Читать книгу Sex, Drugs & Symphonies - Bernd Franco Hoffmann - Страница 34

Оглавление

26. Eure Lordschaft Falstaff Essex

Theyler: Ich gebe zu, dass wir nach der Vereinbarung mit Maxner die Sache schleifen ließen. Wir meinten, erstmal genug Musik gemacht zu haben und nahmen uns ’ne kleine Auszeit. Jetzt war Max dran, den Rest zu erledigen, schließlich hatte er ja so groß getönt. Wir schauten uns den ganzen Tag über London an. Tagsüber gammelten wir auf ’m Piccadilly Circus herum, futterten Fish 'n' Chips und atmeten die Atmosphäre Londons ein.

Riggbert: Ich denke, dass diese Phase damals sehr wichtig war. Wir verstanden uns prächtig und waren endlich mal ein bisschen ausgelassen.

Michael erzählte mir, dass die Phase des Nichtstuns in London die Band enger zusammenbrachte.

Adrian: Das kann ich bestätigen. Zum ersten Mal fühlte ich mich Michael und Stefan richtig verbunden. Sie waren jetzt wie Brüder für mich.

Theyler: Natürlich schauten wir uns auch berühmte Konzertorte an wie die Royal Albert Hall, das Hammersmith Odeon oder der Wembley Empire Pool.

„Hier spielen wir auch mal“, sagte ich zu den Jungs.

„Und ob“, meinte Wolfgang versonnen.

Dann legte Michael plötzlich die Arme um unsere Schultern und meinte: „Freunde, auch wenn wir noch ohne Plattenvertrag sind, wir sind schon mal in London, das kann uns keiner mehr nehmen.“

Adrian: Mir kamen fast die Tränen.

Es muss für dich ein merkwürdiges Gefühl gewesen sein, dass sich Wolfgang, Michael und Stefan amüsierten, während du permanent verzweifelt auf der Suche nach einem Plattendeal warst.

Maxner: Verzweifelt trifft es gut. Es ging auf den Herbst zu, und ich schaffte es nicht mal ansatzweise, dass sich ein Label für uns interessierte. Und während die Jungs London entdeckten, brütete ich über neue Strategien. Bis Ende des Jahres reichte das Geld noch und dann hatte ich die Kohle meines Vaters für einen sechsmonatigen London-Trip verbraten, bei dem ich immer nur gehetzt durch die überfüllten Straßen lief und überall abgewiesen wurde.

Aber wieder mal traf das alte Sprichwort zu: „Wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.“

Ich hatte an einem Vormittag ausnahmsweise nichts vor, und die Jungs waren noch am Pennen. Deshalb besuchte ich die Londoner Filiale meines Vaters. Dort arbeitete ein gewisser Tony Jennings, zu dem ich einen ganz guten Draht besaß. Tony war Engländer und ungefähr in meinem Alter. Ich berichtete ihm von meinem Kummer. Tony hörte mir aufmerksam zu und erzählte mir dann von seiner Schwester, die wiederum mit dem Mitarbeiter eines gewissen Lord Falstaff Essex befreundet war. Dieser Lord hätte, so berichtete mir Tony, von seinem Vater ein großes Vermögen geerbt. Essex wäre ein absoluter Musikfan und hätte gerade ein neues Label gegründet, für das er neue Rockbands suchte. Wenn ich wollte, könne er einen Kontakt herstellen – natürlich wollte ich.

Tony rief gleich von der Firma aus an und erzählte am Telefon irgendjemandem von einem Freund, der ’ne heiße Band am Start hätte. Nach einer Minute reichte mir Tony den Hörer: „Hier, Lord Essex will dich persönlich sprechen.“

Ich hörte eine tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung und nachdem sich meine anfängliche Aufregung gelegt hatte, erzählte ich ihm von der Band und von der Musik.

„Hört sich interessant an, kommen Sie morgen vorbei und bringen Sie ein Demoband und ein Bandfoto mit“, meinte Essex.

Ich war danach völlig euphorisch, die Jungs allerdings weniger.

Maxner berichtete mir, dass ihr alle anfangs skeptisch gegenüber dem Essex-Label gewesen seid.

Adrian: Falsch berichtet. Nicht alle, sondern nur einer.

Wer denn?

Na, Mister Riggbert, wer denn sonst?

Aus welchen Gründen denn?

Aus Michael-Riggbert-Gründen.

Riggbert: Ich dachte, dass sich ein englischer Lord, der gerade erst eine Plattenfirma gegründet hatte, ziemlich obskur anhörte. Ich fragte mich, ob der Laden überhaupt professionelle Strukturen besaß.

Adrian: Viel Zeit darüber zu grübeln, wie professionell die Strukturen bei Essex nun waren, besaßen wir nicht. Max wollte mit uns schnell ein paar Bandfotos machen. So stiefelten wir los und machten Porträtfotos von uns, die noch nicht mal besonders gut waren und wo ich wieder meine schrecklichen Pickel sehen musste.

