Читать книгу Sex, Drugs & Symphonies - Bernd Franco Hoffmann - Страница 25
Оглавление17. Ein Axthieb zum Abschied
„Ach du Schreck, ist denn schon Mitternacht?“, fragte ich entsetzt.
„Nee, erst zehn Uhr. Es haben aber zwei Bands abgesagt, die in eine Polizei-Razzia geraten sind. Deshalb sind wir gleich dran.“
„Wartest du auf mich?“, meinte ich zu Ada.
„Mal sehen“, sagte sie, doch ihr süßes Lächeln schien mir wie eine Garantie.
„Doch, du musst auf mich warten, bitte.“
„Bau erst mal dein Schlagzeug auf, damit ich dich endlich mal in Aktion sehe. Viel Glück!“, lachte sie.
„Ich spiele nur für dich“ sagte ich zu ihr und dachte zugleich: Was redest du da für ’nen schwülstigen Quatsch?
Dann enterte ich schon die Bühne, wo es mit dem Instrumentenaufbau recht schnell ging. Orgel, Bass und Mikro wurden über die Verstärker in ein Vier-Spur-Mischpult gestöpselt. An meinem Schlagzeug stand einfach nur ’n Mikro samt Ständer. Ich wunderte mich nur, dass auf Larrys Orgel eine Axt lag.
Mir blieb aber keine Zeit, darüber nachzudenken. Wir machten ’nen kurzen Soundcheck und schon ging’s los, ohne das uns irgendjemand ankündigte, worüber ich mich ärgerte.
„Verdammt, das ist mein erstes Konzert und jetzt weiß keiner, wer wir sind“, fluchte ich, während Larry anfing, seine Cluster zu drücken.
Ihr habt also mit „Radiale Mentaldimensionen“ begonnen.
So war es ja geplant. Bis dahin lief zwischen uns alles ab wie vereinbart. Glücklicherweise ließ die Wirkung des Haschisch nach. Ich bekam mein Spiel allmählich unter Kontrolle. Das Stück baute sich, wie üblich, langsam auf und da ich nur verhalten ’n paar Beckenschläge spielte, wollte ich im Publikum nach Ausschau nach Ada halten.
Doch wie auf Kommando spielte Albert plötzlich immer schneller. Ausgerechnet der sonst so apathische Albert behandelte seinen Bass jetzt plötzlich wie ’ne Schreibmaschine. Mit diesem Typewriting-Stil hätte er ’nem John Entwistle alle Ehre gemacht.
Erst staunte ich über seine noch nie vorher gesehene Fingerfertigkeit, dann dachte ich: Das war aber jetzt so nicht vereinbart. War das jetzt die Rache des Sandalen-Trägers? Ich war gezwungen, ihm musikalisch hinterherzurennen, und wurde so notgedrungen zum Tier, dass im besten Keith-Moon-Stil unentwegt und kräfteraubend auf Becken, Tom und Snare einprügelte. „Wenn das so weiter geht, ist das mein letztes Konzert“, dachte ich panisch.
Und was machte Larry in der Zeit?
Der Larry rastete immer mehr aus. Als ich wie ’n Wilder wirbelte, fing er an, mit seinen beiden Handkanten in Kung-Fu-Manier auf seine Orgel einzuschlagen, was in ’ne einzige Kakofonie ausartete.
Was wohl wieder nicht vereinbart war?
Nix war davon vereinbart. Mit einem Mal stand Larry auf, steckte zwei Streichhölzer in die Tastatur, so dass ’n dissonanter Dauerton erzeugt wurde.
Wie Keith Emerson.
Ja, aber nicht mit Messern, sondern eben mit Zündhölzchen. Dann schnappte er sich plötzlich die Axt und hackte damit wie ’n Irrer auf seine Orgel ein, bis das Ding krachend in sich zusammenbrach. Dann reichte Albert ihm ’ne brennende Fackel, die er in den Orgeltorso warf.
Weil die Orgel aus Plastik war, bekam ich Angst, dass sich durch das Feuer giftige Dämpfe entwickeln könnten. Ich muss Ada retten, ging es mir durch den Kopf, doch da stürmte Larry mit der Axt auf mich zu und schrie: „Weg da!“.
