Читать книгу Sex, Drugs & Symphonies - Bernd Franco Hoffmann - Страница 42

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33. 48, 45, 29

Wann erfuhr die Band, dass Essex ohne euer Wissen „We Are Alone“ als Single auskoppelte?

Riggbert: Also, den Tag genau weiß ich nicht mehr, aber den Moment. Wir waren seit März 1970 einen Monat auf Tour und verzweifelt. Als Band funktionierten wir trotz der technischen Probleme mit Moog und Mellotron schon ganz gut. Unsere Musik kam auch beim Publikum gut an. Doch die Besucherzahlen ließen erheblich zu wünschen übrig. Selbst die kleinen Hallen waren manchmal halbleer.

Es ist frustrierend, wenn du vor so wenigen Leuten spielst. Die Hotels und Umkleideräume waren auch immer ziemlich öde. Die anderen Bands wollten mit uns nichts zu tun haben, und so waren wir ziemlich auf uns allein gestellt. Groupies interessierten sich für uns noch nicht und Alkohol tranken wir auch nicht, weil wir für die Auftritte fit sein wollten.

Also viel Symphonie, aber keine Drogen und kein Sex.

Später war die Reihenfolge genau umgekehrt.

Und wann passierte jener besagte Moment?

Ich glaube, es war in Blackpool, wo wir an jenem Abend vielleicht vor 300 Zuschauern in einer ziemlich staubigen Turnhalle auftraten.

Staubig? Oh je, der arme Wolfgang.

Du sagst es. Ich muss dazu sagen, dass wir bei den Auftritten immer alles gaben.

Wir mussten alles geben, weil die Musik so komplex war. Deshalb hockten wir nach rund 90 Minuten Konzert stets völlig ausgepumpt in den Umkleidekabinen auf harten Holzbänken oder verschlissenen Sofas. Und wie jeden Abend gab es als Catering Fish 'n' Chips mit bitter schmeckendem Orangensaft. Ich fühlte mich von dem vielen Fisch allmählich wie ein Pinguin. Wolfgang stampfte an diesem Abend nach dem Konzert mal wieder wütend auf und ab.

Weil er mal wieder Probleme mit dem Moog hatte?

Klar, was sonst. Er fluchte vor sich hin: „Nicht zu fassen, ein bisschen Dreck in der Halle und schon streikt das Ding wieder. Vielleicht hatte Bill Wyman doch Recht und das Ding ist wirklich verflucht.“

Keine Ahnung, was er damit meinte. Ich hörte jedenfalls nicht mehr hin, sondern stellte das kleine Kofferradio an, das ein wenig verloren auf einer kleinen braunen Holzkommode stand. Und was lief da rein zufällig? Die BBC-British-Single Charts.

Theyler: Die Sendung ging offenbar gerade erst los, denn der Sprecher kündigte Platz 50 an. Das war damals die Edgar Broughton Band mit „‚Out Demons Out‘“.

Mit einem Bandmitglied sollte ich noch ’n ätzendes Erlebnis haben. Danach kam auf Platz 49 ’ne mir völlig unbekannte Gruppe namens ‚White Plains‘.“

White Plains Besetzung wechselte oft und „My Baby Loves Lovin“ landete schließlich sogar auf Platz 9.

Wie auch immer, den Song habe ich schon längst vergessen. Im Gegensatz zu dem, was danach folgte.

Riggbert: Der Sprecher kündigte dann die nächste Platzierung an und sagte so was wie: „Neu von 0 auf Platz 48: Adrian, Riggbert & Theyler mit We Are Alone.“

Theyler: Ich dachte erst, ich hätte mich verhört, aber als das Stück lief, gab’s keinen Zweifel mehr: Das waren wir, die im Radio zu hören waren.

Adrian: Meine anfängliche Freude bekam allerdings schnell einen Dämpfer, als ich kapierte, dass es sich um die offiziellen britischen Single-Charts handelte. Bei mir ratterte es sofort im Kopf: Also kein Auszug aus dem Album, sondern die Single-Charts? Wenn wir aber in den Single-Charts sind, gibt es von uns ja eine Single zu kaufen. Aber es gibt doch von uns keine Single zu kaufen, weil wir albumorientiert arbeiten und keine Singles auskoppeln. Also können wir ja gar nicht in den Single-Charts sein. Aber da wir ja in den Single-Charts waren, musste es also eine Single von uns geben. Ich war erst verwirrt und dann stinksauer.

Warum?

Hier wurde offenbar hinter unserem Rücken gehandelt. Und dann noch ausgerechnet „We Are Alone“, das den Bandsound überhaupt nicht repräsentierte. Da hatten wir ein Album produziert, vollgepackt mit expressiven Songs, elektronischen Sounds und einem fulminanten Groove, und dann wird ausgerechnet die einzige Ballade ausgekoppelt. Sicher ein netter Song, in dem wir aber instrumentaltechnisch völlig unterrepräsentiert waren. Ich verdächtigte zunächst Michael, doch der schien ebenso überrascht.

Maxner: Bevor alles in einen handfesten Krach ausartete, erzählte ich den Jungs von Essex’ eigenmächtigem Handeln.

„Ihr habt uns verraten und verkauft“, zischte Wolfgang wütend.