Maxner: Schon am nächsten Tag saß ich im Büro des Lords, das recht opulent eingerichtet war. Alles sah irgendwie nach Geld aus. Auch der Lord war optisch sehr beeindruckend, besser gesagt, bedrohlich. Fett wie der Led-Zeppelin-Manager Peter Grant, mit einer strähnigen Matte wie der Voodoo-Keyboarder Dr. John und einem ungepflegten Vollbart wie Rasputin. Das fleischgewordene Klischee mit dicken Ringen an den fetten Fingern und der unvermeidlichen Zigarre zwischen den wulstigen Lippen.

Na toll, dachte ich, was ist das denn jetzt? Ich schätzte ihn auf 45 Jahre. Wie mir später jemand verriet, war er erst Anfang 30. Eigentlich hatte ich gar keine Lust auf so eine Type, aber ich sah es als letzte Chance für uns. Die Luft war durch den Zigarrenqualm so stickig, dass ich selbst als Raucher verzweifelt nach Luft schnappte. Ich kam anfangs gar nicht zu Wort, denn zunächst erzählte mir seine Lordschaft, was er so alles vorhabe.

Und was hatte seine Lordschaft so vor?

Während er sich ständig die Zigarre neu anzündete und den Qualm direkt in meine Richtung blies, schilderte er mir die Zukunft des Labels in den schillerndsten Farben. Er habe bereits mit Polydor, das unter anderem die Alben von The Who veröffentlicht, einen Vertrieb für Europa gefunden, und für die USA verhandle er gerade mit WEA International, der neugegründeten Musikabteilung von Warner Brothers. Mit der Folkband Rain Garden und den Blues-Rockern Cotton Cookies habe er schon zwei viel versprechende Bands unter Vertrag, hinzu käme mit einer gewissen Lucy Edwards eine sehr talentierte Sängerin.

„Jetzt suche ich noch nach einer Band aus dem progressiven Bereich, denn ich steh auf Pink Floyd, The Nice und Soft Machine.“

Das ist ja wunderbar, hier waren wir genau richtig, dachte ich und kam endlich auch zu Wort: „Also, wenn jemand progressiv ist, dann sind es diese Jungs, das schwöre Ich.“

„Wie heißt denn die Band?“, fragte Essex.

„Adrian, Riggbert & Theyler“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Da müssen Sie was falsch haben“, erwiderte Essex verwundert, „ich suche Musiker, und keine Rechtsanwälte.“

„Es sind Musiker, und zwar die besten überhaupt.“

„Hm“, grummelte Essex in seinen Bart, „haben Sie Fotos von der Band mitgebracht?“

Ich überreichte ihm die Aufnahmen, die Essex ausgiebig betrachtete.

„Hübsche Jungs, auf die werden die Mädels fliegen, das erweitert schon mal den Kreis der Plattenverkäufer. Aber wer ist Adrian, wer ist Riggbert und wer ist verdammt nochmal Theyler?“

Ich zeigte mit dem Zeigefinger auf jeden der drei abgebildeten Jungs.

„Das hier ist Wolfgang Adrian, der virtuose Keyboarder.“

„Hm, bei dem müssten wir mal mit dem Reibeisen durchs Gesicht. Hat der am Schwanz etwa auch so viele Pickel?“

Diese vulgäre Bemerkung schockte mich. Wieso spielt das Aussehen jetzt eine Rolle, will der eine Teenieband haben?, dachte ich verwundert.

„Das ist Michael Riggbert, der Sänger und Bassist.“

„Ah, das dachte ich mir schon. Hübscher Bengel, wirkt allerdings etwas hochmütig.“

„Das ist pures Selbstbewusstsein.“

Und wie alt ist der Drummer? Dem Aussehen nach 14.“

„Nein, schon 16.“

Essex sagte daraufhin nichts, was mich wieder ein wenig verunsicherte.

„Kommen wir zur Musik, haben Sie das Demo dabei?“, fragte er unvermittelt.

Ich überreichte ihm das Band, das nun über alles entscheiden konnte. Hinter Essex’ Schreibtisch stand ein Regal mit einem Tonbandgerät, in das er das Band gemächlich einlegte.

Das Demoband startete mit „Prelude To Power“. Ich dachte, wenn er dieses Paradebeispiel progressiver Musik anhört, haben wir schon gewonnen. Essex hörte aufmerksam zu, bis das Band zu Ende war.

„Und sie kommen alle aus Deutschland?“

Wieso jetzt diese Frage?

„Aus der Bundesrepublik Deutschland“, antwortete ich, als würde das was ändern. „Mein Vater Lord William Essex kämpfte im Zweiten Weltkrieg noch gegen die Nazis. Schon mal den Namen gehört?“, erklärte Essex und blies mir wieder eine mächtige Qualmwolke entgegen, was ich als Ablehnung oder Kriegserklärung interpretierte.

Woher sollte ich den Namen kennen? Ich interessierte mich weder für Militärhistorie, geschweige denn für Kampfflieger. Was kam jetzt bloß? Dass sein Vater durch die Feuersalve einer Stuka starb oder die SS seine gesamte Familie im KZ umbrachte? Bitte nicht!

Sex, Drugs & Symphonies

Подняться наверх