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XXIV

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Alle Tiere interessieren Aristoteles, aber keins so sehr wie der Mensch. Sie – wir – sind sein ultimativer Modellorganismus. Der Begriff ist kein Anachronismus, denn Historia animalium beginnt mit einer Beschreibung der menschlichen Anatomie:

Zuerst müssen die Teile des Menschen [anthrōpos] erfasst werden. Die Leute beurteilen die Gebräuchlichkeit, wie alles andere, nach dem, was ihnen am vertrautesten ist, und Menschen sind notwendigerweise die Tiere, die uns am vertrautesten sind.

Menschen sind, gibt er zu, nicht sehr typisch. Häufig erwähnt er unsere Besonderheiten: dass nur wir ein Gesicht haben, Wimpern an beiden Lidern, Augen verschiedenster Farbe, bei Geburt zahnlos sind, aufrecht gehen, Brüste vorn und Hände haben. Dennoch sind wir der einleuchtende Ausgangspunkt.

Hat Aristoteles jemals einen Menschen seziert? Darüber wird heiß diskutiert. Ein verdrießlicher Gelehrter, Lewes, der dies verneinte, führte Sophokles ins Feld und wie er Antigone beschreibt – ihre süße, kompromisslose Loyalität, ihre keusche Schönheit, ihren leidenschaftlichen Mut – und wie sie darum kämpft, ihren Bruder zu beerdigen. Das, sagt Lewes, zeigt den Respekt, den die Griechen für ihre Toten empfanden, und diese Haltung hätte dafür gesorgt, dass Aristoteles niemals seine lüsternen Anatomenhände an eine Leiche legte.

Viel Kraft hat dieses Argument nicht. Es gab viele Sklaven im Griechenland des vierten Jahrhunderts; man kann sich vorstellen, dass an ihren ungeliebten, ungriechischen Leichnamen in Athen kein Mangel herrschte. Außerdem sezierten im folgenden Jahrhundert Erasistratos von Keos und Herophilos von Chalkedon offenbar tatsächlich Menschen, wenn auch im liberal gesinnten Alexandria. Die alten Quellen erzählen sogar von Vivisektionen Gefangener. Aber wir brauchen keine soziologischen Argumente, um die Angelegenheit beizulegen. Aristoteles selbst sagt recht deutlich, dass er es nicht getan hat. Als er sich unserer inneren Anatomie zuwendet, schreibt er: »Tatsache ist, dass uns die inneren Teile des Menschen äußerst unvertraut sind, deshalb müssen wir die [inneren] Teile anderer Tiere heranholen und untersuchen, die dem Menschen vom Wesen her vergleichbar sind.«

Tatsächlich ist die Extrapolation verantwortlich für einige der Ungenauigkeiten, die seine Beschreibungen unserer inneren Organe durchziehen. Er schreibt, dass Menschen eine »doppelte Gebärmutter« haben – eine kühne Vermutung, da die Gebärmutter der meisten Säugetiere in unterschiedlichem Maß gabelförmig angelegt ist, nur unsere zu seinem Pech eben nicht. Er behauptet weiter, wir hätten »gelappte« Nieren – wir nicht, aber der Ochse. Manche Ungenauigkeiten sind unerklärlich. Er schreibt, wir hätten acht Rippenpaare – hat er nie ein Skelett gesehen? Er gibt an, nach spontanen Fehlgeburten menschliche Föten untersucht zu haben. Er sagt nicht, dass er je einen seziert hätte, aber einige seiner offensichtlichen Irrtümer könnten akkurate Beschreibungen der fetalen Anatomie sein.

Kein Organsystem interessiert Aristoteles so sehr wie das Herz und seine Gefäße. Seine Erörterung beginnt mit einem Überblick über den aktuellen Wissensstand. Syennesis von Zypern, Polybos von Kos und Diogenes von Apollonia – zwei hippokratische Ärzte und ein physiologos – gesteht er einen Absatz bis einige Seiten zu. Platon wird überhaupt nicht erwähnt. Vielleicht deshalb, weil sein Modell des Herz-Kreislauf-Systems im Timaios nur fünf Zeilen umfasst.

Die beiden Hippokraten waren unbrauchbar. Sie ließen die Blutgefäße im Kopf entspringen und sparten das Herz aus. Diogenes war besser und in einem der längsten Fragmente, die wir von einem präsokratischen Philosophen überhaupt besitzen, zitiert Aristoteles ihn ausführlich. Diogenes war klug genug, die Blutgefäße am Herzen zu befestigen, und beschrieb den Verlauf einiger Gefäße ausreichend detailliert, dass man sie heute noch wiedererkennt. Alle drei behaupteten, das Gefäßsystem sei in eine linke und eine rechte Hälfte unterteilt: Ein Satz Blutgefäße versorge Hoden, Niere, Arm und Ohr auf der linken Körperseite, ein anderer, vollkommen separater Satz ihre Entsprechungen auf der rechten Seite. Eine schön ordentliche, aber falsche Vorstellung.

