Читать книгу Sex, Drugs & Symphonies - Bernd Franco Hoffmann - Страница 29

Оглавление

21. Eine deutsche Band von internationalem Format

Der „seltsame junge Mann“ ist Uwe Maxner, von allen nur „Max“ genannt. Maxner ist der Mann, dem Adrian, Riggbert & Theyler vieles verdanken. Als Manager war Max stets ein loyaler und väterlicher Freund. Aber natürlich profitierte er auch von der Band, denn sie machten ihn zum Millionär. Ich sitze mit meinem Tonbandgerät bei Max, der mir vom ersten Auftritt erzählt, warum er sofort an das Trio glaubte und alles auf eine Karte setzte.

Maxner: Ich muss vorausschicken, dass ich damals in der Firma meines Vaters arbeitete, der einen florierenden In- und Export-Handel mit mehreren Filialen im Ausland besaß. Dadurch war ich auch öfter in Madrid, Paris oder London. London war das Größte und überhaupt nicht mit einer deutschen Stadt vergleichbar. Es war die Zeit des Swinging London. Überall in der Stadt fanden Ende der 1960er-Jahre Konzerte und Happenings statt.

Ich hatte eine kaufmännische Ausbildung absolviert und suchte immer noch nach meiner eigentlichen Profession, denn die Arbeit im väterlichen Betrieb interessierte mich null. Ich verspürte wenig Lust, mein ganzes Leben mit dem Verkauf von Kühlschränken, Waschmaschinen oder elektrischen Dosenöffnern zu verbringen.

Ich liebte die Popmusik und versuchte mich auch auf einem Instrument. Ich merkte aber schnell, dass ich in dieser Hinsicht ziemlich talentfrei war. Aber ich konnte gut mit Geld und Zahlen umgehen, und ich war kontaktfreudig. Deshalb träumte ich davon, eine Band zu managen und sie ganz nach oben zu bringen, so wie Brian Epstein einst die Beatles.

Und wie bist du damals auf Adrian, Riggbert & Theyler gekommen?

Ich schaute mir immer mal wieder Bands in unserer Stadt an. Die meisten waren jedoch todlangweilig. Entweder spielten diese Mucker den typischen Beatkram, coverten Songs von den Beatles und Rolling Stones oder verloren sich in psychedelischen Experimenten. Damit konnte ich rein gar nichts anfangen.

Die meisten Bands waren zudem Dilettanten an ihren Instrumenten, und alles klang so hausbacken. Ich aber suchte nach einer deutschen Band von internationalem Format, die ich weltberühmt machen wollte.

Und dann, ich vergesse diesen Tag nie, sah ich an einem Bauzaun oder Stromkasten, das weiß ich nicht mehr so genau, ein Plakat mit der Aufschrift:

IN CONCERT!

Adrian, Riggbert & Theyler

„Music That Changes Your Mind“

Wolfgang Adrian: Keyboards

Michael Riggbert: Vocals, Bass & Guitars

Stefan Theyler: Drums & Percussion.

17. Mai 1969, Krauthaus, 20 Uhr

So etwas hatte ich ja noch nie gesehen.

Was war an diesem Plakat denn so besonders?

Eine Band, die niemand kannte und aus den Nachnamen bestand, fand ich ganz schön verwegen. Die müssen jedenfalls sehr überzeugt von sich sein, und eine Musik, die dein Bewusstsein verändert, das ist doch mal ein Versprechen, sagte ich mir.

Michael erzählte mir, dass du in Anzug und Krawatte zum Konzert gekommen bist.

Ich war es vom Job gewohnt, immer Anzug zu tragen. Es war für mich wie eine zweite Haut. Als ich im „Krauthaus“ ankam, bestellte ich mir einen Whisky, setzte mich an einen Tisch, von dem ich aus die Bühne aus gut sehen konnte, und harrte der Dinge, die da kommen.

Aber dann kam erst einmal eine Band namens Monsterbeef.

Ja, von einer zweiten Band wusste ich nichts, denn auf dem Plakat war davon nichts zu lesen. Können die sich bereits eine Vorband leisten?, dachte ich noch ehrfürchtig. Und dann nudelte diese Rockabilly-Band erstmal stundenlang alte Bill Haley-, Elvis Presley-, und Chuck Berry-Kamellen runter. Und die wollten und wollten einfach nicht aufhören.

Ich hatte bereits den dritten Whisky vor mir stehen und überlegte schon ernsthaft, den Laden wieder zu verlassen, als plötzlich eine wunderbare Stille eintrat. Dann kam ein Junge auf die Bühne, der das Konzert für beendet erklärte und Adrian, Riggbert & Theyler ankündigte.

Der Junge war Michael.

