird [Analdrüse], aber wie beim Männchen sitzt es unter dem Schwanz und hat keinen Durchlass. Danach kommt der Durchlass für Abfallstoffe [Anus] und darunter das echte Geschlechtsorgan [Vagina]. Die weibliche Hyäne hat eine Gebärmutter, genau wie andere weibliche Tiere dieses Typs. Es ist selten, dass man eine weibliche Hyäne zu fassen bekommt. Ein Jäger erzählte mir, unter elf Hyänen, die er erlegt hätte, sei nur ein Weibchen gewesen.

Ein Diagramm zeigt den Grund für die Verwirrung: Die Einstülpung, die von Analdrüsen gebildet wird, ist leicht mit einer Vagina zu verwechseln – aber einer, die beide Geschlechter haben. Aristoteles jedoch macht seine Sache gut. Aber er sagt nicht, dass er das alles gesehen hätte, er sagt, dass es »beobachtet wurde«. Da hatte offenbar jemand anders einer Hyäne neugierig zwischen die Beine geschaut.


Genitalien der hyaina – Streifenhyäne – Hyena hyena. Links: männlich, rechts: weiblich. AS – Analbeutel, R – Rektum, S – Skrotum, P – Penis, V – Vagina

Tatsächlich scheint es nicht wahrscheinlich, dass Aristoteles die Exotika, die er beschreibt, jemals selbst gesehen hat. Seinen Berichten über ihre Anatomie und Gewohnheiten fehlen einfach Umfang, Detail und Genauigkeit, die wir in diesem Fall erwarten würden – und die er liefert, wenn er die Anatomie beispielsweise des Tintenfisches beschreibt. Die Geschichte von Alexanders Freigiebigkeit ist fast sicher eine späte Erfindung, die das Image des Eroberers weichzeichnen sollte – oder das des Philosophen aufwerten. Stattdessen scheint Aristoteles bei Erzählungen von Reisenden anzusetzen – den verschiedenen frühen Historiae –, die er so eingehend prüft, wie es ihm möglich ist, das Unplausible verwirft, dem Möglichen warnende Hinweise hinzufügt und das Wahrscheinliche behält. Dieses Material verwebt er dann mit fragmentarischen, aber wissenschaftlich anspruchsvolleren Berichten, die ihm von jemand anderem geschickt wurden. Hier ist ein unbekannter Mitarbeiter am Werk: jemand, der reiste, der sich mit Anatomie auskannte und der Aristoteles Informationen über das sandte, was er sah.

Es gibt mehrere Kandidaten für diesen unbekannten Mitarbeiter. Der plausibelste ist Aristoteles’ Großneffe Kallisthenes von Olynth. Die beiden Männer waren nicht nur verwandt, denn Kallisthenes war ein Schüler an Platons Akademie in Athen, als Aristoteles dort lehrte. Es ist auch wahrscheinlich, dass Kallisthenes Aristoteles folgte, als dieser 346/7 die Akademie verließ, um an Hermias’ Hof in Assos zu gehen. Als Hermias von den Persern gefoltert und hingerichtet wurde, schrieb er genau wie Aristoteles eine Lobeshymne an den Tyrannen. Nach weiteren Überlieferungen folgte Kallisthenes Aristoteles nach Lesbos und dann, einige Jahre später, nach Makedonien. Zwar war er einige Jahre älter als Alexander, doch sie könnten zusammen Schüler in Mieza gewesen sein. Sicher ist jedenfalls, dass Kallisthenes sich durch die Hellenica, eine Geschichte Griechenlands in zehn Bänden, bereits einen Ruf als Geschichtsschreiber erarbeitet hatte, als Alexander an die Macht kam, und dass er, als Alexander auf seinem Eroberungsfeldzug gen Osten 334 den Hellespont überschritt, mit ihm reiste, um den Feldzug zu dokumentieren.

