Читать книгу Die Lagune - Armand Marie Leroi - Страница 29
XIX
ОглавлениеAristoteles’ Zurückhaltung bei seinen Quellen gilt auch für seine eigenen Recherchen. Er sagt nie: »Ich habe das gesehen – deshalb ist es wahr«, daher lässt sich schwer sagen, welche seiner Myriaden von Fakten etwa zum Fortpflanzungsverhalten aus eigener Beobachtung stammen. Doch zwischen den Zeilen wird schnell klar, dass er tatsächlich viel empirische Forschung betrieb. Dies hier trägt beispielsweise den Stempel persönlicher Autorität:
Im Aussehen ähnelt der Chamäleonkörper im Wesentlichen der Eidechse, doch seine Rippen fallen und konvergieren zum Unterbauch hin wie die eines Fisches; auch seine Wirbelsäule tritt wie die eines Fisches hervor. Sein Gesicht ist dem eines Affen sehr ähnlich, aber sein Schwanz ist sehr lang, fällt bis zu einem gewissen Punkt ab und ist gewöhnlich aufgerollt wie ein Lederriemen. Es steht höher über dem Boden als eine Eidechse, aber seine Beine sind gebeugt wie die einer Eidechse. Jeder Fuß ist zweigeteilt und die relative Stellung (thesis) jedes Teils ähnelt der Opposition (antithesis) des menschlichen Daumens zum Rest der Hand. Jeder Teil [Fuß] geht unmittelbar in zehenähnliche Strukturen über: Die Innenseite des Vorderfußes ist dreigeteilt, die Außenseite zweigeteilt, während bei den Hinterfüßen die Innenseite zweigeteilt und die Außenseite dreigeteilt ist. Die Füße haben Krallen wie die eines Greifvogels. Der ganze Körper ist rau wie bei einem Krokodil. Die Augen, sehr groß und rund, sind mit Haut bedeckt wie der Rest des Körpers und liegen in einer Höhle; in der Mitte befindet sich ein kleines Loch, durch das es sieht und das nie von Haut bedeckt ist. Stattdessen dreht das Chamäleon seine Augen herum, ändert seine Blicklinie in jede Richtung und betrachtet, was immer es will. Sein Farbwechsel erfolgt, wenn es aufgeblasen ist, wobei es eigentlich schwarz ist, nicht unähnlich einem Krokodil, oder grün wie eine Eidechse mit schwarzen Flecken wie ein Leopard. Dieselbe Veränderung tritt im gesamten Körper ein, einschließlich Augen und Schwanz. In der Bewegung ist das Chamäleon schrecklich schwerfällig, wie eine Schildkröte. Und wenn es stirbt, wird es grün und behält diese Färbung nach dem Tod. Speiseröhre und Luftröhre liegen an derselben Stelle wie bei einer Eidechse, und es hat kein Fleisch außer in der Nähe von Kopf und Kiefer und an der Schwanzwurzel. Blut hat es nur um das Herz herum, in den Augen, der Stelle direkt über dem Herzen und in den Venen, die davon ausgehen; die Blutmenge in ihnen ist winzig. Das Gehirn ist mit den Augen verbunden, sitzt jedoch etwas darüber. Wird die äußere Haut weggezogen, wird in den Augen so etwas wie ein dünner, glitzernder Kupferring sichtbar. Durch den größten Teil seines Körpers ziehen sich mehr als bei anderen Tieren viele kräftige Membranen. Selbst nachdem es vollständig eröffnet wurde, atmet das Chamäleon noch eine lange Zeit weiter und eine winzige Bewegung ist am Herzen zu sehen. Die stärksten Kontraktionen sind im Bereich der Rippen sichtbar, sie treten aber auch in anderen Teilen des Körpers auf. Es gibt kein Anzeichen für eine Milz. Es hält Winterschlaf wie die Eidechse.
Offenbar hat er das Chamäleon seziert, oder vielmehr viviseziert, diese herrliche und liebenswerte Kreatur, die heute noch in den Olivenhainen von Samos lebt.