Ja, und ich war ihm echt dankbar. Erst später erfuhr ich, dass Michael einfach den Stecker gezogen hatte. Dann musste ich mich weiter gedulden, denn natürlich mussten erst die Instrumente ab- und dann wieder aufgebaut werden. Ich stieg von Whisky auf Kaffee um, damit ich wieder einen klaren Kopf bekam. Und der war auch nötig, denn als ich sah, wer da seine Instrumente aufbaute, glaubte ich an einen Scherz: Drei Jungs, die mit Sicherheit höchstens 18 Jahre alt, eher jünger waren. Ich kann doch keine Schülerband managen, dachte ich.

Aber wenn ich schon mal hier war, da konnte ich mir diese Jungs auch ansehen. Wolfgang war emsig dabei, seine Orgel zu verkabeln. Er machte einen ernsten und gewissenhaften Eindruck. Michael, dessen Gesicht mich ein wenig an Joe Dallesandro aus den Andy-Warhol-Filmen erinnerte, erschien mir geradezu prädestiniert für einen Frontmann. Stefan sah aus wie ein Bübchen, aber ein hübsches Bübchen.

Hast du das Konzert noch in Erinnerung?

Noch ziemlich gut. Michael ging zum Mikrofon und sprach: „Please welcome the entire music experience: Adrian, Riggbert & Theyler!“

Der Freak, der die ganze Zeit vor der Bühne stand und immer „Yeah“ schrie, brüllte auch jetzt „Yeah“, während ich erstmal höflich applaudierte. Zunächst erzeugte Wolfgang auf seiner Orgel einen düsteren Schwellton, wozu Stefan mit Filzschlegeln einen hypnotischen Rhythmus klopfte und gegen einen kleinen Gong schlug. Das war so ein Spielzeug-Gong mit dem Umfang einer Untertasse. Die waren damals als Accessoire in Mode und auch meine Mutter benutzte ihn, um uns zum Mittagessen zu rufen. Das besaß schon was Rührendes.

Theyler: Ich entschloss mich spontan, den Gong heimlich aus meinem Elternhaus zu entwenden. Michael fand das gar nicht so toll: „Mann, erst die Blechdose und jetzt dieser Winzgong. Beim nächsten Mal kommst du dann mit ’ner Triangel. Wir sind doch hier nicht im Kindergarten.“

Ich musste lachen und dachte: Leck mich Junge. Hauptsache, ich hab meinen Gong.

Maxner: Michael zupfte leicht den Bass, dann wechselte Wolfgang unvermittelt in eine dramatische Akkordfolge und die Band legte plötzlich los wie nach einem Urknall. Wolfgang spielte rasante Orgel-Arpeggien, zu denen Stefan einen Powerbeat und Michael einen sehr perkussiven Bass spielte. Das zog sich über mehrere Minuten, ohne langweilig zu werden, weil die musikalische Dramatik einen völlig in den Bann zog. Dann wechselte das Thema, und Michael fing zu singen an. Und seine wohlklingende Tenorstimme begeisterte mich sofort. Es war „Prelude To Power”, und ich war hin und weg.

Schnell war mir klar: Hier spielte eine Band, aus der was Großes werden konnte. Mit Wolfgang besaß die Band einen virtuosen und einfallsreichen Keyboarder, sowie mit Stefan einen außergewöhnlichen Schlagzeuger, der sein komplettes Set aus Becken und Trommeln in sein Spiel einbezog. Michael war ein ausgezeichneter Sänger sowie formidabler Bassist und Gitarrist. Zusammen ergab das drei hochtalentierte Jungs, die nicht einfach Songs, sondern wahre Hymnen schrieben, auch wenn damals alles noch nicht so ausgereift war.

Dabei war das damalige Equipment eigentlich erbarmungswürdig. Bei Wolfgangs Orgel war schon eine Taste rausgebrochen. Aufgrund eines defekten Ständers wackelte sie bedenklich. Bei Michaels Bass blätterte der Lack ab. Stefans Schlagzeug drohte unter seinen Schlägen in sich zusammenzufallen. Und dennoch klangen sie klasse. Kaum zu glauben, dass Jungs im Alter von 17 Jahren schon so eine Musik spielten. Und dann gab es noch ein wirklich kunstvolles Schlagzeugsolo von Stefan sowie eine sehr schöne Einlage von Michael mit der Akustik-Gitarre. Diese Band musste ich kennen lernen. Aber die Jungs waren damals wohl von ihrem ersten Gig nicht so begeistert.

Max erzählte mir, dass ihr nach eurem Auftritt völlig enttäuscht gewesen seid.

Adrian: Wer wäre das nicht? Es war total frustrierend, weil keine Leute mehr da waren. Das Publikum war praktisch mit Monsterbeef abgezogen.

Mit ihm inklusive waren noch drei Zuschauer übrig geblieben.

