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27. Das Rinderfilet der Rockmusik

Aber beides kam nicht.

Nein, vielmehr kam etwas, was ich nie erwartet hätte. „Ich mag Deutschland sehr und war schon oft in Berlin und München, wirklich nette Menschen“, fuhr Essex fort. Ich hätte mich vor Erleichterung fast übergeben. Wenn ich allerdings damals gewusst hätte, warum er regelmäßig dort war, hätte ich ihm diese Demo in den Arsch gestopft.

Was meinst du denn jetzt damit?

Später. Wir wollen doch die gesamte Geschichte chronologisch erzählen oder nicht? Jedenfalls war ich heilfroh, dass er gegen Deutsche keine Aversion hegte. „Aber warum sind Sie extra nach England gekommen, um einen Plattenvertrag zu bekommen?“, fragte er zunächst.

Ich kroch ihm kräftig in den fetten Hintern und erzählte, dass in der deutschen Musikbranche ja keine professionellen Strukturen herrschten, und dass Großbritannien das Mutterland der Popmusik wäre und das Land der Beatles, Cream und so weiter, bla bla bla.

Essex schien begeistert: „Ich glaube, das wird was, das passt total ins Labelprogramm. Rockmusik ist die Jugendkultur des 20. Jahrhunderts. Und hier haben wir mal was ganz anderes: drei blutjunge deutsche Supermusiker mit einem Sound, der musikalische Grenzen sprengt – sozusagen die Richard Wagner der Rockmusik. Und irgendwie gefällt mir langsam auch der Bandname. Da kann die Band nämlich nicht einfach einen Musiker austauschen, das verspricht eine gewisse Langlebigkeit.“

Oder ein frühes Ende, wenn einer abhaut, dachte ich kurz, ehe Essex fortfuhr: „Und abgekürzt heißt die Band ART, das ist ebenso assoziativ wie anmaßend. Ich sehe es schon vor mir: „The ART of Music“, sowas lässt sich sehr gut vermarkten.“

Dabei malte er mit den Händen unsichtbare Kreise in der Luft und sah mich eindringlich an: „Adrian, Riggbert & Theyler sind sozusagen das saftige Rinderfilet der Rockmusik und alle anderen Bands nur pappiges Porridge.“

Hm, dachte ich, mit einem Rinderfilet wollte ich unsere Band aber nicht vergleichen, aber das war wohl der englischen Exzentrik geschuldet.

Essex war jedenfalls völlig enthusiastisch: „Kommen wir zum Geschäft: Ich biete der Band einen Plattenvertrag über fünf Alben mit Option auf weitere Alben. Ihr habt ja schon einiges an Equipment, sehr viel versprechende Songs, und wir unser eigenes Studio. Da könntet ihr nächste Woche für einen Monat rein. Das Weihnachtsgeschäft sparen wir uns, weil ihr dort als unbekannter Act im ganzen Trubel eher untergeht. Aber 1970 starten wir dann voll durch. Ich bringe das Debütalbum im Januar erstmal in Europa raus und wenn es gut läuft, auch in Amerika. Nächstes Jahr startet im März mit Rain Garden und den Blues-Rockern Cotton Cookies die Essex Over England-Package-Tour. Ihr werdet dabei sein. Das wird das Ereignis des Jahres. Ruf die Jungs an, die sollen vorbeikommen und den Vertrag unterschreiben.“

„Wann?“, fragte ich.

„Sofort!“, befahl Essex.

Theyler: Ich war derjenige, der damals ans Telefon ging. Als mir Max die Sache mit dem Plattenvertrag erzählte, stieß ich erstmal ’nen Jubelschrei aus. Wolfgang war ebenfalls aus‘m Häuschen, während Michael meinte: „Hört mal, ich denke, wir sollten uns die Sache erst mal anschauen.“

Adrian: Wenn Michael schon einen Satz mit „Hört mal, ich denke …“ anfing.

Stefan erzählte mir, dass deine Reaktion zum Angebot von Essex ziemlich zurückhaltend war.

Riggbert: Nun, ich dachte natürlich in größeren Dimensionen und hoffte, wir würden bei Labels wie EMI, Chrysalis oder Island unterkommen, eben auf den Labels der berühmten Bands. Bei Essex dachte ich eher an einen Tante-Emma-Laden.

Theyler: Als ich den Lord erstmals sah, dachte ich erst: „Hilfe, was ’ne fette Sau.“

Adrian: Essex sah aus wie ein fresssüchtiger Mafioso, der uns auch noch mit „Ja, da sind ja die süßen Knäblein“ begrüßte. Ich dachte nur, sowas müsste mal ein Mädchen zu mir sagen, und nicht dieses Schwabbel-Schwein.

Theyler: Als er zu reden anfing, änderte sich mein Eindruck. Der Lord prophezeite uns ’ne große Karriere, und dass wir genauso erfolgreich wie die Beatles werden könnten. Na, wenn’s weiter nichts ist, dachte ich.

Adrian: Während er mit uns sprach, oder besser gesagt auf uns einredete, kippte er einige Gläser Cognac runter, während wir am Mineralwasser nippten.

Riggbert: Dabei durften wir die ganze Zeit den stinkenden Zigarrenqualm einatmen. Adrian: Er begann dann förmlich von uns zu schwärmen. Jeder einzelne von uns wäre ein musikalisches Juwel, und er zeigte mit seinen dicken Finger nacheinander auf jeden einzelnen von uns.

Zu mir: „Gegen dich sind Jon Lord, Brian Auger und Keith Emerson talentlose Tastenquäler.“

„Natürlich“, erwiderte ich.

Zu Michael: „Gegen deine Stimme und deinem Aussehen sind Paul McCartney, Robert Plant und Mick Jagger abgewrackte Penner, die wie rostige Gießkannen singen.“

„Seh ich genauso“, bestätigte Michael lakonisch.

Und zu Stefan: „Du bist die rockig-swingende Synthese aus Keith Moon, John Bonham und Gene Krupa.“

„Klar Mann“, nickte Stefan.

„Schön, dann sind wir uns ja einig“, rieb sich Essex die Hände“, „und eines garantiere ich euch: Bei mir habt ihr die absolute künstlerische Freiheit.“

War das nicht ein wenig abgedreht für euch? Paul McCartney und Mick Jagger als abgewrackte Penner und rostige Gießkannen zu bezeichnen?

Riggbert: Wieso? Der Mann schien an uns zu glauben. So einen brauchten wir, um ganz nach oben zu kommen.

Theyler: Essex verglich mich doch tatsächlich mit meinem Idol Keith Moon, den ich erst vor zwei Jahren erstmals im „Beat-Club“ gesehen hatte. Ich fühlte mich schon jetzt wie ein Rockstar.

Sex, Drugs & Symphonies

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