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5.4 Die Furcht – die Soziale Phobie

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Der inneren „Schwere und Müdigkeit“1 setzt der Bruchstück-Mensch eine „scharfe, reaktive Konzentration auf die Aussenwelt“2 entgegen. Aufgrund seines schwachen Willens und dem damit verbundenen Gefühl der Ohnmacht drückt ihn „die Furcht vor der Aussenwelt, vor der anderen Person; es handelt sich an dieser Stelle sogar um das Unvermögen, das Aussenstehende nicht zu fürchten“.3

Zum Thema „Furcht“ sind in Nietzsches Werk unterschiedliche und widersprüchliche Äußerungen zu finden: So lässt er Zarathustra sagen:

Furcht nämlich – ist unsre Ausnahme. Muth aber und Abenteuer und Lust am Ungewissen, am Ungewagten, – Muth dünkt mich des Menschen ganze Vorgeschichte. Den wildesten muthigsten Thieren hat er alle ihre Tugenden abgeneidet und abgeraubt: so erst wurde er – zum Menschen.“4

In den Werken Morgenröthe, Jenseits von Gut und Böse, Menschliches, Allzumenschliches oder der Genealogie der Moral hingegen beschreibt Nietzsche den Menschen aufgrund „seiner feinen und zerbrechlichen Natur“5 als das „furchtsamste aller Geschöpfe“.6 „[M]anche hunderttausend Jahre lang“7 sei der Mensch „ein im höchsten Grade der Furcht zugängliches Thier“8 gewesen, das alles Plötzliche und Unerwartete „kampfbereit, vielleicht todesbereit“9 sein ließ. Nachdem „später, in socialen Verhältnissen“10 das „Gefüge der Gesellschaft im Ganzen festgestellt und gegen äussere Gefahren gesichert“11 erschien, sei die alte Furcht „vor wildem Gethier“12 der „Furcht vor dem Nächsten“13 und vor dem „wilden grausamen Thiere“,14 das der Mensch „in sich selber birgt und fürchtet“,15 gewichen.

Die menschliche Furchtsamkeit bezeichnet Nietzsche auch als „Lehrmeisterin des Verstehens“.16 In „langen Jahrtausenden“17 habe der Mensch in „allem Fremden und Belebten eine Gefahr“18 gesehen: „er bildete sofort bei einem solchen Anblick den Ausdruck der Züge und der Haltung nach und machte seinen Schluss über die Art der bösen Absicht hinter diesen Zügen und dieser Haltung“.19 Die auf der Fähigkeit, „sich rasch zu verstellen“,20 beruhende „Nachbildung der Gefühle Anderer“21 ermöglichte das schnelle Verständnis der Mitmenschen. „Aus Furcht“22 wurde es oft für ratsam gehalten, fremde Werthschätzungen und Meinungen anzunehmen, und sich „so zu stellen“,23 als ob sie die eigenen wären. Nach einem Gewöhnungsprozess wurde diese Verstellung dann später häufig zur eigenen „Natur“.24 Nach Nietzsche sind „alle Arten des Verstehens und Sich-Verstellens unter den ängstlichen Völkern zu Hause“25 und prägen „jene breiten Sklaven- und Hörigen-Bevölkerungen“,26 welche sich ihren Herren „durch Unterwürfigkeit und mimicry“27 angepasst haben.

Bei der Entwicklung des Ressentiments schafft die „Furcht vor dem Nächsten (…) neue Perspektiven der moralischen Werthschätzung“.28

Von seelischer Selbstvergiftung und Hasskonserven

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