Riggbert: Als wir auf die Bühne gingen und nur noch drei Leute im Publikum waren, dachte ich noch: Oh Mann, das kann doch alles nur ein Witz sein. Aber dann riss ich mich zusammen. Ich ging zu Wolfgang und Stefan, die frustriert hinter ihren Instrumenten hockten und versuchte, sie aufzumuntern: „Jungs, lasst uns das Ganze als öffentliche Generalprobe sehen und unsere Musik unter Auftrittsbedingungen testen.“

„Das nennst du einen Auftritt?“, jammerte Wolfgang.

Theyler: Ich denke, technisch gesehen war unser Konzert okay. Die PA war gut, und nach zehn Minuten waren wir glücklicherweise drin in unserer Musik und vergaßen die Umgebung. Aber ich weiß bis heute nicht, warum Max nach unserem Auftritt so enthusiastisch war.

Ich überlegte sogar noch, das Schlagzeugsolo wegzulassen, aber es war mein allererstes bei einem Konzert, und so konnte ich es zumindest mal unter Bühnenbedingungen testen. Es war natürlich absolut enttäuschend, danach kaum Applaus zu hören, sondern immer nur diesen besoffenen Typen, der nach jedem Stück „Yeah! Yeah! Yeah!“ schrie.

Adrian: Unser Auftritt war gut, keine Frage. Vom musikalischen Standpunkt aus betrachtet konnten wir zufrieden sein. Doch als wir die Bühne nach einer Stunde verließen, kam mir unser Vorhaben plötzlich absurd vor. Was dachten wir uns nur, beschissene Jobs anzunehmen, vom großen Durchbruch zu träumen, um dann hier so eine Scheiße zu erleben? Ich gehe lieber wieder auf die Schule, als mich so einer frustrierenden Situation auszusetzen.

Riggbert: Die Musik war aus, und der Freak abgezogen. Bernie sammelte die letzten Gläser ein und machte den Laden dicht. Auf uns war er gar nicht gut zu sprechen: „Na toll, drei Zuschauer bei eurem Konzert, die kaum was getrunken haben. Ich gebe euch einen guten Rat: Lasst das mit der Musik und konzentriert euch auf die Schule, den Fußballverein oder den Konfirmandenunterricht.“

„Wir verplempern unsere Zeit nicht mit Volksverblödung und Religionspropaganda“, entgegnete ich.

„Welche Schraube ist denn bei dir locker?“, schüttelte Bernie den Kopf.

Bevor ich was erwidern konnte, kam plötzlich dieser Typ mit Anzug auf die Bühne. Der hat uns gerade noch gefehlt, was will der denn? Ist der etwa vom Jugendamt und will unsere Ausweise kontrollieren? Was er dann sagte, kam für mich völlig unerwartet: „Euer Konzert hat mir sehr gut gefallen.“

„Vielen Dank, unsere Autogrammkarten haben wir leider vergessen“, antwortete ich sarkastisch.

„Nein, wirklich, sehr gut ist eigentlich kein Ausdruck, ihr wart fantastisch. Ich bin sicher, dass ihr mit eurer Musik ganz groß rauskommt.“

„Dankeschön, wir werden uns bemühen“, lächelte ich gequält, weil ich den Typ nicht ernst nahm.

„Nein, im Ernst, ICH werde mich bemühen. ICH werde euch groß herausbringen und ICH würde euch gerne managen“.

Damit hattet ihr wohl nicht gerechnet?

Riggbert: Wer rechnet schon mit sowas? Allein sein Äußeres wirkte auf mich befremdlich. Er war damals Mitte 20, trug einen spießigen Anzug und einen etwas zu adretten Haarschnitt. Damit wirkte er in dem Schuppen völlig deplatziert. Ich dachte, wer mit so einem Anzug in so einen Laden kommt, muss entweder ein absoluter Spießer oder zumindest konsequent sein. Er hörte nicht auf zu reden, und allmählich wurden auch Wolfgang und Stefan hellhörig.

Er sprach davon, dass er beruflich öfter in London sei, dass er dort schon viele Bands gesehen hätte, und dass wir mit denen absolut mithalten könnten. Und da hörten wir auf, abzubauen und hörten nur noch zu.

Theyler: Klar, dass uns so was schmeichelte. Eben hatten wir vor drei Leuten gespielt, und jetzt standen wir plötzlich vor dem internationalen Durchbruch.

Adrian: Dann sagte er, dass er mit uns demnächst alles in Ruhe weiter besprechen wolle. Wir verabredeten uns für den übernächsten Tag im Proberaum.

Maxner: Ich war total enthusiastisch, als ich nach Hause ging. In meinem Kopf rotierten die Gedanken. Hier waren drei außergewöhnliche Jungs, die ich formen, um die ich mich kümmern und die ich ganz nach oben bringen konnte. Das war die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte, und ich wollte sie beim Schopfe packen. Vorher musste ich aber einen wichtigen Schritt einleiten.

Sex, Drugs & Symphonies

Подняться наверх