„Sei nicht immer gleich so melodramatisch“, entgegnete Michael, aber Wolfgang meckerte weiter: „Ich dachte, wir besitzen alle künstlerische Freiheiten und dann wird, ohne uns zu fragen, ein Song als Single veröffentlicht, den wir gar nicht als Single veröffentlichen wollten.“

„Darum hat der Lord ja auch gar nicht erst gefragt“, meinte Michael.

„Das geschah eben aus markttechnischen Gründen, du musst den Lord verstehen“, erklärte ich.

„Gar nichts muss ich. Wir müssen Essex verklagen“, entgegnete Wolfgang.

Theyler: Also ich das hörte, wurde ich sauer auf Wolfgang: „Das Label verklagen, spinnst du eigentlich? Sei doch froh, dass die so an unserem Erfolg arbeiten. Oder willst du ewig in diesen beschissenen Turnhallen spielen?“

Maxner: Ich versuchte es nochmal mit rationaler Vernunft: „Essex macht bisher nur Verluste und wir wären bald wieder ohne Plattenvertrag. Klar, das ist eine Ballade und nicht unbedingt typisch für den ART-Sound, aber der Song ist dennoch großartig. Mensch, wir wollten doch den Erfolg, und jetzt sind wir auf dem besten Weg, erfolgreich zu werden.“

Riggbert: Wolfgang beruhigte sich allmählich, verwehrte sich aber gegen weitere Eigenmächtigkeiten des Labels. Ich war einfach nur mächtig stolz auf unseren Erfolg.

Es war zunächst nur Platz 48, aber es war unser Song und unser Bandname, von dem im Radio die Rede war. Aber ich glaube, wenn die Leute genauer auf den Text geachtet hätten, wäre das Lied von der BBC boykottiert worden.

Schließlich drückte ich in dem Text wieder eine sehr atheistische und materialistische Weltsicht aus. Mir ging, wie ich schon sagte, dieses ganze Gottes- und Jesus-Gefasel extrem auf die Nerven. Ich bekam einen richtigen Hass, weil ich den schädlichen Einfluss von Religionen auf die menschliche Gesellschaft erkannte– das Opium des Volkes eben, wie Karl Marx richtig analysierte.

Glücklicherweise erkennen im Laufe der Geschichte immer mehr Menschen, dass nicht irgendwelche Götter ihr Leben bestimmen, sondern sie selbst für ihr Glück verantwortlich sind. Das wollte ich damals mit dem Song ausdrücken.

Maxner: Ich fragte mich, wie Lord Essex das so schnell hinbekam. Hatte er sämtliche Radio-DJs bestochen oder in den Geschäften alle ART-Singles aufgekauft?

Adrian: Als ich mir das Single-Cover während der Tour in einem Plattenladen in Edinburgh anschaute, entdeckte ich, dass auf der B-Seite der Single auch noch eine gekürzte Version von der „Cannonball Symphony“ war, damit es auf das Drei-Minuten-Singleformat passte. Wieso wurden wir darüber nicht informiert? Ich wurde wieder sauer, sagte aber nichts, weil ich nicht schon wieder als Stinkstiefel dastehen wollte.

Maxner: Mit dem Erfolg von „We Are Alone“ fing die Karriere von Adrian, Riggbert & Theyler jetzt richtig an. Ich kann heute noch mühelos runterrattern, wie der Song, wenn auch langsam, Woche für Woche, immer höher in die Charts stieg: 48, 45, 29, 22, 14, 11 und dann im Mai 1970 auf Platz 9. Adrian, Riggbert & Theyler waren in den britischen Top-10! Das Lied wurde häufig im Radio gespielt, und wir bekamen sogar das Angebot, in der Musiksendung „Top Of The Pops“ aufzutreten.

Riggbert: Plötzlich standen wir vermehrt im MELODY MAKER und NEW MUSICAL EXPRESS, anfangs eher als Randnotiz. Aber jetzt wurde auch das Album endlich für die Radiostationen interessanter, die uns immer öfter spielten. Und dem Publikum gefiel die Musik, denn als „We Are Alone“ die Top-10 erreichte, stieg das Album ebenfalls in die britischen Charts ein.

Maxner: Von 0 auf Platz 39. Es war einfach fantastisch.

Theyler: Eine Woche lang stand der Song auf Platz 6 und das Album kletterte ebenfalls munter nach oben. Wir traten im selben Monat in „Top Of The Pops“ auf.

Maxner: Essex war natürlich begeistert von dieser Entwicklung und sah sich bestätigt. Und ich bekam erstmals mit, wie gnadenlos Essex sein konnte.

„Ich werde Rain Garden und Cotton Cookies feuern, die sind nur noch Ballast, der mich Geld kostet. Wir konzentrieren unsere Kräfte ganz auf Adrian, Riggbert & Theyler. Ich mache sie zur größten Band des Universums“, teilte er mir mit.

Mir sollte das recht sein. Und natürlich war längst klar, wer auf dem Isle-Of-Wight-Festival spielen würde. Rain Garden und Cotton Cookies wurden gedroppt. Ich habe von diesen Bands nie mehr was gehört.

Sex, Drugs & Symphonies

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