Читать книгу Strafrecht Allgemeiner Teil - Bernd Heinrich - Страница 27
II.Der Aufbau eines strafrechtlichen Tatbestandes
Оглавление77Jeder Tatbestand besteht aus verschiedenen einzelnen Elementen, den sog. Tatbestandsmerkmalen. Hier werden regelmäßig das Tatsubjekt (z. B. „Amtsträger“), das Tatobjekt (z. B. „Mensch“, „Sache“) und die Tathandlung (z. B. „töten“, „wegnehmen“) umschrieben. Es können sich darüber hinaus aber durchaus auch andere Merkmale in den gesetzlichen Tatbeständen wiederfinden (z. B. besondere Begehungsweisen, Tatmittel oder Tatmodalitäten). Aufgabe des Rechtsanwenders, also des Richters (oder auch desjenigen, der eine juristische Klausur oder Hausarbeit zu verfassen hat), ist es, in einem ersten Schritt die einzelnen Tatbestandsmerkmale sauber voneinander zu trennen. In einem zweiten Schritt muss dann festgestellt werden, welchen Inhalt die jeweiligen Tatbestandsmerkmale haben, was also im konkreten Fall unter dem vom Tatbestand verwendeten Begriff zu verstehen ist („Definition“). Schließlich ist in einem dritten Schritt zu prüfen, ob das Verhalten des Täters von der jeweiligen Definition des entsprechenden Tatbestandsmerkmals erfasst wird („Subsumtion“). Das einzelne Tatbestandsmerkmal muss also zuerst benannt und dann definiert werden. Danach hat eine Subsumtion unter den betreffenden Lebenssachverhalt zu erfolgen. Abschließend ist dann ein Ergebnis zu formulieren.
Bsp.: Anton gibt dem Bruno eine kräftige Ohrfeige. Diese hinterlässt zwar keine Spuren, der Schlag tut dem Bruno jedoch ziemlich weh. In Betracht kommt hier der gesetzliche Tatbestand der Körperverletzung, § 223 StGB. In einem ersten Schritt sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale zu benennen: „Wer“ (= Täter), „eine andere Person“ (= Opfer), „körperlich misshandelt“ oder „an der Gesundheit schädigt“ (= jeweils Tathandlungen). In einem zweiten Schritt sind diese Merkmale dann zu definieren: „Wer“ ist jede natürliche Person, „eine andere Person“ ist jede natürliche Person, die vom Handelnden verschieden ist, „körperliche Misshandlung“ ist „jede üble unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt und unter einer „Gesundheitsschädigung“ wird das „Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes“ verstanden, wobei als „krankhaft“ der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand anzusehen ist.33 Nun folgt die Subsumtion: Anton ist eine natürliche Person, Bruno eine von Anton verschiedene andere natürliche Person, eine Ohrfeige ist kein üblicher sozialer Umgang, sondern eine unangemessene Behandlung, die infolge der Schmerzen auch das körperliche Wohlbefinden Brunos beeinträchtigt und nicht nur unerheblich ist. Da die Ohrfeige allerdings keine Spuren hinterlässt und daher kein krankhafter Zustand bei Bruno hervorgerufen wird, liegt darüber hinaus keine Gesundheitsschädigung vor. Da die Tathandlungen „körperliche Misshandlung“ und „Gesundheitsschädigung“ nicht kumulativ, sondern nur alternativ vorliegen müssen („oder“), reicht die Erfüllung eines dieser Merkmale aus. Als Ergebnis ist daher zu formulieren: Anton hat den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung, § 223 StGB, erfüllt.