Und um Berichte über die Fortschritte der Armee nach Athen zu senden. Der noch unerprobte Alexander, nur ein kleiner Monarch unter vielen, wollte sichergehen, dass die Athener von seinen Triumphen erfuhren. Aber Kallisthenes war mehr als nur ein Propagandist. Er war auch ein Naturphilosoph, der eine Erklärung für die Ursache der jährlichen Nilflut in den regenschweren Wolken fand, die auf das äthiopische Bergmassiv trafen. Dies war zweifellos inspiriert von Alexanders raschem Durchmarsch durch Ägypten in den Jahren 332/1; Alexander könnte ihn sogar nach Süden in Richtung Sudan geschickt haben, um nach den Quellen des mächtigen Flusses zu suchen. Kallisthenes dokumentierte auch die astronomischen Überlieferungen der Babylonier und schlug eine Theorie über die Ursachen von Erdbeben vor. Einem Fragment zufolge schickte er Aristoteles Informationen, auch wenn wir nicht wissen, worüber.

Kallisthenes folgte Alexanders Heereszug über sieben Jahre. Er war bei der Eroberung von Tyros und Gaza dabei, beim Einzug in die Oase Siwa, den Schlachten am Granikos, bei Issos und bei Gaugamela und bei der langen und abenteuerlichen Verfolgung von Dareios durch die Wüsten Zentralasiens. Er durchquerte Anatolien, Syrien, Ägypten, Mesopotamien, Babylon, Persien, Medien, Hyrkanien und Parthien. Er umrandete das Kaspische Meer, die Wüste Kir und die Sümpfe von Sistan, bestieg den Felsen von Aornos und überquerte den Hindukusch. All diese Gegenden sind ergiebiges zoologisches Territorium, also könnte man sich fragen, warum Aristoteles, wenn er auf all das zurückgriff, was Kallisthenes sah, uns nicht mehr über den Osten erzählt. Diese Frage lässt sich jedoch leicht beantworten: Aristoteles sah seinen Neffen nie wieder. Irgendwo in Baktrien, im heutigen Afghanistan, ließ Alexander seinen Geschichtsschreiber festnehmen und hinrichten. Die alten Quellen sind sich nicht einig darüber, warum und wie Kallisthenes getötet wurde, aber berichten übereinstimmend, dass es ein hässlicher Tod war.

Alexander starb 323. Oft wurde behauptet, dass er von Antipatros vergiftet wurde, seinem Vizekönig in Pella und Aristoteles’ Freund. In seinen Schriften, die völlig frei von politischen und persönlichen Passionen sind, berichtet Aristoteles nichts über das Schicksal seines Neffen, aber Theophrastos, der Pflanzensammler, betrauerte Kallisthenes und schrieb einen Dialog in seinem Namen.

Aristoteles beanstandet dabei nicht die Arbeit mit den Händen per se, sondern das fehlende Verständnis. Dies wird aus seiner häufigen Verwendung von handwerklichem Können als Metapher in seiner Biologie deutlich sowie aus dem Verweis auf den »Werkmeister«, der vermutlich auch seine Hände benutzt, aber versteht, worum es geht.

Diese Fische erzeugen Geräusche, indem sie mit einem speziellen Muskel gegen ihre Schwimmblase trommeln. Der Laut des Petersfischs, Zeus faber, wurde von Meeresbiologen als etwas zwischen Bellen und Knurren beschrieben.

Die Antwort könnte ganz einfach sein: Der obere Teil der Hinterbeine eines Elefanten ist von tief hängenden Hautfalten verborgen, sodass sie für den oberflächlichen Betrachter kürzer aussehen als die Vorderbeine. Dieses Missverständnis hätte aber auf keinen Fall eine Sektion überstanden.

∗∗ Der Asiatische Löwe, Panthera leo persica, war in Europa vermutlich im 1. Jahrhundert n. Chr. ausgestorben. Heute lebt er nur noch im indischen Gir-Nationalpark.

∗∗∗ Eine Übertreibung, die ihren Ursprung in der Angewohnheit von Rindern hat, bei Bedrohung ihren Schwanz zu heben und flüssige Fäkalien zu verspritzen. Die Geschichte könnte auch eine nicht aristotelische Erweiterung sein. Sie wird fast wortwörtlich in De mirabilibus auscultationibus wiederholt, einer Sammlung erstaunlicher Geschichten, die zum Corpus Aristotelicum gehört, aber von einem von Aristoteles’ Nachfolgern verfasst wurde.

Die Lagune

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