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VII. Geldbußrahmen

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Die Vorschrift des § 130 Abs. 3 OWiG über den Geldbußrahmen für die Ordnungswidrigkeit der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen nimmt Bezug auf die Sanktionsdrohung für die „Pflichtverletzung“. Gemeint ist damit die von (mindestens) einer zu beaufsichtigenden natürlichen Person verwirklichte Zuwiderhandlung gegen inhaberbezogene Pflichten, deren Verletzung mit Strafe oder mit Geldbuße bedroht ist (s. § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG). Im Einzelnen ist zwischen der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung gegen eine natürliche Person und der an die Aufsichtspflichtverletzung einer natürlichen Leitungsperson anknüpfenden Verbandsgeldbuße gemäß § 30 OWiG zu unterscheiden.[50]

Beispiel

Ein nicht der Leitungsebene angehörender Mitarbeiter einer GmbH hat an Submissionsabsprachen mitgewirkt und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass wenigstens einer der Geschäftsführer als Beteiligter i.S.v. § 14 OWiG in eine Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot gemäß § 81 Abs. 1 i.V.m. Art. 101 Abs. 1 AEUV oder § 81 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB bzw. als Teilnehmer oder Mittäter i.S.v. §§ 25–27 StGB in die Straftat der Wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) verwickelt war. Die Kartellbehörde und die Strafkammer beim LG sehen aber die von dem zuständigen Geschäftsführer der GmbH zur Verhinderung derartiger Verstöße getroffenen Aufsichtsmaßnahmen für eine Gesellschaft dieser Größe als völlig unzureichend an.

Wo liegt das Höchstmaß´der gegen den Geschäftsführer möglichen Individualgeldbuße, wo das Höchstmaß der gegen die GmbH festzusetzenden Verbandsgeldbuße?

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Für das Höchstmaß der Geldbuße gegen eine natürliche Leitungsperson wegen einer Aufsichtspflichtverletzung gilt nach § 130 Abs. 3 OWiG Folgendes:

Ist die Pflichtverletzung mit Strafe bedroht, so beträgt die Geldbußobergrenze bei vorsätzlicher Aufsichtspflichtverletzung 1 Mio. € (§ 130 Abs. 3 S. 1 OWiG), bei einer fahrlässigen Aufsichtspflichtverletzung nach der Regel des § 17 Abs. 2 OWiG also 500 000 €.
Ist die Pflichtverletzung mit Geldbuße bedroht, so bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße (§ 130 Abs. 3 S. 3 OWiG). Dieses lag bisher im Ordnungswidrigkeitenrecht in der Regel bei maximal 1 Mio. € (zu § 81 Abs. 4 GWB s.u. Rn. 69), kann aber im Kapitalmarktbußgeldrecht seit den Finanzmarktnovellierungsgesetzen von 2016 und 2017 (o. 2. Kap. Rn. 14) bis zu 5 Mio. € betragen (§ 50 Abs. 9 S. 1, Abs. 10 S. 1 BörsG, § 56 Abs. 6 Nr. 1 KWG, § 172 Abs. 2 Nr. 1 SAG, § 332 Abs. 5 VAG, § 120 Abs. 18, 20, 21, jeweils S. 1 WpHG, § 60 Abs. 3 WpÜG). Bei fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung halbiert sich dieser Höchstsatz gemäß § 17 Abs. 2 OWiG; soweit für eine fahrlässig begehbare Anknüpfungs-Ordnungswidrigkeit ebenfalls § 17 Abs. 2 OWiG gilt, wird die Obergrenze des Bußgeldrahmens sogar auf ein Viertel reduziert.[51]
Im Falle einer Pflichtverletzung, die gleichzeitig mit Strafe und Geldbuße bedroht ist, bleibt ein Geldbußrahmen für die Aufsichtspflichtverletzung wegen einer mit Geldbuße bedrohten Pflichtverletzung gemäß § 130 Abs. 3 S. 3 OWiG, der das für die Aufsichtspflichtverletzung wegen einer mit Strafe bedrohten Pflichtverletzung gegebene Höchstmaß von 1 Mio. € (§ 130 Abs. 3 S. 1 OWiG) übersteigt, weiter maßgebend, auch wenn die Ordnungswidrigkeit nach der Regel des § 21 OWiG durch die Straftat verdrängt wird (§ 130 Abs. 3 S. 4 OWiG i.d. Zählung der 8. GWB-Novelle).[52]

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Knüpft eine Verbandsgeldbuße gemäß § 30 OWiG an die von einer Leitungsperson einer juristischen Person oder Personenvereinigung begangene Ordnungswidrigkeit der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 OWiG an, so gilt:

Grundsätzlich bestimmt sich gemäß § 30 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 130 Abs. 3 S. 3 OWiG das Höchstmaß der an die Aufsichtspflichtverletzung anknüpfenden Verbandsgeldbuße nach dem für den Unternehmensinhaber oder seine Leitungspersonen i.S.v. § 9 OWiG angedrohten Höchstmaß der Individual-Geldbuße für die Aufsichtspflichtverletzung. Das sind bei einer mit Strafe bedrohten Pflichtverletzung gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 OWiG 1 Mio. €, bei einer mit Geldbuße bedrohten Pflichtverletzung ist es gemäß § 130 Abs. 3 S. 3 OWiG deren Höchstmaß (o. Rn. 67).
Nach § 130 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG verzehnfacht sich das Höchstmaß der an die Ordnungswidrigkeit der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 OWiG anknüpfenden Verbandsgeldbuße für diesen Tatbestand bei einer mit Strafe bedrohten Pflichtverletzung auf 10 Mio. € . Bei einer mit Geldbuße bedrohten Pflichtverletzung gilt dagegen diese Verzehnfachung nicht; das ergibt sich zwingend aus der Stellung des Satzes 2 im Gefüge des § 130 Abs. 3 OWiG.[53] Insoweit bestimmt sich daher das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 Abs. 3 S. 3 OWiG weiterhin nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße. Die darin liegende Ungereimtheit im Vergleich mit S. 2 der Norm kann nur der Gesetzgeber beseitigen.

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In dem Beispielsfall einer Aufsichtspflichtverletzung wegen des Vorwurfs einer nicht verhinderten oder wesentlich erschwerten Zuwiderhandlung gegen die Pflicht zur Unterlassung von Submissionsabsprachen durch Sachbearbeiter einer GmbH unterhalb der Leitungsebene, die gemäß § 298 StGB mit Strafe und zugleich nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 101 AEUV oder nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB mit Geldbuße bedroht sind, ergeben sich somit folgende Begrenzungen:

Gegen die Geschäftsführer oder leitende Beauftragte der GmbH i.S.v. § 9 OWiG kann nach § 130 Abs. 3 S. 4 i.V.m. S. 3 OWiG zur Ahndung der Aufsichtspflichtverletzung eine Geldbuße bis zu 1 Mio. € verhängt werden (wegen der Kartellordnungswidrigkeit: gemäß § 81 Abs. 4 S. 1 GWB, wegen der Straftat des § 298 StGB: gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 OWiG).
Gegen die GmbH als juristische Person kann gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 OWiG und S. 2 OWiG eine Verbandsgeldbuße bis zu 10 Mio. € festgesetzt werden. Die Situation des § 130 Abs. 3 S. 4 OWiG (o. Rn. 67) ist nicht gegeben, weil sowohl nach § 130 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 81 Abs. 4 S. 1 GWB als auch nach § 130 Abs. 3 S. 1 OWiG eine Geldbuße von 1 Mio. € in Betracht kommt, das Höchstmaß für die mit Geldbuße bedrohte Pflichtverletzung also nicht das für die mit Strafe bedrohte übersteigt. Deshalb verdrängt nach dem Grundsatz des § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG die mit Strafe bedrohte Pflichtverletzung die nur mit Geldbuße bedrohte. Somit öffnet sich die Anwendung des § 130 Abs. 3 S. 1 und S. 2 OWiG.[54]
Dagegen ist es nicht möglich, für die an die Aufsichtspflichtverletzung anknüpfende Verbandsgeldbuße auf das Höchstmaß nach § 81 Abs. 4 S. 2, 3 GWB in Höhe von 10 % des Vorjahresumsatzes der wirtschaftlichen Einheit zuzugreifen.[55] § 81 Abs. 4 S. 2 GWB definiert, wie die authentische Interpretation durch § 81b Abs. 1 S. 1 GWB klarstellt, das Höchstmaß für eine Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung (Verbandsgeldbuße gemäß § 30 OWiG) wegen der Kartellordnungswidrigkeit und nicht, wie es § 130 Abs. 3 OWiG allenthalben verlangt, für die Pflichtverletzung einer zu beaufsichtigenden natürlichen Person.[56] § 81 Abs. 4 S. 2 GWB gilt zudem nach der ausdrücklichen enumerativen Aufzählung seiner Anknüpfungsnormen allein für die Kartellordnungswidrigkeiten gemäß § 81 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 lit a, Nr. 3 und Abs. 3 GWB, nicht aber für § 130 OWiG. Auch aus § 81 Abs. 3a (3. Teil 6. Kap. Rn. 42) ergibt sich nichts anderes, denn diese Norm gilt nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur für eine „Ordnungswidrigkeit nach den Absätzen 1 bis 3“ (scil. des § 81 GWB) und nicht auch nach § 130 OWiG; weil § 81 Abs. 3b und Abs. 3c sich auf Abs. 3a beziehen, erstreckt sich diese Eingrenzung des Anwendungsbereichs auch auf sie.
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