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4. Profilierung der Aufsichtspflicht durch das Erfordernis der betriebstypischen Zuwiderhandlungsgefahr

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Aus der Abkoppelung der konkret begangenen Zuwiderhandlung als bloßer objektiver Ahndungsbedingung von der Tathandlung des Unterlassens der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen (o. Rn. 48) resultiert eine hohe Unbestimmtheit des Tatbestandes der Aufsichtspflichtverletzung, die durch die vorstehend entwickelten Anwendungsbeispiele zwar gemildert, aber keineswegs beseitigt wird. Das ist mit dem auch für die Bußgeldvorschriften geltenden verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG) schwerlich vereinbar. Da die schließlich begangene Zuwiderhandlung nicht nachträglich zur Konkretisierung der Anforderungen an die gebotene Aufsicht herangezogen werden darf, lässt sich diese Unbestimmtheit nur überwinden, wenn man einen ex ante gültigen Gesichtspunkt zur Präzisierung der Verhaltensnorm herausarbeitet, deren Missachtung dem Aufsichtspflichtigen legitimerweise zum Vorwurf gemacht werden darf. Dieser kann nur liegen in der Gefahr bevorstehender Zuwiderhandlungen, wie sie für das Unternehmen typisch sind, zu dessen Leitungspersonal die aufsichtspflichtige Person gehört.

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Der Tatbestand des § 130 OWiG ist daher in verfassungskonformer Auslegung zu ergänzen um das ungeschriebene Merkmal der betriebstypischen Gefahr gerade solcher Zuwiderhandlungen, wie sie tatsächlich von dem Mitarbeiter begangen worden sind.[29] Wenn man die „gehörige Aufsicht“ i.S.d. § 130 OWiG auf diejenigen Maßnahmen begrenzt, die nötig sind, um die für den jeweiligen Betrieb oder das jeweilige Unternehmen typischen Zuwiderhandlungen zu verhindern, gewinnt man einen Maßstab, welcher dem Begriff der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen einen höheren Grad an inhaltlicher Bestimmtheit verleiht.

Beispiele

Typisch für Unternehmen der Bauwirtschaft dürfte heutzutage die Gefahr der illegalen Beschäftigung ebenso sein wie die von Submissionsabsprachen. Typisch für Unternehmen der Lebensmittelbranche ist die Gefahr von Verstößen gegen das LMBG, typisch für das Speditionsgewerbe die von Verstößen gegen Beladungsvorschriften, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Lenkzeitregelungen usw.

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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