Aristoteles’ eigene Beschreibung dagegen ist ein Bravourstück anatomischer Forschung. Wo die Hippokraten offenbar die Gefäße verfolgt hatten, die durch die Haut zu sehen waren, oder aber einfach geraten hatten, sezierte Aristoteles:

Wie bereits erwähnt, besteht das Problem bei der visuellen Untersuchung darin, dass es nur dann möglich ist, eine wirksame Erforschung vorzunehmen, wenn die durch Strangulation getöteten Tiere zuvor an Gewicht verloren haben.

Und:

Das spitze Ende des Herzens zeigt nach vorn, aber eine Lageveränderung während der Sektion führt häufig dazu, dass man dies übersieht.

Und:

Ein detailliertes und akkurates Studium der relativen Positionen der Blutgefäße sollte sich der Anatomien und der Historia animalium bedienen.

Damit scheint er eine Warnung auszusprechen: Denkt nicht mal daran, meine Ergebnisse in Zweifel zu ziehen, bevor ihr nicht zuerst meine Techniken gemeistert habt.

Diese Techniken lieferten ihm eine zusammenhängende, detaillierte Beschreibung des Aufbaus des Herzens, der großen Blutgefäße des Körpers und ihrer Beziehungen und Verästelungen. Wenn man sie liest, kommt einem sogar der Gedanke, dass er doch einen Menschen seziert haben muss; doch wenn man genauer hinsieht, wird deutlich, dass sich darin nichts findet, was er nicht von einer Ziege hätte lernen können. Er setzt das Herz in die Mitte des gesamten Systems und orientiert die Geometrie der großen Blutgefäße so, dass die Aorta »hinter« (dorsal) dem »großen Blutgefäß« – der Vena cava – liegt, wie sie es nahe dem Herzen auch tut. Wir folgen seiner Beschreibung des »großen Blutgefäßes« und seiner Zuflüsse:


Menschliches Gefäßsystem nach Historia animalium, Buch III

Die Vena cava verläuft durch die größte der drei Kammern des Herzens (rechter Vorhof + Herzkammern). Die obere Vena cava verläuft zum oberen Brustraum und teilt sich dann in die unbenannten Venen, die anschließend in den Schlüsselbeinvenen zusammenfließen, die in die Arme ziehen, und in die beiden paarigen Drosselvenen, die in den Kopf ziehen. Aus den Drosselvenen entspringen die Gesichtsvenen und viele andere kleine Gefäße im Kopf. Die untere Vena cava verläuft durch das Zwerchfell, wo sie sich in die Lebervene, die die Leber versorgt, und die Nierenvenen teilt, die die Nieren versorgen, und läuft dann weiter, bis sie sich in die Beckenvenen teilt, die an den Beinen hinunter bis zu den Zehen verlaufen. Die Venen von Magen, Bauchspeicheldrüse und Gekröse, von denen es viele gibt, vereinigen sich zu einem einzelnen großen Gefäß. Ein Zweig des »großen Blutgefäßes« (die Lungenarterie) teilt sich und verzweigt sich dann immer weiter in immer kleinere Gefäße, die die Lungen versorgen.

Die Terminologie ist modern, denn Aristoteles benannte keine Gefäße mit Ausnahme des »großen Gefäßes« und der Aorta, deren Zuflüsse er auf eine ganz ähnliche Weise verfolgt. Doch seine Beschreibung ist so gut, dass wir wissen, was er meint, selbst wenn seine Sprache, die immer schwerfällig ist, verklumpt; sie ist so gut, dass wir ihr mit modernen Schaubildern in der Hand folgen können; so gut, dass ihre Irrtümer sofort ins Auge fallen.[]

Aber Sezieren ist schwer. Wenn man eine Leiche öffnet, sieht man die Organe nicht ordentlich ausgerichtet, logisch verbunden und praktisch in Kontrastfarben ausgezeichnet, sondern einen Sumpf von kaum unterscheidbaren Röhren und Beuteln und Membranen, die in Lachen von Körperflüssigkeiten schwimmen. Was man in diesem Sumpf sieht, wird stark von dem beeinflusst, was man zu sehen erwartet, denn wie bei jeder Untersuchung verschwören sich bei der Sektion Erwartung und praktische Schwierigkeiten, um die Wahrheit zu verbergen. Erwartungen und Schwierigkeiten lassen sich jedoch manchmal überwinden. Aristoteles fragt sich, wo das Blut hinläuft. Er sieht nach und beschreibt, möglicherweise zum ersten Mal, wie Blutgefäße sich wieder und wieder verzweigen, bis sie zu winzigen Gefäßen werden, den Kapillaren, und im Fleisch verschwinden.

Die Lagune

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