Was dann geschah, war gespenstisch: Larry drosch mit seiner Axt auf mein Schlagzeug ein. Ich versuchte, zumindest noch die Hardware zu retten und fiel mit ’nem Becken und ’nem Hi-Hat in den Händen durch die Wucht der Schläge rücklings von der Bühne. Auf den Rücken liegend sah ich fassungslos zu, wie Larry das Drumset kurz und klein hackte, während Albert immer wieder ins Mikrofon brüllte: „Seid bereit für die neue Zeit!“.
Dann war der Spuk vorbei. Die Bühne sah aus wie ’n Schlachtfeld und unsere Instrumente waren nur noch Trümmer.
Und das Publikum?
Für ’n Moment herrschte absolute Stille, dann fingen die Leute an zu johlen und zu jubeln. Nur ich jubelte nicht. Nachdem Albert und Larry von der Bühne kamen, schrie ich sie an: „Was sollte denn dieser Wahnsinn?“
„Mann, das war eben Neue Destruktive Kunst“, meinte Albert.
„Das war einfach nur idiotisch, wie soll es denn jetzt weitergehen? Wir haben doch keine Instrumente mehr.“
Albert blieb unbeeindruckt: „Weitergehen? Mann, es geht nicht weiter. Mit diesem Konzert haben sich Baden-Württemberg aufgelöst. Larry und ich gehen jetzt auf Weltreise und zwar schon heute Nacht. Kannst dich noch von Ada verabschieden.“ „Wie, Ada fährt mit euch?“
„Klar Mann, jeder Künstler brauchte ’ne Muse.“
Ich dachte, wenn wir jetzt in ’nem Comic-Strip wären, würde ich seine ewige „Klar-Mann“-Sprechblase packen und sie ihm in seinen dämlichen Schlund stecken.
Ich rannte zum VW-Bully, in dem Larry am Lenkrad saß und aus dem Fahrerfenster glotzte, als wär nix gescheh’n: „Sorry, war nicht persönlich gemeint, aber eins sollst du wissen: Du bist ein Superdrummer und wirst noch groß rauskommen.“
Ich wollte ihm gerade entgegenschleudern, dass ich durch seine Schuld jetzt ’n Super-Drummer ohne Drumset war, doch da sah ich Ada auf dem Rücksitz.
„Du fährst echt mit den beiden Wahnsinnigen mit?“, fragte ich fassungslos.
„Ich will was von der Welt sehen, und das ist jetzt die Gelegenheit.“
„Warte doch noch, bis ich berühmt werde, dann zeige ich dir auch die ganze Welt, aber von meinem Privat-Jet aus.“
„Du hast ja noch nicht mal mehr ein Schlagzeug“, lachte sie und damit verpasste sie mir ’nen Schlag in die Magengrube. Wie konnte ich ’nem Mädchen, das ich stundenlang geküsst hatte, so gleichgültig sein? Ich wandte mich wieder an Larry, während Albert schon auf dem Beifahrersitz einstieg.
„Wer ersetzt mir jetzt mein Schlagzeug“? fragte ich, während Larry schon anfuhr. „Mann, sei doch nicht so ein Materialist. Da reden wir drüber, wenn wir zurückkommen“, antwortete Larry.
„Und wann kommt ihr zurück?“, wollte ich wissen.
„Irgendwann“, meinte Larry, trat aufs Gaspedal und brauste mit Albert und Ada hinaus in die dunkle Nacht.
Deine Bandkumpels haben dich einfach so zurückgelassen?
Mit ’nem verbeulten Becken und ’nem defekten Hi-Hat in der Hand. Niemand nahm offenbar von den Geschehnissen Notiz, denn überall um mich herum feierten alle ausgelassen weiter. Adas Küsse schmeckten noch süß, aber ich fühlte mich von Albert und Larry verarscht und der Gedanke, kein Schlagzeug mehr zu besitzen, schmeckte bitter. Und es war bitterkalt. Ich wollte nur noch nach Hause. Mein Bedarf an solchen „Happenings“ war vorläufig gedeckt.
Todmüde kam ich mit Becken und Hi-Hat erst nach ’nem stundenlangen Marsch zu Hause an. Glücklicherweise besaß ich ’nen Schlüssel, sodass ich mich unbemerkt in die Wohnung schleichen konnte, ohne dass meine Eltern doofe Fragen stellen konnten. Wie es ohne Schlagzeug weitergehen sollte, wusste ich allerdings nicht.